Hochzeitsfeier während Corona? Paare leiden an Absage-Dilemma

Tobi Lang

Online-Redakteur

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13.10.2020, 10:51 Uhr
Die Hochzeit gilt für viele als der schönste Tag des Lebens. Während der Corona-Pandemie aber gilt das für einige nur mit Abstrichen.

© Uwe Anspach, dpa Die Hochzeit gilt für viele als der schönste Tag des Lebens. Während der Corona-Pandemie aber gilt das für einige nur mit Abstrichen.

Wenn Anna, die eigentlich anders heißt, über den vermeintlich schönsten Tag des Lebens redet, spricht aus ihr die Verzweiflung. Geheiratet hat sie ihren Mann Tom bereits im vergangenen Jahr, im kleinen Rahmen. Die große Hochzeitsfeier sollte das passende rauschende Fest dazu werden. Bereits für Mai hatte das Paar sich gemeinsam mit 80 Gästen auf einem Schloss im Nürnberger Umland eingemietet. Sektempfang, Führung durch die märchenhaften Hallen, eine lange Partynacht mit DJ. Doch die Feier platzte wegen der Corona-Pandemie.

Im Oktober, damit rechnete das Paar zumindest, werde alles besser sein, die Pandemie überstanden, Masken, Infektionsketten und behördliche Auflagen kein Thema mehr. Es kam anders. Eine zweite Corona-Welle grassiert in Europa und Deutschland, Menschen sterben noch immer an Covid-19, die Situation ist angespannt. "Das ist überhaupt nicht mehr das, was wir uns vorgestellt haben", sagt Anna.

Die Gäste kommen aus mehreren Städten in Franken, aus München, aus Passau und Wien. "Die fahren hinterher alle wieder nach Hause und ich würde mich schlecht fühlen, wenn sich einer ansteckt." Ein Superspreader will die junge Frau nicht sein. Zu oft wird in den Medien über ähnliche Fälle berichtet. Doch Absagen kann sie die Hochzeitsfeier nicht, zumindest nicht, ohne viel Geld zu verlieren - denn für eine kostenfreie Stornierung müsste die Party behördlich untersagt werden.

Es geht um fast 20.000 Euro

Das Problem ist die Location, das märchenhafte Schloss, das auf seiner Homepage mit "stilvoller und romantischer Atmosphäre" wirbt, mit einem großen Park und "luxuriösem Rahmen". Beste Bedingungen für eben jenes rauschende Fest, das sich Anna und Tom wünschen. Nur eben nicht jetzt, während der Pandemie. "Wir sind auf den Vermieter zugegangen", sagt Anna, die die Feier am liebsten verschieben würde. "Wir würden auch einen Termin unter der Woche nehmen, außerhalb der Saison." Doch die Betreiber des Schlosses bleiben hart. Bei einer Stornierung würde das Paar auf 100 Prozent der Kosten sitzen bleiben - etwas weniger als 20.000 Euro. "Wenn wir verschieben, müssten wir aber auch einen vierstelligen Betrag Gebühr zusätzlich zur Anzahlung bezahlen."


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Virologen betonen immer wieder: Gerade private Feiern sind während der Pandemie ein Risiko. Der Großteil der Infektionen geschieht im familiären Rahmen oder bei Partys. In Bayern sind nicht-öffentliche Veranstaltungen aber weiter mit bis zu 100 Personen in geschlossenen Räumen erlaubt. Erst wenn der kritische Warnwert in einer Kommune überschritten wird, sollen Regeln verschärft werden - ironischerweise müssten Anna und Tom genau auf diesen Fall hoffen, um ohne horrende Kosten stornieren zu können.

Die Unsicherheit ist groß

Auch die Verbraucherzentralen wissen um die Absage-Problematik. Weil die Feiern behördlich nicht untersagt sind, wird es schwierig mit der kostenfreien Stornierung. Die Vermieter der Hochzeitslokalitäten können juristisch gesehen leisten - und lassen sich das bezahlen.

Generell, erklärt die Nürnberger Hochzeitsplanerin Kathrin Otzmann, sei die Situation ein Desaster. "Und zwar für alle, die hauptberuflich in der Branche arbeiten." Viele Paare haben ihre Feiern bereits auf das nächste und sogar das übernächste Jahr verschoben - die Unsicherheit ist groß. "Ich kann die Paare verstehen, die verschieben wollen", sagt Otzmann. Jede Trauungsfeier wird zur Zitterpartie, die Nerven liegen oft blank, die Vorfreude auf die Traumhochzeit ist dahin. "Aber ich kann auch die Dienstleister und Locations verstehen, die mit dem Rücken zur Wand stehen."


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Auch die Hochzeitsplanerin rät dazu, Verträge genau zu überprüfen. "Wenn dort etwa die Gästezahl konkret auf 100 niedergeschrieben wurde, sich die Zahl aber wegen äußerer Umstände verringert, dann kann das ein wesentlicher Faktor sein." Aber: Noch ist die rechtliche Lage nicht geklärt, entsprechende Urteile gibt es nicht. "Man muss viel sprechen und viel zwischen den Parteien vermitteln."

"Heulend mit dem Auto umher gefahren"

An eine unbeschwerte Hochzeit, sagt Anna, deren Hochzeit Mitte Oktober stattfindet, sei nicht mehr zu denken. Die Probleme häufen sich inzwischen. Einige Gäste, die aus Österreich kommen, wollen die zweiwöchige Quarantäne nicht auf sich nehmen - sie kommen aus einem Risikogebiet. Andere Freunde aus Deutschland sind verunsichert. Das Beherbergungsverbot, das in Bayern seit einigen Tagen gilt, könnte die Unterbringung der Gäste erschweren - dann, wenn die Landkreise ihrer Gäste zum Hotspot erklärt werden.


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Die Liste der Unwägbarkeiten ist lang. Statt der Vorfreude auf die offene Trauung fließen jetzt bittere Tränen. "Ich bin vor ein paar Tagen noch heulend mit dem Auto umher gefahren, um mich zu beruhigen", sagt Anna. "Das ist nicht die Traumhochzeit, die wir vor allem für unsere Familie und Freunde gewollt haben."

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