"Kämpfe für deinen Traum!"

Isabel Lauer

Lokalredaktion Nürnberg

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17.12.2020, 18:27 Uhr
Fürs Foto mal die Maske runter, damit man ihr Lachen sieht: Hannah Feneberg baut in der Gastro-Firma der Lebenshilfe die Konditorei auf.

© Roland Fengler Fürs Foto mal die Maske runter, damit man ihr Lachen sieht: Hannah Feneberg baut in der Gastro-Firma der Lebenshilfe die Konditorei auf.

Ein dunkelgrauer Wintermorgen. In der Betriebsküche der Mercedes-Niederlassung in Eberhardshof brennen alle Lichter. Es duftet intensiv nach Warmem und Süßem. "Das sind die Haselnussplätzchen", sagt Hannah Feneberg und schiebt noch schnell ein Blech in den Ofen, bevor sie für das Interview den Teig den Kollegen überlässt.

"Es war ein chaotisches Jahr", sagt sie seufzend. Dann lacht sie. "Aber jetzt geht es wieder aufwärts." Sie meint das eigentlich auf die Corona-Pandemie bezogen – dabei ist es ihr Lebensmotto. "Ich hatte immer wieder schwere Zeiten. Aber man kann alles schaffen, wenn man will." Die Fürtherin ist ein Beispiel dafür, dass der Weg eines jungen Menschen in eine erfüllende Berufstätigkeit Sackgassen und Treppen haben kann, die von Karriere-Bibeln lieber verschwiegen werden.


"StrandGut" endlich eröffnet: Der Wöhrder See hat ein neues Café


In ihrem ersten Ausbildungsberuf der Feintäschnerin war Hannah Feneberg unglücklich. Die Stelle sei nicht zukunftsträchtig gewesen, auch in der Tätigkeit – Lederbearbeitung angesichts einer übermächtigen Produktschwemme aus dem Ausland – habe sie keinen Sinn gesehen. Zweiter Versuch: eine Ausbildung zur Konditorin. Doch im Betrieb gab es Probleme. Der Auszubildenden blieb nur der Abbruch, unverschuldet. Eine andere Konditorei übernahm sie bis zur Gesellenprüfung, aber ohne Aussicht auf Anstellung. Hannah Feneberg wurde, obwohl sie alles durchgezogen hatte, arbeitslos.

"Positive Art"

Dass die handwerklich begabte junge Frau heute als Konditorin bei "Gastronomie und Toleranz" (GuT) arbeitet, einer 2020 eröffneten Inklusionsfirma der Lebenshilfe Nürnberg, sei einem Zufall zu verdanken, erzählt sie. Auf dem Stadtfest der Lebenshilfe ein Jahr zuvor seien ihre Mutter und sie mit einem Bekannten ins Gespräch gekommen, der bei dem Verband für Menschen mit geistiger Behinderung arbeitet. Letztlich habe die Begegnung mit Hannah und ihrer "unheimlich mutigen Art" die Lebenshilfe damals erst auf die Idee gebracht, die künftige Gastro-Firma auch mit einem Konditoreizweig zu versehen, sagt "GuT"-Geschäftsführer Stephan Mitesser im Rückblick.

Dass die 28-Jährige eine angeborene Hörschädigung hat, war jedenfalls Nebensache. Dank eines Cochlea-Implantats kann sie sich gut mit Hörenden verständigen, solange Augenkontakt besteht. "Die Kollegen in der Küche wissen jetzt, dass ich nichts verstehe, wenn sie mir den Rücken zudrehen. Das Wichtigste ist gute Kommunikation."

Inklusionsfirmen leiden auch unter Corona

"GuT" bewirtschaftet neben den Mercedes-Betriebsrestaurants das Café "StrandGut" am Wöhrder See, will als Nächstes im Langwasserbad und mit einem Kuchen-Bestellservice einsteigen. Die Pandemie bremst den Ausbau im Moment, mit Kurzarbeit und herben Verlusten. Rund 100 Frauen und Männer beschäftigt die Lebenshilfe Nürnberg mittlerweile in Inklusionsfirmen, knapp die Hälfte von ihnen hat eine Schwerbehinderung. Welche genau, das müssen die pädagogischen Begleiter im Hinterkopf haben – bei der Arbeit aber sei das zum Glück egal, sagt Hannah Feneberg. Sie fühle sich gut bei "GuT".


Mit Behinderung in die Mitte der Gesellschaft


Genau diese Perspektive wollen die Betriebe in die Gesellschaft tragen, erklärt Lebenshilfe-Vorsitzender Horst Schmidbauer. "Wir zeigen, dass Menschen mit Behinderung in der Lage sind, einen ganz normalen Arbeitsplatz auf dem Markt zu haben, sozialversicherungspflichtig und nach Tarif bezahlt. Wir unterschätzen sonst unwahrscheinlich die Menschen und ihre Fähigkeiten, das ist ein Problem." Natürlich habe auch sie schon Diskriminierung wegen ihres Hörschadens erlebt, sagt Hannah Feneberg. Aber: "Ich fühle mich wie ein normaler Mensch. Gehörlosigkeit ist keine Krankheit."

Warum Inklusion? Warum nicht!

Warum also eine Inklusionsfirma? "Warum nicht?", fragt sie strahlend zurück. "Ob das hier Inklusion heißt oder sonstwie – es geht einfach ums Zusammenarbeiten, wie in einem Familienbetrieb." Ihre Botschaft heiße: "Es ist egal, wie alt du bist und ob mit oder ohne Behinderung. Probier’s aus, sei mutig, kämpf‘ um deinen Traumberuf!" Dann macht sie eine Essenspause, herzhaft, bevor sie sich wieder um Plätzchen und Lebkuchen kümmert.

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