Konzertsaal Nürnberg: Steigt der Freistaat doch ein?

Elke Graßer-Reitzner

Lokalredaktion Nürnberg und Rechercheteam

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22.11.2020, 05:30 Uhr
Konzertsaal Nürnberg: Steigt der Freistaat doch ein?

© Oliver Acker, NN

Die Stadträtinnen und Stadträte mussten sich bei ihren Haushaltsberatungen am Mittwoch mit bisher ungekannten Kosten auseinandersetzen, die sich unter dem Oberbegriff "Folgen von Corona" zusammenfassen lassen. Das Ergebnis: Der über zwei Milliarden schwere Etat fürs nächste Jahr, in dem auch Investitionen für die Folgejahre aufgeschlüsselt sind, sieht eine Neuverschuldung von rund 200 Millionen Euro vor.


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Betroffen von der Misere ist nicht nur die Stadt selbst, sondern auch ihre Töchter und die Unternehmen, an denen sie beteiligt ist. So blieben etwa am Flughafen Nürnberg im Frühjahr infolge des Lockdowns die Maschinen am Boden, derzeit sind Flugreisen wiederum kaum möglich. Der Airport mache heuer einen Verlust von 27 Millionen Euro, der im nächsten Jahr kaum unter 21 Millionen sinke, prophezeite Finanzreferent Harald Riedel dem Gremium.

Die Folge: Die Stadt, die mit dem Freistaat zu gleichen Teilen Gesellschafter des Flughafens ist, muss 25 Millionen Euro an Kapitaleinlage zuschießen, damit dort der Betrieb weiterlaufen kann. Im vergangenen Jahr dagegen machte das Fluggeschäft drei Millionen Gewinn. "Unter normalen Bedingungen ist man gut lebensfähig", stellte Riedel fest.

20-Millionen-Spritze

Doch auch die NürnbergMesse konnte nicht wie gewohnt wirtschaften, zuletzt musste die Consumenta abgesagt werden, einige Messen fanden sogar nur virtuell statt. Das Ergebnis: Die Stadt als Gesellschafter muss 20 Millionen Euro beisteuern.

Dies stößt erwartungsgemäß nicht überall auf Begeisterung. Achim Mletzko, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hatte angeregt, die Sonderzuweisung an die Messe nicht zu gewähren, da sich deren Geschäftsführer vor kurzem im Gespräch mit unserer Redaktion zuversichtlich zeigten, in vier Jahren wieder bei 80 Prozent des Vor-Corona-Geschäfts zu landen.

Am Ende wurden die Gelder jedoch lockergemacht, der Haushalt mit nur sieben Gegenstimmen auf den Weg gebracht. Kämmerer Riedel äußerte die Hoffnung auf weitere Unterstützung von Bund und Land. Die Stadt selbst müsse sich angesichts eines Defizits von 50 Millionen Euro im neuen Etat mit neuen Vorhaben zurückhalten.


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Schon vor den Haushaltsberatungen hatte Stephan Doll vom DGB gefordert, der Freistaat solle sich stärker bei Flughafen und Messe engagieren. Und aus den Reihen der SPD kam die Mahnung, beim Konzertsaal das Land an sein Versprechen zu erinnern, den Bau fast komplett zu finanzieren. Kulturbürgermeisterin Julia Lehner und Oberbürgermeister Marcus König (beide CSU) hatten vor der Haushaltssitzung das vorläufige "Aus" des 200-Millionen-Projekts verkündet, weil die Stadt sich den Eigenanteil nicht leisten kann.

Das Projekt müsse mindestens mit einer "mittelfristigen Perspektive" fortgeführt werden, mahnte SPD-Stadtrat Ulrich Blaschke, Mitglied in der Konzerthauskommission. Man habe bereits Planungskosten investiert. OB König und Bürgermeisterin Lehner seien nun in der Pflicht, Gespräche mit der Staatsregierung zu führen. Denn der Freistaat will am Ostbahnhof München ein neues Konzerthaus von Weltrang bauen – und bezahlen. Nürnberg dürfe da nicht stiefmütterlich behandelt werden.

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