Lagerkoller Fehlanzeige: Diese Nürnberger machen das Beste aus der Corona-Krise
21.4.2020, 12:58 UhrEs passt, dass Margarete Weidinger ausgerechnet dieses Buch aus ihrem Bücherregal hervorgezogen hat: "Die unendliche Geschichte" von Michael Ende; jenen Roman, in dem der Junge Bastian in eine Phantasiewelt abtaucht, in der er sich beinahe verliert. Auch die Corona-Krise trägt schließlich Züge einer unendlichen Geschichte, aus der der Ausstieg nur schwer zu finden ist. "Je länger es dauert, desto unzufriedener wird man", beobachtet Weidinger an sich selbst. Doch in den Jammer-Modus mag die 58-Jährige aus der Nürnberger Südstadt trotzdem nicht verfallen. Zumindest noch nicht.
Weidinger versucht, sich auf die positiven Nebenwirkungen des derzeit fast auf Null heruntergefahrenen öffentlichen Lebens zu fokussieren. "Ich krame jetzt in meinen Büchern", sagt die Architektin. Sie liest derzeit viel und empfindet es als Glück, dass sie die Ausgangsbeschränkungen nicht mit aller Härte treffen. Sie weiß um ihr Privileg, dass sie auf den Balkon und in den Garten kann. Dort findet sich immer etwas, was getan werden muss. Beete müssen geharkt, die Algen aus dem Teich gefischt werden.
Weidinger kann von Zuhause aus arbeiten, noch so ein Vorteil in dieser Zeit. Die Südstädterin ist selbstständig, sie vernetzt und berät Menschen, die gemeinsam ein Wohnprojekt auf die Beine stellen wollen. Wobei genau dieses Vernetzen ohne persönlichen Kontakt schwierig wird. Also hat sich Weidinger beigebracht, wie man eine Videokonferenz anberaumt. "Ich habe mich bisher ein bisschen dagegen gesträubt", gesteht sie. Doch jetzt hilft die digitale Kommunikation. "Es ist eine Erleichterung."
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Vor dem Virus selbst hat Margarete Weidinger übrigens keine große Angst. "Ich gehe jeden Tag in den Wald und schnaufe extra tief durch", meint sie und lacht. Doch die Kollateralschäden seien enorm. "Ich habe viel mit Selbstständigen zu tun, die müssen jetzt Hartz IV beantragen", erzählt die 58-Jährige. Sie fragt sich, wie der Ausstieg aus dieser manchmal unwirklich anmutenden Phase gelingen kann.
Zu Ostern gibt's "etwas fürs Sparschwein"
Eine Doppelhaushälfte im Stadtteil Thon, ein klassisches Refugium für Familien. Über der Siedlung liegt Feiertagsruhe, es ist Ostern – und irgendwie doch nicht. Eigentlich hätte Familie Mitschke Verwandte treffen wollen, wie in jedem Jahr zu Ostern. Doch das beliebte Ritual wurde abgesagt. Auch die Osterbescherung fällt im Hause Mitschke in diesem Jahr weitestgehend flach. "Dieses Mal gibt es etwas fürs Sparschwein", sagt Yvonne Mitschke.
Oliver (8) und Sarah (11) tragen die Einschränkungen offenbar mit Fassung. "Es läuft eigentlich unerwartet gut", fährt Yvonne Mitschke fort und meint damit ihr Familienleben im coronabedingten Ausnahmezustand. Ihr Mann arbeitet im Homeoffice, die Laborantin selbst auch.
Dass sie als berufstätige Eltern von einem Tag auf den anderen plötzlich auch noch Lehrer sein sollten, stieß im Hause Mitschke zwar nicht gerade auf Begeisterung, aber auf viel Verständnis: "Die Gesundheit geht vor." "Homeschooling ist eine interessante Erfahrung. Man weiß ja nicht, was einen erwartet, aber es hat sich eingespielt", erzählt die zweifache Mutter. Wie sie das hinbekommen hat? Sie hat den Tipp beherzigt, ihren Kindern eine feste Struktur mit festen Zeiten an ihren Schreibtischen vorzugeben. "Ich hatte sogar mehr Angst vor den Ferien als vor dem Homeschooling, weil wir Eltern jetzt ja trotzdem Homeoffice haben", fährt die 44-Jährige fort. Aber auch das hat sich eingespielt.
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Oliver vertreibt sich die Zeit mit Fußballspielen. Die Kinder aus der Nachbarschaft wechseln sich mit dem Kicken im Garagenhof ab. Für Sarah, die Elfjährige, sei es nicht ganz so leicht, erzählt ihre Mutter. Die Tochter sei mit ihren Mädels sehr eng und mit ihren Freundinnen oft zusammen in der Stadt unterwegs. Darauf muss die Gymnasiastin nun verzichten, und vorerst auch auf ihre Geburtstagsfeier. Sarah wird zwölf Jahre alt in dieser Woche. Doch zum Glück gibt es die sozialen Medien. Jetzt werden eben besonders viele WhatsApp-Nachrichten getippt.
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Die Mitschkes sind gern bereit, ihre persönlichen Bedürfnisse weiter hintenanzustellen, wenn das dazu beiträgt, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. "Ich wünsche mir, dass die Maßnahmen nicht überstürzt zurückgefahren werden", sagt Yvonne Mitschke. Damit nicht alles umsonst war.
"Wir machen das Beste draus"
Die Sträucher sind geschmückt, Eier in allen Farben hängen an den Zweigen. Man sieht, dass hier jemand mit einem großen Faible fürs Dekorieren wohnt. An Weihnachten leuchten hier Lichterketten, derzeit hat Petra Seitz das kleine Gärtchen in der Südstadt ganz auf Ostern getrimmt. Der Corona-Koller hat Petra und Werner Seitz offensichtlich noch nicht ereilt. "Wir machen das Beste draus", sagt der 67-Jährige munter. Er sei ohnehin Rentner. Seine Frau ist derzeit im Homeoffice. Werner Seitz genießt es, seine Frau nun auch tagsüber bei sich zu haben: "Das ist umso schöner."
Auch Petra Seitz kommt mit der Arbeit zuhause gut zurecht. "Mir gefällt das Homeoffice", so die 58-Jährige. Wenn sie an ihre Mutter denkt, beschleichen sie allerdings Sorgen. Normalerweise würde sie diese zwei Mal in der Woche im Heim besuchen. Das geht jetzt nicht. Und unklar ist, wie lange das Besuchsverbot noch aufrechterhalten werden muss. "Meine Mutter leidet darunter und ich auch", sagt Petra Seitz. Momentan bleibt nur das Telefon.
Das Ehepaar hat in ein Fenster den Aufruf der Zeitung gehängt: "Wir bleiben zuhause." Passanten können das vom Gehsteig aus lesen und als Appell verstehen. Petra und Werner Seitz halten die Maßnahmen der Politik für richtig. "Anders kann man es nicht machen." Aber natürlich freuen sich die beiden auf die Rückkehr zur Normalität, irgendwann. Einfach mal zum Essen oder ins Einkaufszentrum, ohne dass man sich Gedanken machen muss – das wär's, finden sie.
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