Gorillas, Flink und co.

Liefer-Supermärkte boomen auch in Nürnberg - was steckt dahinter?

5.6.2021, 05:55 Uhr
Das Versprechen: Innerhalb von zehn Minuten werden die bestellten Lebensmittel geliefert.

© iStock.com / Kritchanut, NNZ Das Versprechen: Innerhalb von zehn Minuten werden die bestellten Lebensmittel geliefert.

8.46 Uhr in der westlichen Nürnberger Altstadt, der Kühlschrank ist leer. Wer nicht auf nüchternen Magen einkaufen gehen mag oder den Gang zum Supermarkt auch sonst scheut, dem bieten Liefer-Supermärkte Abhilfe.

Bei ihnen wählt man online die gewünschten Produkte aus, per Klick auf der Website oder in der App, bezahlt vorab und wartet. Allerdings nicht allzu lange, denn manche der Dienste versprechen geradezu schwindelerregend schnelle Lieferzeiten.

Gorillas: Es klingelt nach acht Minuten

Der Marktführer Gorillas, der seit neustem auch in Nürnberg liefert, wirbt damit, dass die Bestellung innerhalb von zehn Minuten beim Kunden ankommt. Zehn Minuten? Brötchen, Käse, Eier, Milch und Tomaten kommen in den digitalen Warenkorb und schon Sekunden später kann man auf dem Bildschirm eine schwarze Figur auf einem Fahrrad quasi live dabei verfolgen, wie sie sich dem eigenen Wohnort nähert. Um 8.54 Uhr klingelt es an der Tür, acht Minuten nach Bestellung. Wie kann das sein?


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Diverse Anbieter liefern inzwischen Lebensmittel nach Hause, sie unterscheiden sich in einigen Aspekten: Die großen Anbieter wie das bereits genannte Berliner Start-Up Gorillas und das ebenfalls in der Hauptstadt gegründete Flink setzen auf E-Bikes und rasend schnelle Lieferung, bei beiden gilt das Zehn-Minuten-Versprechen.

Dazu brauchen sie zentral gelegene Lager in den Städten und liefern nur in einem überschaubaren Radius darum herum. Gorillas hat derzeit nur einen Standort in Nürnberg, dazu kommt ein weiterer in Fürth. Flink bedient die Nürnberger Kundschaft aus Lagern in der Äußeren Sulzbacher Straße und in der Scheuerlstraße bereits in einem größeren Radius.

Lebensmittel-Lieferdienste: Der Markt ist explodiert

Sofortige Bedürfnisbefriedigung bei maximaler Bequemlichkeit - dazu das angenehme Gefühl, wegen der Lieferung per Fahrradkurier etwas für die Umwelt zu tun: Liefer-Supermärkte sind ein Zeitgeistphänomen. Man kann sich vorstellen, dass sie in Großstädten auch ohne die Corona-Pandemie leicht zum Erfolg gekommen wären. So ist der Markt geradezu explodiert.

Gorillas ist laut Tagesspiegel das erste deutsche Start-Up, das innerhalb von nur neun Monaten nach seiner Gründung von Investoren mit mindestens einer Milliarde Euro bewertet wurde (und damit in der Branche den sogenannten "Unicorn"-, also Einhorn-Status erreicht hat).

"Ähnlich prekär ist nur die Fleischindustrie"

Auch Flink bewegt sich laut Tagesspiegel im zweistelligen Millionenbereich. Deutschlandweit ist die Liste der offenen Stellen lang. In Nürnberg schreibt Flink derzeit zwei Stellen aus, Gorillas sogar fünf. Das Geschäft boomt. Doch zu welchem Preis?


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"Als Gewerkschaft betreuen wir viele Bereiche, aber ähnlich prekär wie die Lieferbranche ist nur die Fleischindustrie", sagt Laura Schimmel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Nürnberg. "100 Prozent befristete Arbeitsverträge", so die Gewerkschaftssekretärin, gebe es in dieser Branche - und dadurch deutlich erschwerte Mittel zur betrieblichen Mitbestimmung.

Denn während Betriebsräte zwar in Deutschland einen besonderen Kündigungsschutz genießen, sind sie nicht dagegen abgesichert, dass man ihre Verträge einfach auslaufen lässt. Eine Gesetzeslücke, mit der Unternehmen sich einer neu gegründeten Initiative einfach wieder entledigen können. "Das haben wir in der Lieferbranche bereits konkret so erlebt."

"Versteckte Kosten" für Angestellte

Die Verträge in der Branche seien außerdem auf "Arbeit auf Abruf" ausgelegt, so Schimmel. Am konkreten Beispiel von Gorillas erklärt sie: Mitarbeiter hätten ein vertraglich garantiertes Minimum von 80 Stunden im Monat: Auch wenn in Vollzeit gearbeitet werde, sei alles darüber hinaus freiwillig.

Der Arbeitgeber könne jederzeit die Arbeit auf das garantierte Minimum reduzieren. "Dadurch gibt es für Beschäftigte keinerlei Planungssicherheit. Von den Mindeststunden können viele ihre Miete nicht bezahlen."