Schwabachs Stadtrat hat's getestet
Luftfilter in der Schule: Laut "wie das Rauschen der Autobahn"
30.7.2021, 06:54 UhrDer erste Eindruck ist immer der beste. Das ist auch diesmal so. Donnerstagnachmittag, Ortstermin im Altbau des Adam-Kraft-Gymnasiums für Schwabacher Lehrer und Stadträte. Die Stadt hat quasi zu einer Hörprobe geladen. Gleich neben der Klassenzimmertür steht ein 2,30 Meter hoher Luftfilter, den der Elternbeirat im vergangenen Jahr finanziert hatte, und summt.
"Nicht auf Volllast"
"Das ist ja leiser, als ich dachte", sagt Silke Blomeyer, die Rektorin der Luitpoldschule in einer spontanen Reaktion. "Ein Beamer ist lauter", findet auch Michael Stierand, stellvertretender Schulleiter der Wirtschaftsschule. "Der Filter läuft allerdings nicht auf Volllast", antwortet Angelika Schultheiß, die im Gebäudemanagement der Stadt für die Haustechnik zuständig ist.
Deshalb ist der erste Eindruck leider nicht immer richtige. Einige Minuten später drückt Angelika Schultheiß auf die Power-Taste des grauen Kastens. Jetzt ist der Luftfilter etwa so laut, wie die Geräte, die im Förderprogramm des Freistaats zugelassen sind. Bis zu 40 Dezibel. Mit dem Geräuschpegel ändert sich auch die Einschätzung. "Das geht nicht", sagt Michael Stierand kurz und klar. "Für unsere Kinder wäre das zu laut", findet auch Silke Blomeyer.
OB Peter Reiß kommt einige Minuten später, schreitet aber buchstäblich sofort zu Tat. Von der Tür geht er in jede Ecke des Raums und bleibt kurz stehen. "Man kann nicht leugnen, dass man was hört", sagt er. "Mich erinnert das an ein monotones Autobahngeräusch."
Söder macht Druck
Soll man so Unterricht machen? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und seine Staatsregierung sagen: ja. Für sie sind Luftfilter ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Corona. Deshalb fordert Söder: Luftfilter in alle bayerischen Klassenzimmer ab dem neuen Schuljahr. Ein Förderprogramm bietet 50 Prozent Investitionszuschuss für die rund 3500 Euro teuren Geräte. Damit setzt Söder die Städte, Landkreise und Gemeinden massiv unter Druck. Motto: Die Regierung tut alles für die Sicherheit, jetzt sind die Kommunen dran.
Große Zweifel
Die aber reagieren mit einer Mischung aus zweifelndem Zögern und offener Ablehnung. Auch der Landkreis Roth mit seine Gemeinden, und auch der Schwabacher Stadtrat. Aus gleich mehreren Gründen. So viele Geräte so kurzfristig zu beschaffen, sei völlig unrealistisch. Zudem wird nur der Kauf, nicht aber die aufwändige Wartung bezuschusst. Gleichzeitig fordert die Staatsregierung, dass die Geräte mindestens drei Jahre in den Klassen stehen müssen. "Für die Stadt würde das für alle 350 Klassenzimmer rund 1,4 Millionen Euro kosten", hat Dr. Manuel Kronschnabel von der Stabsstelle des OB hochgerechnet.
Wäre das Geld wenigstens gut angelegt? Würden Luftfilter bei einer drohenden vierten Welle erneute Schulschließungen verhindern? Dazu gibt es von der Staatsregierung keine Aussage. Müssten die Schülerinnen und Schüler wenigstens nicht mehr frieren, weil alle 20 Minuten gelüftet wird? "Das ist die Hoffnung, die ich von vielen Eltern höre", berichtet Silke Blomeyer.
"Kein Ersatz fürs Lüften"
Doch diese Hoffnung trügt. "Völlig klar ist: Die Luftfiltergeräte sind kein Ersatz fürs Lüften", stellt Kronschnabel klar. Es bestehe sogar die Gefahr, dass man sich in falscher Sicherheit wiege und aufs Lüften verzichte. Frische Luft aber ist entscheidend, um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren.
Bisher wurden in Schwabacher Schulen 21 Luftfilter installiert: in Zimmern, die sich nur schlecht oder gar nicht lüften lassen. Und wie geht es weiter? Aktuell läuft eine Bedarfsumfrage der Stadt. Daraus soll bis zum Ferienausschuss des Stadtrats im August ein Konzept erarbeitet werden. Die Grundidee steht bereits: Vorrang sollen weiterhin schlecht lüftbare Räume haben oder so kleine Zimmer, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.
Zu den Stadträten, die zum Ortstermin gekommen sind, gehört Gerd Distler (CSU). Was nimmt er mit? "Große Investitionen, wenig Nutzen. In bestimmten Räumen schon, aber flächendeckend?" Söder will genau das. Zumindest bei diesem Ortstermin aber fordert das niemand.
Ein entscheidendes Missverständnis
Im Nachgang zu diesem Artikel haben wir erfahren, dass ein Teil der hier geschilderten Darstellung auf einem Missverständnis beruht. Denn im Volllastbetrieb steigt zwar der Geräuschpegel des Luftreinigers, doch das Gerät wird während des Unterrichts nicht in Volllast betrieben.
„Volllast ist nicht für den Dauerbetrieb vorgesehen, sondern nur kurzzeitig vor und nach dem Unterricht sowie in den Pausen“, betonte Harald Wimmer, Vertriebs- und Marketingleiter der Schwabacher Herstellerfirma LK Metall. „Sie ist dazu da, um im Raum für einen bis zu achtfachen Luftwechsel zu sorgen.“ Für den Unterricht bedeutet das: „Der Normalbetrieb ist mit 35 Dezibel wesentlich leiser als ein Beamer“, so Wimmer.
Die Firma LK Metall habe in der Region rund 150 Luftfiltergeräte an Schulen, aber auch an Firmen ausgeliefert. „Niemand hat sich beklagt, dass sie zu laut wären. Wir haben nur positive Rückmeldungen“, erklärte Wimmer. „Kein Luftfilter kann absolute Sicherheit vor Corona geben. Die Luftreinigung ist zwar effektiv, aber definitiv kein Ersatz fürs Lüften."
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