Nach Bombenentschärfung 2013: Der Sprengmeister im Interview
18.2.2019, 17:42 UhrSprengmeister zu sein ist ein todernster Job. Das ist ganz wörtlich zu nehmen. Die Person selbst jedoch, muss dies keinesfalls sein. Der lebende Beweis ist der 38-jährige Michael Weiß vom Sprengkommando in Feucht.
Bereits zu Anfang des Gespräches ist der Oberpfälzer zu Scherzen aufgelegt. Auf die Frage, ob Herr Weiß bei der Entschärfung der Fliegerbombe nervös gewesen sei, antwortet er zunächst in der dritten Person: "Auf mich machte Herr Weiß eigentlich einen recht lockeren Eindruck."
Herr Weiß, Sie hatten ja bereits gesagt, dass Sie während der Entschärfung keine Angst hatten. Wie schaffen Sie das, angesichts einer 450 Kilo schweren Bombe ruhig zu bleiben?
Michael Weiß: Unnötig verspannt zu sein, bringt ja nichts. Am Ende liefert man dann einfach keine gute Arbeit ab. Wichtig ist, dass man bei der Entschärfung sowohl Ruhe bewahrt, als auch den nötigen Respekt vor der Bombe hat.
Aber mal Hand aufs Herz, waren Sie nach der Entschärfung nicht dennoch ein bisschen erleichterter als vorher?
Michael Weiß: Nein, denn der Sprengstoff bleibt immer gefährlich. Die Leute denken, mit der Entschärfung wäre für mich der Einsatz erledigt. Aber das stimmt nicht. Danach musste die Bombe erst noch verladen werden. Das waren immerhin Hunderte Kilogramm. Und auch der anschließende Transport ist extrem gefährlich. Besonders bei einem hohen Verkehrsaufkommen. Deswegen benötigen wir auch besonderen Polizeischutz.
Waren Sie überrascht von dem großen Medienandrang bei der Entschärfung?
Michael Weiß: Naja, es waren schon sehr viele Journalisten für unser Empfinden. Ich kann das Medieninteresse ja verstehen, aber eigentlich wollen wir nur in Ruhe unsere Arbeit machen. Bereits am Dienstag kamen ja sehr viele zum Fundort.
Dachten Sie nach dem Einsatz bereits an den nächsten Bombenfund oder konnten sie erst mal entspannen?
Michael Weiß: Die Bombenfunde sind ja eigentlich nur ein Nebengeschäft von uns. Ich bin jeden Tag von sieben bis 18 Uhr beschäftigt. Nach dem Fall in Nürnberg ging die Arbeit ganz normal weiter. Es gab noch viel Papierkram zu erledigen und Dokumente abzuhaken.
Außerdem gibt es viele Arbeitsschritte, die nach der Entschärfung anfallen. Wir müssen zum Beispiel die Bombe zersägen. Das klingt jetzt einfach, aber nimmt wirklich viele Stunden in Kauf. Am Ende muss auch noch die Metallhülle der Bombe im Ofen verbrannt werden.
Kommt dieser Aspekt Ihrer Arbeit in den Medien zu kurz?
Michael Weiß: Oft wird in Hintertupfing oder sonstwo Munition gefunden. In den Medien hört man aber fast nie, wenn kleine Teile geborgen werden. Aber die sind extrem gefährlich. Wenn eine Handgranate hoch geht...[Weiß bricht den Satz ab]
Sie sprachen bereits von anderen Aspekten Ihrer Arbeit. Müssen Sie auch ausrücken, wenn bei der Polizei eine Bombendrohung eingeht?
Michael Weiß: Nein, solche Fälle sind ja auch strafrechtlich relevant. Dafür ist die technische Sondergruppe des Landeskriminalamts zuständig.
Wie weit erstreckt sich Ihr Zuständigkeitsbereich?
Michael Weiß: Wir sind für ganz Nordbayern zuständig. Von der hessischen, thüringischen und tschechischen Grenze bis nach Passau hin. Und das ist schon ein sehr großes Gebiet.
Arbeiten Sie bei einer Entschärfung eher alleine oder mit Kollegen zusammen?
Michael Weiß: In Feucht sind wir insgesamt fünf Leute. Immer zwei davon sind gleichzeitig bei einer Entschärfung im Einsatz. Einer macht dann meist eher die Büroarbeit. Das ist manchmal ein wahrer Papierkrieg - und der unbeliebtere Teil der Arbeit.
Ihr Dialekt verrät, dass Sie aus der Oberpfalz kommen. Können Sie dennoch jeden Tag nach Hause fahren.
Michael Weiß: Nein, das geht leider nicht. Ich müsste sonst jeden Tag 100 Kilometer nach Hause fahren. Außerdem kann es leicht passieren, dass ich auch nach dem Ende der normalen Zeit gerufen werde. Da wäre ich dann vielleicht gerade mitten auf dem Weg und müsste wieder die ganze Strecke zurückfahren. Außerdem gibt es am Wochenende dann noch manchmal Rufbereitschaft - dann sind wir für ganz Bayern zuständig. Ich wohne deshalb zusammen mit einem Kollegen in einem Quartier in der Nähe von Feucht.
Vor allem urbane Zentren wurden ja im Zweiten Weltkrieg bombadiert. Sind Sie dennoch auch manchmal auf dem flachen Land im Einsatz?
Michael Weiß: Einsätze gibt es wirklich überall. Oft finden am Wochenende Hobbygärtner oder Angler Munition und wir müssen ausrücken. Manchmal kann man es gar nicht glauben, wohin wir überall gerufen werden. Ich war schon einmal auf der Zugspitze im Einsatz. Auch im tiefsten Wald sind wir immer wieder unterwegs. Da gab es schon Ecken, wo man nicht mal einen Wanderer sieht, aber Kampfmittel findet.
Wie kommen Munition und Granaten an derart entlegene Orte?
Michael Weiß: Ganz früher haben sich die Ritter an einem Ort getroffen und dort gekämpft. Aber im Zweiten Weltkrieg war ganz Deutschland Kampfgebiet. Danach hatten dann außerdem die Leute Angst, von den Alliierten mit Munition erwischt zu werden. Die Menschen haben ihre Kriegsausrüstung dann einfach irgendwohin weggeworfen oder sogar vergraben. Deswegen kann man überall in der Bundesrepublik Munition und Granaten finden.
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