Nach Corona-Lockdown: So war der Neustart auf Nürnbergs Spielplätzen

6.5.2020, 20:44 Uhr
Die Wiedereröffnung ihres Spielplatzes im Archivpark feierten Tino (li.) und Nissi mit einem Ritt auf der Seilrutsche.

© Foto: Stefan Hippel Die Wiedereröffnung ihres Spielplatzes im Archivpark feierten Tino (li.) und Nissi mit einem Ritt auf der Seilrutsche.

Rund um Rutsche und Kletterturm flattern die weiß-roten Absperrbänder, ganz so, als hätte Ministerpräsident Markus Söder nicht am Dienstag verkündet, dass die Spielplätze wieder benutzt werden dürfen.

Gut, dass Eva Schulz, die mit ihren zwei Kindern hergekommen ist, wie immer ein kleines Messer dabeihat. Sie kappt kurzerhand die Plastikschnüre und gibt die Schaukeln frei. Ein kleiner Junge, der ein Feuerwehrkostüm anhat, packt kurzerhand die Flatterbänder und wirft sie in den Müll. Niemand hat Lust zu warten, bis Sör-Mitarbeiter die Arbeit erledigen. Die Not der letzten Wochen war zu groß, die Kinder können nicht länger darauf warten, herumzutoben.

Insgesamt 230 öffentliche Spielplätze muss Sör von Absperrungen befreien. Bis Ende der Woche soll das bewältigt sein. Die Sportgeräte der Bewegungsparks, die ebenfalls tabu waren, dürfen jetzt wieder benutzt werden. "Wir haben zwar einen kleinen Garten, doch der Vermieter mag es nicht, wenn die Kinder in der Erde buddeln", sagt Eva Schulz.

Viel zu oft habe sie zu ihrer dreijährigen Tochter Romy Nein sagen müssen. Nein, du kannst nicht mit einkaufen gehen. Nein, du kannst nicht auf den Spielplatz. Jetzt schaukelt sich Romy in die Höhe, die Freude steht ihr ins Gesicht geschrieben. "Sie vermisst ihre Spielkameraden und hat sich imaginäre Freunde erfunden, die beim Essen mit am Tisch sitzen", erzählt Eva Schulz. Die Fantasie als Helferin in der Krise.

Immer allein oder mit den Eltern spielen zu müssen, hat viel mit den Kinderseelen gemacht. "Papa, der Spielplatz ist frei, ich bin so glücklich!" Als sein sechsjähriger Sohn beim Anblick von Rutsche und Trampolin ohne Absperrband diesen Ausruf tut, kommen Oli fast die Tränen. Der Tattoo-Studio-Betreiber hat drei Kinder, ihr Spielplatz war ein kleiner Balkon. "Die letzten Wochen waren die Hölle, heute werden meine Jungs endlich wieder gut schlafen."

Auf die Frage, wie er sich während des Spielplatz-Shutdowns beschäftigt habe, sagt der fünfjährige Felix: "Ich habe zu Hause mit Papa rumgespielt." Andreas Borgner betreibt das Restaurant Steichele und freut sich für Felix. Und darauf, bald wieder seinen Biergarten öffnen zu können.

Auch mit Oma und Opa darf wieder gespielt werden. Dabei wäre Opa jetzt in Florida. "Das wird heuer wohl nichts", sagt Otmar L., während Enkelin Laura glückselig im Sand am Wöhrder See wühlt. Der große Spielplatz an der Norikusbucht füllt sich erst zögerlich. Einige Väter sind da, auch Großväter wie der 62-Jährige, der "kein Söder-Fan", aber sehr für dessen strenge Corona-Politik ist: "Ich bin Risikogruppe."

Opa live statt am Handy

Ihre Oma habe die Eineinhalbjährige nach sieben Wochen sofort wiedererkannt, bei Opa hat‘s gedauert. Otmar L. lacht: "Mit Männern hat sie‘s nicht so." Lange waren die Großeltern eben nur lächelnde Gesichter auf dem Handy-Display. Mit Facetime habe man sich über die Runden gerettet. Heute gibt es zum ersten Mal Opa live. Und Sand – und Sonne.

Warum sind Kitas zu, aber Spielplätze, wo sich auch Kinder treffen, jetzt offen? Lisa Fürst, die ihre Töchter an der Rutsche aus den Augenwinkeln beobachtet, versteht das nicht. Sie hat Zeit, "100 Prozent Kurzarbeit", und ist dennoch mit gemischten Gefühlen zur langersehnten Spielplatz-Premiere gekommen. Die Kleine nehme einfach alles in den Mund, das sei nicht zu verhindern.

"Eine Erlösung!" Es sei so öde gewesen, "wie eine Verrückte durch die Parks zu rennen", sagt Modjah Parsa, während Sohn (neun Monate) und Tochter (drei Jahre) den Sand durchpflügen. Warum nicht wenigstens fünf Familien gleichzeitig einen Spielplatz nutzen durften, versteht sie nicht. "Überall stand doch Polizei", sagt sie, "die hätten das doch kontrollieren können."

Als die Nachricht von der Spielplatz-Öffnung kam, hätte Pram Helmer fast geheult vor Freude. Total isoliert habe sie sich gefühlt, nicht nur die Kinder seien einsam gewesen. Heute trifft sie endlich andere Mütter, während ihr Sohn begeistert mit Sandspielzeug hantiert.

Bevor Herbert Oberndorfer Sohn Arthur hinterherjoggen muss, geht er mit den "diktatorischen Maßnahmen" ins Gericht, die er für völlig überzogen hält. Man dürfe die Kinder nicht verrückt machen mit all der Angst, sagt der Grafik-Student, der froh ist, seine beiden Kinder zurzeit nicht in fremde Hände geben zu müssen. Er hat ein Vaterschaftssemester, am Wöhrder See werden die drei jetzt häufiger sein.


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