Neue Aufgabe: Nürnberger Pfarrerin wechselt zum ZDF

9.6.2020, 06:00 Uhr
Neue Aufgabe: Nürnberger Pfarrerin wechselt zum ZDF

Als Sendebeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland beim ZDF zeichnet die 45-jährige Theologin verantwortlich für die Vorbereitung und Übertragung von jährlich gut zwei Dutzend Feiern im In- und Ausland. Und die Corona-Krise, die alle Ortsgemeinden in die Knie zwang, verhalf der TV-Gemeinde noch einmal zu deutlichem Zuwachs.

Zuschauer wollen etwas spüren

Schon vor der Epidemie – und trotz aller Konkurrenz durch andere Angebote, durch vielerlei Freizeitaktivitäten oder einfach das gemütliche Frühstück – verfolgten durchschnittlich etwa 700.000 bis 900.000 Zuschauer die Übertragungen aus evangelischen Kirchen. "Natürlich besteht da eine große Distanz und Anonymität, aber nur auf den ersten Blick", meint Hahn, "denn die meisten Zuschauer wollen eben doch Anteil nehmen, etwas spüren, Kraft tanken und sich Segen zusprechen lassen".

Von der Klischeevorstellung, wonach vor allem ein Publikum im gesetzten, womöglich weit fortgeschrittenen Alter das TV-Angebot nutze, auch weil es beschwerlich geworden ist, das Haus zu verlassen, will sich die Nürnbergerin nicht von der Hoffnung abbringen lassen, auch Jüngere in den Blick zu nehmen.


Wunderbare Musik, großartiges Licht: ZDF sendete live aus der Stadtkirche


"Es darf nicht nur um gefällige Verkündigung bieten, zum prallen Leben gehören auch Reibungsflächen", sagt die Pfarrerin. In besonders hässlicher Form hat sie das in Nürnberg am eigenen Leib zu spüren bekommen, als sie auf Neonazi-Kundgebungen vor St. Jakob mit Glockengeläut und Friedensgebeten reagierte und zur Zielscheibe übler Bedrohungen und Hasstiraden wurde. Für ihre Zivilcourage wurde sie mit Ehrungen bedacht, die juristische Aufarbeitung ist aber noch immer nicht ausgestanden.

Den Gläubigen (oder auch nur Neugierigen) an den Bildschirmen bleibt Simone Hahn indes verborgen. Sie taucht nie selbst am Altar oder auf der Kanzel auf, sondern agiert diskret im Hintergrund. "Die erste und wichtigste Aufgabe besteht darin, Kirchengemeinden zu finden, die interessiert und bereit, aber auch geeignet sind, sich auf so eine Produktion einzulassen", erläutert Hahn. Dabei ist Abwechslung Trumpf: Mal wird aus Großstädten, dann aus Landgemeinden gesendet, aus dem Norden ebenso wie aus dem Süden.

Die Vorbereitungen kosten Zeit und Kraft, nicht nur weil alle Abläufe buchstäblich minutiös festgelegt werden. Die ersten Gespräche finden Monate vor dem geplanten Sendetermin statt. Und das bedeutet für Simone Hahn: Von Nürnberg aus, wo sie ihren Lebensmittelpunkt behält, reist sie nun viel quer durch die Republik. Ist ein passender Ort gefunden, gilt es, in enger Abstimmung mit der Redaktion, Thema, Gestaltung und Bilder "fernsehgerecht" aufeinander abzustimmen.

Klar, dass Ehrenamtliche einzubeziehen sind und die Musik eine zentrale Rolle spielt. "Oft ist in den Gemeinden die Versuchung groß, bei der Gelegenheit buchstäblich alle Register zu ziehen", erläutert Pfarrerin. Doch die Zeit ist viel zu knapp, um immer alle Aktiven im straffen TV-Format "unterzubringen".

Befristete Aufgabe

Auch als Theologin ist sie gefordert, ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ortsgemeinden beratend zur Seite zu stehen, um zu überlegen, wie und was sich über die Bildschirme vermitteln lässt und was nicht. Dabei hat Hahn keineswegs immer schon von dem Medienjob geträumt, der im übrigen auch auf ein paar Jahre befristet ist. Aber als sie die Ausschreibung entdeckte, war sie doch elektrisiert. "Ich will gar nicht vor die Kamera, aber die Chance, viele Gemeinden im Land kennenzulernen, reizt mich sehr", erläutert sie.

Und als "Fernseh-Junkie" sieht sie sich schon gar nicht. Unterhalten lasse sie sich schon gerne, meint sie – greift aber dazu auch gerne zu Lektüre. Und am Sonntagvormittags hatte sie bisher nur selten Gelegenheit zu verfolgen, wie andernorts Gottesdienst gefeiert wird – weil sie selbst im Talar unterwegs war.


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Nicht nur Interesse zu wecken und in die Lebenswelt der Zuschauer einzutauchen, sondern sie zu Mitfeiernden werden zu lassen, beschreibt Hahns katholischer Kollege Monsignore Erwin Albrecht als Chance und Herausforderung für die Fernsehgottesdienste. Es reiche eben nicht, einfach nur das Geschehen in einer Kirche mit Kameras einzufangen und live auszustrahlen, erläutert der Sendebeauftragte der bayerischen Bischöfe, der als Kommentator bei Übertragungen aus dem Vatikan auch als "deutsche Stimme des Papstes" bekannt ist. Vor allem eine auch geistlich durchdachte Bildführung sieht er als Schlüssel zur angestrebten, auch seelsorgerlichen Wirkung.

Auch Fernstehende ansprechen

Freilich bleibt ein Grundproblem: Immer dominiert die biblische und kirchliche Botschaft – egal ob via Fernsehen oder Streaming-Angebote. Damit folgt sie zwar ihrem Auftrag, auch Fernstehende anzusprechen. Zugleich aber müsse die Kirche doch selbst viel intensiver zuhören statt womöglich über die Köpfe der Menschen hinweg zu predigen, gab Albrecht bei einem Besuch in Nürnberg noch vor den massiven Corona-Beschränkungen zu bedenken.

Nachfolger von Simone Hahn an St. Jakob wird übrigens ab September der bisher in Bayreuth tätige Pfarrer Hannes Schott. Er bringt Erfahrungen nicht nur von den kirchlichen Bühnen mit, sondern ist auch als Kabarettist und Mundartautor bekannt geworden, unter anderem mit dem "Weißblauen Beffchen" und dem Duo "Zammgebicht". Neue Wege suchte er unter anderem mit Gottesdiensten in Bussen und Wohnzimmer-Gottesdiensten via Facebook – schon vor Corona.

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