Nur sieben Städte noch schlechter

Deutsche Städte im Hitze-Check: Deswegen schneidet Nürnberg so miserabel ab

Erik Thieme

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20.8.2024, 12:15 Uhr
Der Nürnberger Hauptmarkt ist auch aufgrund des gepflasterten Bodens ein echter Hitzehotspot.

© Stefan Hippel/VNP Der Nürnberger Hauptmarkt ist auch aufgrund des gepflasterten Bodens ein echter Hitzehotspot.

In Nürnberg bleibt es diesen Sommer heiß - und das liegt nicht nur an den hohen Temperaturen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat 190 deutsche Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern danach bewertet, wie hoch der Anteil der versiegelten Siedlungs- und Verkehrsfläche ist.

Der gemeinnützige Verein kritisiert, dass die starke Versiegelung in Zeiten der Klimakrise ein "enormes Gesundheitsrisiko" darstellt. Besonders negativ wirke sich der Verlust großer Bäume aus, da diese einen besonders hohen Kühleffekt hätten. Grünflächen mit Bäumen haben laut der Umwelthilfe einen zwei- bis viermal so großen Kühleffekt wie baumlose Grünflächen.

Nur eine deutsche Stadt ist versiegelter als Nürnberg

In dieser Kategorie schneidet Nürnberg katastrophal ab. Mit Versiegelung meint die DUH "mit undurchlässigen Materialien dauerhaft bedeckter Boden an der Siedlungs- und Verkehrsfläche." Also Straßen, Plätze und Gebäude. In der größten Stadt Frankens ist mit 57,21 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche deutlich mehr Boden versiegelt als im Rest der Republik - bundesweit ist nur in Ludwigshafen am Rhein anteilig noch mehr Bodenversiegelung zu finden.

Schwere Schäden nach Starkregen und Hochwasser

Dabei ist die Versiegelung vor allem aktuell sehr problematisch. Durch immer häufiger auftretenden Starkregen und Hochwasser haben die Städte in kürzester Zeit mit enormen Wassermassen zu kämpfen. Kann das Wasser nicht im Boden versickern, sucht es sich seinen Weg in Gärten und Keller und verursacht große Schäden.

Versiegelung ist aber nicht gleich Versiegelung - es gibt mehrere Abstufungen. Von Vollversiegelung spricht man beispielsweise bei Asphalt, der keinerlei Versickerung zulässt, hier kann das Wasser überhaupt nicht abfließen. Durchlässigere Alternativen sind Schotterwege oder sogenannte Rasenfugenpflaster. Letztere sind sogar für Straßen geeignet. Sie weisen eine erhöhte Durchlässigkeit auf, können gleichzeitig aber wie eine asphaltierte Straße befahren werden. Schwere LKW sind bei einem solchen Untergrund allerdings nicht zugelassen. Die Stadt Nürnberg arbeitet bereits an einer Verbesserung der aktuellen Situation.

Nürnbergs Grünflächen verhindern eine noch schlechtere Platzierung

Ausschlaggebend für das Ranking ist aber nicht nur der Anteil der Versiegelung, sondern ebenso das Grünvolumen, das jedoch etwas weniger gewichtet wurde. Grünvolumen meint Grünflächen mit klimaregulierendem Effekt. Darunter zählen beispielsweise Wiesen, Parks und Grünstreifen, die einen kühlenden Effekt auf die Umgebung haben. Doch sie kühlen nicht nur, sie haben auch Auswirkungen auf den Temperaturausgleich. So kann die Höchsttemperatur in der Spitze etwas abgeschwächt werden - es wird also nicht mehr ganz so heiß. Auf die Luftfeuchtigkeit wirken sich Bäume und Co. ebenfalls positiv aus. In den heißen Sommermonaten sind solche Flächen Gold wert. Der Deutschen Umwelthilfe zufolge hat ein durchschnittlich hoher Laubbaum ein Grünvolumen von etwa 3400 Kubikmeter.

In diesem Bereich schneidet Nürnberg deutlich besser ab, allerdings noch lange nicht gut. Vor allem im Verhältnis zur hohen Versiegelung besteht hier dringender Nachholbedarf. Mit 3,23 Kubikmetern Grünvolumen pro Quadratmeter Fläche bewegt sich Nürnberg im Deutschlandvergleich nur im Mittelfeld des Rankings. Positiv wertet die DUH einen Wert ab 4,0. Mit 6,73 Kubikmetern Grünvolumen ist Kaiserslautern Spitzenreiter, das Schlusslicht Pulheim in Nordrhein-Westfalen kommt lediglich auf ein Grünvolumen von 1,57 Kubikmetern pro Quadratmeter.

Die Stadt investiert 38 Millionen Euro

Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk bezeichnete Nürnbergs Umweltreferentin Britta Walthelm das Vorbereiten der Städte für den Klimawandel als "die größte Herausforderung für Kommunen seit dem Wiederaufbau". Etwa 38 Millionen Euro seien in den nächsten Jahren für die Freiraumplanung eingeplant. Probleme bereitet der Grünenpolitikerin der Mangel an verfügbaren Flächen. Parallel müsse Wohnraum geschafft werden, freie Plätze werden für Märkte und Veranstaltungen gebraucht, so Walthelm. Außerdem verhindern die vielen Leitungen im Boden das Pflanzen von Bäumen mit großen Wurzeln.

Regensburg und Ingolstadt schneiden noch schlechter ab - Landshut alleine im grünen Bereich

Die einzigen bayerischen Städte mit einem noch schlechteren Ergebnis sind Ingolstadt und der traurige Spitzenreiter Regensburg. Sie sind zwar nicht ganz so stark versiegelt wie Nürnberg, weisen im Vergleich aber ein deutlich schlechteres Grünvolumen auf.

Die einzige Stadt in Bayern mit einer überdurchschnittlich niedrigen Versiegelungsquote ist Landshut. Hier ist nur etwa 43,65 Prozent der Fläche versiegelt. München verpasste den magischen Durchschnittswert von 45 Prozent nur um wenige Punkte (45,73 Prozent). Beim Grünvolumen befindet sich keine einzige bayerische Stadt des Rankings im grünen Bereich.

DUH fordert lebenswerte Orte statt Hitze-Höllen

Laut der Deutschen Umwelthilfe werden in Deutschland jeden Tag 50 Hektar Fläche für Siedlungen und Verkehr verbraucht. Auf ein ganzes Jahr gerechnet entspricht das in etwa der Fläche der Stadt Hannover. Barbara Metz, Geschäftsführerin der DUH, fordert die Bundesregierung deswegen zum Handeln auf. "Wir fordern von der Bundesregierung ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung in Deutschland bis spätestens 2035 zu stoppen. In Zeiten der Klimakrise brauchen unsere Städte unversiegelte Böden zur Versickerung von Wasser und Grünflächen zur Kühlung. [...] Der anhaltende Trend zu mehr Beton und weniger Grün ist alarmierend. Statt zu lebenswerten Orten der Erholung entwickeln sich unsere Städte in Hitze-Höllen."

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