Nürnberger Erstklässler von Mitschülern krankenhausreif geprügelt

Alexander Brock

Lokales

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26.2.2020, 05:40 Uhr
Nürnberger Erstklässler von Mitschülern krankenhausreif geprügelt

© Foto: Oliver Berg/dpa

Februar, klingelt bei Tatjana N. das Telefon. Sie denkt an nichts Schlimmes. Es ist die Schule. Ihr Sohn Sascha sei übel zugerichtet worden, sie möchte ihn bitte abholen. Sechs Jahre ist Sascha alt, seit September 2019 geht er in die erste Klasse der Carl-von-Ossietzky-Schule Nürnberg – eine Einrichtung mit Grund- und Mittelschule.

N. ist entsetzt, als sie ihr Kind sieht: Der Junge blutet stark aus der Nase, hat Blutergüsse und wirkt abwesend. Was ist passiert? Die Mutter erfährt, dass ältere Kinder auf dem Schulhof über ihren Sohn hergefallen sind. Zwischen vier und sechs Schüler sollen Sascha zu Boden gestoßen, geschlagen und getreten haben. Die Angreifer hätten zuvor Geld von ihm verlangt, als der Sechsjährige aber verneint hatte, sei es losgegangen. "Mein Sohn ist in der Schule schon öfter um Geld angegangen und bedroht worden", sagt die Mutter gegenüber der Nürnberger Nachrichten.

Prellungen am Rücken und geschwollene Nase

Sie fährt mit ihm in die Cnopf‘sche Kinderklinik. Ein Arzt untersucht den Jungen, stellt weitere Prellungen am Rücken, eine geschwollene Nase und eine Gehirnerschütterung fest. Glücklicherweise ist die Nase nicht gebrochen. Doch der Mediziner sagt zur Mutter, Sascha habe Glück gehabt. Die dicke Winterjacke, die der Sechsjährige anhatte, habe Schlimmeres verhindert. Die Klinik nahm das Kind für drei Tage stationär auf. Zur Beobachtung, um eine Blutung und Schwellung des Gehirns ausschließen zu können. "Wir konnten Sascha am 15.02.2020 in gutem Allgemeinzustand entlassen", heißt es im Entlassungsbrief. Empfohlen wird eine einwöchige Schonung.

Die Woche vor den Winterferien lässt N. Sascha zu Hause. "Das ist ein kleines Kind, der Junge ist ganz am Anfang seiner Schuljahre und muss so etwas erleben", empört sie sich. Sie entscheidet sich, zur Polizei zu gehen. Doch auf der Inspektion West gibt man ihr zu verstehen, dass die Beamten für eine Anzeige die Namen der Schläger benötigen. Die weiß sie bis heute nicht. In der Schule hatte sie die Namen nicht erfahren. Auf Anfrage erklärt Polizeisprecher Rainer Seebauer: "Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren sind zwar schuldunfähig. In der Regel gehen wir aber auf die Eltern der mutmaßlichen Schläger zu und sprechen mit ihnen." Nach seinen Angaben war die Zahl mit Blick auf Gewalt an Schulen in Nürnberg lange rückläufig. Doch seit drei Jahren steigt sie wieder an.

"Wir müssen was machen, das kann man nicht akzeptieren"

Tatjana N. will den brutalen Übergriff aber nicht hinnehmen. "Wir müssen was machen, das kann man nicht akzeptieren", sagt sie. In der Woche vor den Ferien hat es zwar Gespräche zwischen ihr und der Schulleitung gegeben. Für sie steht aber fest: Sascha muss die Schule wechseln. Die Michael-Ende-Grundschule liegt in der Nähe, zwei Minuten Fußweg, sagt sie. Zur Carl-von-Ossietzky-Schule brauche sie rund 20 Minuten.


Immer mehr Schüler: Nürnbergs Grundschulen in Not


Geht es um Mobbing an einer Schule, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Schulwechsels vorgesehen, sagt Ralf Karg, stellvertretender Leiter des staatlichen Schulamtes in Nürnberg. Dazu müsse man einen "Antrag auf Zuweisung" stellen. "Wir haben an den Schulen für solche Fälle aber auch Hilfssysteme, die hier greifen würden. Es geht doch darum, den Selbstwert eines Schülers zu stärken", sagt Karg.

Angelika Seifert, Leiterin der Ossietzky-Grundschule, hofft, "dass
ich das Vertrauen der Mutter und des Kindes wieder gewinne und die Angst nehmen kann". Sie werde alles daransetzen, Sascha zu unterstützen. Die Schulsozialpädagogin habe sie bereits eingeschaltet. Gegen die Schläger habe die Schule auch Maßnahmen ergriffen.

Doch Tatjana N. ist der Ansicht, dass da zu viel Porzellan zerbrochen wurde. "Ich habe Angst um meinen Sohn. Ich weiß nicht, was nach den Ferien in der Schule passiert."

Auf Nachfrage wollte die Schulleitung nicht näher darauf eingehen, welche Maßnahmen konkret ergriffen wurden.

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