Nürnberger Gastronomie: Mit Boxen und Takeaway durch die Krise

Katja Jäkel

Redaktion Genuss & Leben/Aufgetischt

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11.4.2020, 06:00 Uhr
Nürnberger Gastronomie: Mit Boxen und Takeaway durch die Krise

© stefan zeitz via www.imago-images.de, imago images/Stefan Zeitz

Schließen oder Takeaway anbieten – das sind die einzigen Optionen. "Für große Restaurants wie das Röslein lohnt sich kein Außerhaus-Geschäft. Ich müsste täglich 400 Essen verkaufen", sagt Pächter Thomas Förster, der als Vize-Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sowie der IHK im engen Kontakt mit den Wirten steht. "Mich rufen täglich bis zu hundert verzweifelte Kollegen an", sagt er.

Nicht verzweifeln, weitermachen, neue Konzepte und Ideen umsetzen, ist dagegen die Devise anderer Gastronomen. "Ich kann nicht einfach alles stilllegen, ich muss etwas tun", sagt Cenk Aksu, der zusammen mit Thomas Hoffmann das "Pegnitztal" betreibt und dort nun einen Abholservice anbietet. "Das funktioniert ganz gut, wir können unsere Kosten einigermaßen decken", sagt Aksu und ergänzt: "Am Sonntag haben wir 98 Schäufele to go verkauft!"

Die Abstands- und Hygiene-Vorschriften werden eingehalten: "Die Kunden dürfen im Zehn-Minuten-Takt zum Abholen kommen". Der Wirt, der viel in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, lobt den Zusammenhalt in der Nürnberger Gastroszene: "Wir teilen gegenseitig unsere Posts auf Facebook.Wir sitzen ja alle im selben Boot". Auch Plattformen wurden gegründet, auf denen sich die Gastronomen mit ihren Restaurants und neuen Services eintragen können.

Von der Theke zum "Schalter"

Heike Stahl musste sich "erst einmal schütteln", als klar war, dass auch sie ihren "Salon Regina" schließen muss. "Ich stehe trotzdem jeden Tag in der Regina", sagt sie. Um 11.30 Uhr öffnet ihr "Schalter", an dem sich die Gäste ihre geliebte Currywurst oder eine Linsensuppe im Pfandglas abholen können.

Bis vorerst 19. April haben Restaurants und Bars, Kneipen und Cafes dicht. Doch Ministerpräsident Markus Söder macht den Bayern keine große Hoffnung auf eine zeitnahe Öffnung. "Ein zu früher Wiedereinstieg kann gefährlich sein", glaubt auch Thomas Förster, der der Regierung für alle Hilfsmaßnahmen seinen Dank ausspricht – auch wenn sie noch nicht bei jedem angekommen sein dürften. "Aber wenn die Restaurants noch länger geschlossen bleiben, braucht es noch mehr Hilfe.

Und endlich die Anpassung der Mehrwertsteuer für alle Speisen auf sieben Prozent." Über das bayerische Soforthilfeprogramm für die Gastronomie kann Tim Kohler ("Globo"/"Einzimmer Küche Bar") allerdings nur müde lächeln. "Keinerlei Rückmeldung" habe er bisher bekommen. Und ein KfW-Kredit sei alles andere als schnell und leicht zu beantragen.

"Viele gute und witzige Ideen"

Kohler hat ebenfalls auf Abholung umgestellt. Zwischen 12 und 14 Uhr verpacken er und seine Freundin Sylvia Neuner im "Globo" die per Telefon oder Whatsapp georderten Gerichte in Papiertüten. Ein bisschen muss man dann doch selbst tun, um sein Mittagessen auf den Tisch zu bringen: "Die Speisen sind zu 90 Prozent fertig, aber wir sind keine Takeaway-Fans. Beim Transport wird das Essen nur kalt." Mit der Globo-Kiste bleibe man weiter im Gespräch. Wobei der Koch der Gastroszene "viele gute und witzige Ideen" attestiert.

Selbst die Spitzen- und Sterne-Gastronomie macht aus der Not eine Tugend und kreiert ebenfalls Kochboxen. "Das virtuelle Dinner" heißt das Angebot aus dem Sterne-Restaurant "Entenstuben". Chef Fabian Denninger verpackt alle Gänge sorgsam in Mehrweggeschirr, dann wird das Sterne-Menü nach Hause geliefert. In der Kiste liegt auch eine kurze Gebrauchsanweisung. "Das kommt sehr gut an", sagt Denninger.

Etliche Fotos vom zu Hause selbst angerichteten Menü erreichten ihn. "Der eine oder andere hat richtig Talent beim Anrichten." Sterne-Koch Valentin Rottner ("Waidwerk") unterstützt gerade das elterliche "Gasthaus Rottner": "Wir wollen den Betrieb am Laufen halten und packen alle an, da konzentrieren wir uns auf die gutbürgerliche Küche", sagt er. Die gibt es ebenfalls zum Abholen, eine Liefermöglichkeit soll folgen. "Das hätten wir eigentlich heute gekocht", schreibt Diana Burkel auf Facebook unter die Fotos der kunstvoll angerichteten Gänge.

Aber ganz verzichten muss man nicht auf die beliebte "Würzhaus-Küche" - eine kleine Karte mit feinen Gerichten zum Abholen haben sich Burkel und Christian Egelseer ausgedacht. Kollege Stefan Meier vom Sterne-Restaurant "ZweiSinn" will seine Gäste über Ostern mit einer Lammhaxe to go verwöhnen.

"GenussBox" heißt das Menü für zu Hause bei Christian Wonka ("Wonka"): "Erst sind wir in Schockstarre verfallen, dann war schnell klar, wir wollen weitermachen". Die Gerichte sind nahezu fertig, "man braucht nur den Backofen, eine Pfanne und einen Topf, um sie zu erwärmen." Und damit auch das appetitliche Arrangieren auf dem Teller klappt, liegen Fotos der Speisen bei. "Wir überlegen schon, ob wir die Boxen beibehalten. Zum Beispiel für Weihnachten", sagt Wonka, der von der großen Nachfrage überwältigt ist.

Andree Köthe und Yves Ollech (Zwei-Sterne-Restaurant "Essigbrätlein") haben gleich einen "Fenster-Laden" zum Abholen installiert. Zum einen kochen Köthes Jungköche zum Selbstkostenpreis für Nachbarn leckere Eintöpfe. Aber auch die Sterne-Küche, wie Saibling mit Lorbeersalz und Limettenschale, kommt per Lieferservice oder selbst abgeholt ins heimische Esszimmer. Hintergrund der Aktion: Nicht nur die Gastronomen stecken in der Krise, sondern auch die Erzeuger, wie die Bauern im Knoblauchsland, die auf ihrem Gemüse für die Restaurants sitzen bleiben.

Lammragout in der Osterbox

"Diese Lieferketten werden oft vergessen", sagt Dunja Ulbricht von "K&U Die Weinhalle" und erzählt vom fränkischen Bio-Archehof Gerstner, der seine Zucht-Lämmer nicht mehr losbekam. "Die Gastronomie hat die Lämmer nicht gebraucht und für die Discounter ist das hochwertige Fleisch viel zu teuer." Also tat sich die Weinhalle mit dem Catering-Service "El Paradiso" zusammen und kreierte eine Osterbox mit feinem Lammragout und passenden Weinen. Ulbricht spürt gerade ein Umdenken der Kunden: "Es wird mehr über Regionalität und Nachhaltigkeit nachgedacht, etwas, was wir seit über 20 Jahren propagieren", meint sie.


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Das Zwei-Sterne-Restaurant "Sosein" in Heroldsberg setzt seit seiner Eröffnung auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Um die Lieferanten zu unterstützen und das Geschäft am Laufen zu halten, verschickt das Team um Felix Schneider ebenfalls Boxen, gefüllt mit "Sosein-Spezialitäten" für den privaten Genuss-Moment. "Die ersten 50 Stück waren sofort weg", sagt Jens Brockerhof, Chef des Unternehmens "El Paradiso", zu dem das Sterne-Restaurant gehört.

Mit jeder Box und jedem abgeholten Essen unterstützt man derzeit also sein Lieblingsrestaurant. Aber was kann man tun, wenn die Pizzeria oder das Thai-Restaurant geschlossen haben? Gutscheine kaufen. Für die Wirte sind sie bares Geld, für die Käufer die Hoffnung auf unbeschwerte Abende bei feinem Essen und Getränken. Die kommen wieder. Irgendwann.


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