Nürnberger Kirchweihzüge stehen auf der Kippe

20.1.2019, 05:53 Uhr
Kreative Umzüge im Knoblauchsland — wie hier in Neunhof — sind ein traditioneller Höhepunkt nicht nur der jeweiligen Kärwa, sondern im Festkalender der Ortschaften.

© Foto: Martin Schülbe Kreative Umzüge im Knoblauchsland — wie hier in Neunhof — sind ein traditioneller Höhepunkt nicht nur der jeweiligen Kärwa, sondern im Festkalender der Ortschaften.

Um eine Vereinheitlichung der Kirchweihbescheide sollte es bei einer Infoveranstaltung am 28. November im Nürnberger Rathaus offiziell gehen — und um eine Konkretisierung der Auflagen. Welche Veränderungen das für sie bedeuten würde, hätten die Veranstalter der Knobläuchsländer Kirchweihen nicht mal geahnt. "Es war eine Hinrichtung", sagt Armin Brunner von der Bürgergemeinschaft Neunhof zurückblickend.


Nach Neuregelung: Städtische Kärwas erleben Aufschwung


Die Hommage an die Fotografie einer "Mittagspause auf einem Wolkenkratzer" in New York, bei der zur Neunhofer Kärwa im vergangenen Jahr neun Männer auf einem Stahlträger durch den Festzug gefahren wurden, wäre kaum mehr machbar, meint Jochen Loy vom Vorstadtverein Nürnberg-Nord. "Alle, die auf dem Träger saßen, waren natürlich gesichert." Er verweist auf die Mitwirkung von hiesigen freiwilligen Feuerwehren und deren "Feingefühl in Sicherheitsfragen". Jedoch könne ein Prüfer, der künftig jedem Festwagen die Konformität mit der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bescheinigen müsse, anders darüber entscheiden. Das Gleiche gelte für einige andere Festwagen, die allesamt aufwendig und teils überdimensioniert gestaltet sind.

Machbarkeit statt Kreativität

"Unsere Umzüge passen nicht in ein Raster", betont Andreas Radke, der sich bei der Neunhofer Kirchweih unter anderem beim Festwagenbau engagiert. Künftig müsse man das Kreative hintanstellen und jede Idee zunächst auf ihre Machbarkeit prüfen. Ob die dabei entstehenden Umzüge dann noch etwa 10.000 Menschen anziehen wie 2018, sei fraglich. Er bezeichnet die neuen Auflagen als "Damoklesschwert" und sieht in der letzten Konsequenz die ganze Kärwa in Gefahr.

Neben der Abnahme der Wagen durch einen Sachverständigen fordert die Stadt auch, dass beim Festzug jeder Festwagen von zwei Ordnern — einer auf jeder Seite — begleitet werden muss. Bei 80 Wagen, aus denen der Neunhofer Umzug besteht, wären 160 Ordner erforderlich. Radke weiß nicht, wie er die organisieren soll. Eine Frage, die man sich auch bei den anderen Kärwas im Knoblauchsland stellt. 34 Stadtteilkirchweihen gibt es insgesamt in Nürnberg, 14 davon im Norden. Bei acht der nördlichen Kirchweihen – in Almoshof, Buch, Boxdorf, Großgründlach, Kraftshof, Neunhof, Schnepfenreuth und Ziegelstein – gibt es Festumzüge, die allesamt gefährdet seien, so die Verantwortlichen.

André Winkel, Pressesprecher bei Sör, verweist auf Bundesrecht, das die Grundlage für die Auflagen sei, und dass diese Vorgaben gemacht worden seien, um Menschen vor Schaden zu bewahren. Er erinnert an den tödlichen Unfall im Jahr 2015 im Feuchter Stadtteil Moosbach: "Danach wird ein Schuldiger gesucht und meistens auch gefunden. So weit wollen wir es nicht kommen lassen." Sör bereite gerade einen runden Tisch zum Kirchweih-Thema vor, man hoffe auf eine einvernehmliche Lösung.

Ausnahmeregelung möglich?

Darauf hoffen auch die Verantwortlichen der Knoblauchsländer Kärwas, die das Thema geschlossen bei der nächsten Bürgerversammlung in Boxdorf am Mittwoch, 6. Februar, 19.30 Uhr, in der dortigen Mehrzweckhalle ansprechen wollen. Sie fragen sich beispielsweise, woher die knapp 80 Euro Prüfgebühr für jeden Festwagen herkommen sollen und wie die Prüfungen überhaupt im engen Zeitplan unterzubringen sind. Und wie beispielsweise ein privater Sicherheitsdienst bezahlt werden soll, wenn man die erforderlichen Ordner nicht aus den Stadtteilen rekrutieren kann — zumal Ordner im Ernstfall persönlich haften sollen. Fraglich ist auch, ob eine Ausnahmeregelung möglich sei, wenn es sich um eine Brauchtumsveranstaltung handele und in den Umzügen ohnehin nur Schritttempo gefahren werde.

Thomas Roehrich, Vorsitzender des Bürgervereins Alt-Gründlach, weist ebenso wie Radke darauf hin, dass die nördlichen Kärwas anders seien als die im südlichen Stadtgebiet, was sie "vollkommen wertfrei" erwähnen wollen. Man dürfe die ländlichen Knoblauchsländer Kärwas nicht mit jenen im Stadtgebiet vergleichen, weil die Bedeutung "für uns eine vollkommen andere" sei. "Bei uns in Neunhof findet die Kirchweih beispielsweise an 365 Tagen im Jahr statt", betont Radke. Zugezogene würden so direkt ins Dorf integriert, es entstehe eine andere Zusammengehörigkeit. Seine Botschaft: "Die Bedeutung der Kirchweihen als Brauchtum darf nicht unterschätzt werden."

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