Nürnberger Verein warnt: Immer mehr Jugendliche greifen zu Drogen

17.11.2020, 14:44 Uhr
Unser Foto zeigt eine Protestaktion für legalen Cannabis-Konsum. Die Droge überfordere aber Minderjährige völlig, meint Experte Norbert Wittmann. 

© Paul Zinken Unser Foto zeigt eine Protestaktion für legalen Cannabis-Konsum. Die Droge überfordere aber Minderjährige völlig, meint Experte Norbert Wittmann. 

Bereits seit 1997 betreibt die Mudra die Beratungsstelle Enterprise, die sich dezidiert an junge Drogenkonsumenten richtet. Man habe damals gezielt ein Angebot für die Partydrogenszene schaffen wollen, erinnert sich Norbert Wittmann. Enterprise, das inzwischen laut dem Diplom-Sozialpädagogen eine "Sogwirkung nach ganz Nordbayern" entfaltet und auch junge Leute aus Würzburg oder Hersbruck betreut, ist eigentlich nur für Klienten zwischen 18 und 21 zuständig.

"Wahrscheinlich war von Anfang an auch der eine oder andere 17-Jährige dabei", sagt der Mudra-Geschäftsführer. In den vergangenen Jahren sei der Anteil der Minderjährigen, die dort Rat suchen, indes rasant gewachsen. Im Jahr 2019 etwa haben die Mitarbeiter von Mudra-Enterprise nach eigenen Angaben 400 junge Menschen intensiv beraten und begleitet – 38 Prozent der Betroffenen waren dabei unter 18.

Das Problem: Der Bezirk Mittelfranken ist als überörtlicher Sozialhilfeträger für die Finanzierung der Drogenhilfe zuständig – aber erst ab der Volljährigkeit. "Die Jüngeren fallen in den Bereich des Jugendamtes, aber das Jugendamt ist keine Drogenberatungsstelle", sagt Wittmann.

Der Mudra-Geschäftsführer sieht hier einen "Webfehler" im bayerischen Hilfesystem, das ansonsten sehr gut aufgestellt sei. "Andere Bundesländer beneiden uns darum." Weil die Mudra die unter 18-Jährigen nicht wegschicken wollte, hat sie bisher die Hälfte der 2,4 Stellen (verteilt auf drei Köpfe), mit denen Enterprise besetzt ist, aus eigenen Mitteln (etwa durch Spendengelder) finanziert, die anderen 1,2 Stellen trägt der Bezirk.

Eine Stelle wird wohl genehmigt

Die beiden Geschäftsführer der Mudra: Norbert Wittmann ist für fachliche, Nele Gilch für finanzielle Fragen zuständig. 

Die beiden Geschäftsführer der Mudra: Norbert Wittmann ist für fachliche, Nele Gilch für finanzielle Fragen zuständig.  © Norbert Wittmann

Doch der von der Corona-Krise gebeutelte Verein – Wittmann spricht von 70 000 bis 80 000 Euro an zusätzlichen Kosten, etwa für digitale Infrastruktur, und massiven Einnahmeausfällen – weiß nicht, wie lange er diese Aufgabe noch stemmen kann. Deswegen hat man bei der Stadt Nürnberg einen Antrag für die Finanzierung von zwei Stellen gestellt.

Sozialreferentin Elisabeth Ries (SPD) zeigt Verständnis für die Problematik, dass es hier an der Schnittstelle Bezirk/Jugendhilfe einen blinden Fleck gibt. Sozialamt und Jugendamt haben denn auch einen städtischen Zuschuss von 73000 Euro für Mudra-Enterprise und damit die Finanzierung einer dieser beiden Stellen fachlich befürwortet. Kämmerer Harald Riedel (SPD) sagte auf Anfrage der Lokalredaktion, dass diese Stelle ins Kämmereipaket aufgenommen worden sei. Nun muss der Stadtrat bei den Etatverhandlungen noch zustimmen.

Drogenkarrieren können verhindert werden

"Das wäre ein tolles Signal", sagt Wittmann, der sich bewusst ist, dass angesichts der Pandemie der öffentliche Haushalt enorm angespannt ist. Aber die jungen Leute bräuchten eben dringend Hilfe. Cannabis zum Beispiel sei keine weiche Droge, sondern habe inzwischen einen "Wirkstoffgehalt, der einen 14-Jährigen völlig überfordert". Die jungen Konsumenten litten unter Psychosen und Schlafstörungen.

Zudem könnten Drogenkarrieren verhindert werden, wenn man so früh an die Betroffenen herankommt. "In diesem Alter kann man noch ganz viel erreichen und dramatische Verläufe verhindern." Wittmann spricht von "Probierkonsum" – bei den unter 18-Jährigen spielten Aspekte wie Neugierde oder Identitätsfindung eine große Rolle, wenn sie zu Drogen greifen.

Die Enterprise-Mitarbeiter, die Wittmann als "hochmotivierte Topleute" beschreibt, seien daher eine enorm wichtige Anlaufstelle. "Die Zielgruppe wächst", sagt Wittmann. "Es wäre dramatisch, wenn wir unser Angebot zurückfahren müssten." Zumindest dieses Szenario aber könnte nun abgewendet sein.

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