Nürnberger Wissenschaftler: Vorsicht beim Mindestlohn
22.12.2013, 14:00 UhrEine Untergrenze beim Lohn ist für Christian Merkl kein Schreckgespenst: „Ein moderater Mindestlohn kann ein nützliches Instrument sein“, sagt er, schränkt dann aber ein: „Die Medizin muss aber vorsichtig dosiert werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden.“
Genau diese Vorsicht vermisst der Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg bei den Plänen der Großen Koalition. Denn deren erklärtes Ziel ist es, den Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde ab 2015 einzuführen und nur noch bis 2017 Ausnahmen zuzulassen.
Christian Merkl hat eine Alternative parat: „Wir haben bei der Einführung des Mindestlohns ein gutes Beispiel in Großbritannien“ - und das will er mit seinem Kollegen Professor Claus Schnabel jetzt propagieren. Die beiden haben einen Aufruf verfasst, an Professoren-Kollegen und andere Wirtschaftswissenschaftler geschickt - und binnen 48 Stunden über 150 Unterschriften erhalten. „Dies zeigt“, so sagt er, „dass dieses Thema viele Volkswirte beschäftigt.“ Darunter ist zum Beispiel der Regensburger Wolfgang Wiegard, ehemals Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen.
In erster Linie Kosten
Nun ist die Zunft in dieser Frage gespalten - für viele sind Löhne in erster Linie Kosten und nicht Einkommen, von denen Menschen leben müssen. Auch solche haben unterschrieben nach dem Motto: Wenn schon, dann wenigstens vorsichtig.
Dumpinglöhne entstehen, so sieht es Christian Merkl, wenn entweder die Arbeitgeber eine hohe Marktmacht haben oder die Arbeitnehmer wegen schlechter Ausbildung eine geringe Produktivität haben. Gegen den ersten Faktor hilft ein Mindestlohn natürlich, die Ausbildung aber verbessert er nicht.
Genau hier sieht Merkl das Problem, vor allem im Osten: Denn hier läge der geplante Mindestlohn bei 70 Prozent des mittleren Einkommens; 1,3 Millionen Menschen oder ein Viertel der Arbeitnehmer verdienen dort derzeit weniger. Im Westen sind es 3,7 Millionen, zehn Prozent der Beschäftigten. Die geplante Untergrenze liegt bei 50 Prozent des mittleren Einkommens.
Der internationale Vergleich aber zeigt: In den USA und Großbritannien, wo die Untergrenze bei 38 bzw. 47 Prozent liegt, sind kaum Jobs weggefallen. In Frankreich dagegen werden etwa 60 Prozent des mittleren Einkommens erreicht - und bei jungen Menschen liegt die Arbeitslosigkeit prompt bei rund 25 Prozent.
Wenig Hoffnung
Der Blick über die Grenze könnte für die Bundesrepublik eine gute Lösung sein, meinen Merkl und Schnabel: Denn in Großbritannien hat nicht der Staat den Mindestlohn festgelegt, sondern eine unabhängige Kommission, unter anderem mit Wissenschaftlern besetzt: Eine Untergrenze wurde festgelegt, unter Umständen nur für eine kleine Zahl von Menschen. Dann wurde geguckt, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt - und der Wert schrittweise nach oben geschoben. So wurden kaum Jobs vernichtet.
Ob das Modell auch bei uns Chancen hat? Christian Merkl sieht das durchwegs realistisch: „Wir sehen es als unsere Pflicht als Wissenschaftler an, darauf hinzuweisen, dass es bei der Einführung eines Mindestlohns einen besseren Weg gibt. Meine Hoffnung, dass die Große Koalition darauf eingeht, hält sich aber eher in Grenzen.“
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