Postbotin seit einem Jahr vermisst: Fischbach in Angst
14.11.2014, 05:59 UhrSie haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Die Hoffnung, dass sich am Ende doch noch aufklären könnte, was mit Heidi D. passiert ist. Seit einem Jahr leben ihre beiden Schwestern und ihr Sohn mit der Ungewissheit, ob Heidi tot oder noch am Leben ist. „Wir sind dauernd am Grübeln“, sagt Stefanie P. (39). Der Jahrestag, der 14. November, mache es besonders schwer. „Da denkt man doppelt so viel dran, eigentlich die ganze Zeit, und fragt immer wieder: Was ist bloß passiert?“, meint die zweite Schwester, Petra P. (49).
Es ist schwer vorstellbar und für Angehörige kaum auszuhalten, dass ein Mensch von einem Tag auf den anderen einfach verschwinden kann. Als wäre er ausradiert worden, so dass es nicht den geringsten Anhaltspunkt für sein Schicksal gibt. „Das ist alles sehr komisch.“
Das finden auch viele Fischbacher. Nicht wenige kannten die 49-Jährige, die in der Flachsröststraße und am Bärenbühlgraben Post ausgetragen hat. Die Kunden sprächen immer noch „über die Heidi“, sagt eine Ladeninhaberin, die Heidi D. persönlich kannte. Die Gespräche kreisen immer um dieselbe Frage: „Hat man sie schon gefunden?“
Die Betroffenheit geht über bloße Fragen hinaus. „Man fühlt sich hier wie in einem Dorf. Man kann gar nicht glauben, dass hier so etwas passiert“, sagt die Fischbacherin Silke S. Zumal Heidi D. nicht die Erste ist, die verschwunden ist. Eineinviertel Jahre vorher, im Juli 2012, ist der Rentner August Walther aus Fischbach als vermisst gemeldet worden. Er war mit dem Rad unterwegs. Weder er noch sein Fahrrad wurden bis heute gefunden. Die Polizei fahndet noch immer nach ihm.
„Das nimmt einen schon mit“, fährt die Fischbacherin Silke S. fort. „Bei uns Frauen ist das total ein Thema.“ Viele seien früher im Wald joggen gegangen. Das Einzige, wovor sie sich fürchteten, waren Wildschweine, berichtet sie. „Das machen wir jetzt nicht mehr. Wir haben Bedenken.“ Silke S. joggt stattdessen die belebte Fischbacher Hauptstraße auf und ab. Eine andere Frau aus Fischbach, Eleonora F., pflichtet ihr bei: „Früher habe ich mit dem Rad in der Mittagspause eine Tour durch den Wald gemacht. Jetzt fahre ich nur dort, wo viele Leute sind.“
Es ist die Ungewissheit, die quält. Solange unklar ist, was Heidi D. widerfahren ist, solange haben ihre Familie und ihr Lebensgefährte kaum eine Chance, mit der tragischen Geschichte abzuschließen. „Wir reimen uns immer wieder etwas zusammen“, sagt Heidis Schwester Petra P. Was passiert sein könnte. Geschichten ohne erlösendes Ende. Die Schwestern stecken in einer Endlosspirale aus Grübeleien.
Tuscheleien und Gerede
Nicht nur die Schwestern. Hinter vorgehaltener Hand tuschelte man eine Zeit lang in Fischbach auch über den Lebensgefährten der Vermissten. Wie das eben so ist: Wenn die Fakten dünn sind, schießen die Spekulationen ins Kraut. Doch laut Polizei gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er etwas mit dem Verschwinden der Postbotin zu tun haben könnte.
Heidi D. ist am 14. November 2013 letztmals in Fischbach gesehen worden. Es war ein grauer Tag, an dem die Dämmerung früh einsetzte. Sie verschwand, ohne irgendetwas mitzunehmen. Das passt nicht zu einer geplanten Flucht. Wer heimlich, still und leise aus seinem alten Leben ausbrechen und ein neues anfangen will, nimmt Geld, EC-Karten und persönliche Papiere mit. Auch auf einen Suizid gibt es keine Hinweise. Keinen Abschiedsbrief, im Gegenteil: Heidi D. hatte Pläne. Sie wollte bald ihren 50. Geburtstag feiern. Sie hatte schon Getränke dafür gekauft.
All diese Punkte sprechen gegen einen klassischen Vermisstenfall. Die Soko „Heidi“, die mittlerweile auf zwei Ermittler geschrumpft ist, geht deshalb von einem Verbrechen aus, ohne jedoch die Möglichkeit eines Unfalls oder eines Suizids ganz und gar auszuschließen.
Die Mordkommission hat bis zum heutigen Tag rund 110 Spuren abgearbeitet. Sie führten nirgendwohin. Ein echter Anhaltspunkt, etwas Konkretes, sei nicht dabei gewesen, sagt Polizeisprecherin Elke Schönwald.
Die Kripo macht trotzdem weiter. Auch die Schwestern lassen nichts unversucht, Heidi D. immer wieder in Erinnerung zu rufen. Ein großes Plakat in der Fischbacher Hauptstraße erinnert an sie. „Heidi, wo bist Du?“ steht darauf.
Und wenn sie doch noch lebt? „Ein Fünkchen Hoffnung bleibt uns, dass du noch lebst und dir nur eine Auszeit nehmen wolltest“, schreibt die Familie in einem offenen Brief an Heidi D. im Internet. Es sind rührende, verzweifelte Zeilen. Sie enden mit dem Appell: „Bitte melde Dich!“
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