24 Termine angesetzt
Prozess von besonderer Bedeutung: Hanna S. aus Nürnberg soll in München vor Gericht kommen
13.12.2024, 20:55 Uhr
Die in Nürnberg festgenommene mutmaßliche Linksextremistin Hanna S. muss sich auf einen Prozess wegen versuchten Mordes in München einstellen. Das Oberlandesgericht habe die entsprechende Anklage der Bundesanwaltschaft unverändert zugelassen, teilte ein Gerichtssprecher mit. Der Prozessbeginn sei für den 19. Februar 2025 geplant.
Hanna S. wird vorgeworfen, bei einem Treffen von Neonazis in Budapest, dem sogenannten "Tag der Ehre", als Teil einer Gruppe an zwei Überfällen mit Schlagstöcken, einem Hammer und Pfefferspray auf drei Menschen beteiligt gewesen zu sein. Ziel der Angriffe der mutmaßlichen Linksextremisten sollen Menschen gewesen sein, die die Gruppe für Rechtsextremisten hielt.
Hanna S. wird auch gefährliche Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Der mutmaßliche Kopf der Gruppe, Johann G., war per Öffentlichkeitsfahndung gesucht worden und sitzt inzwischen ebenfalls in Untersuchungshaft.
Gericht sieht Prozess mit besonderer Bedeutung
Das Oberlandesgericht misst dem Prozess eine besondere Bedeutung zu, deshalb sei der Senat für Staatsschutz zuständig. Die Überfälle könnten nach Auffassung des Gerichts "negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten haben". Wenn eine Gruppe aus Deutschland nach Ungarn reise, "um dort gegen aus ihrer Sicht politisch missliebige Menschen Gewalttaten zu verüben, stelle auch das dortige staatliche Gewaltmonopol in Frage", argumentierte das Gericht.
Die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe teilen nach Ansicht der Bundesanwaltschaft eine militante linksextremistische Ideologie und lehnen den demokratischen Rechtsstaat ab. Ihnen werden demnach mindestens fünf Attacken auf Menschen zugerechnet, die aus Sicht der Angreifer dem rechten Spektrum zuzuordnen waren. Hanna S. war am 6. Mai in Nürnberg festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Unterstützer fürchten Auslieferung nach Ungarn
Unterstützer von Hanna S., darunter der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan, hatten zuletzt öffentlich gefordert, dass die deutsche Justiz ein Verfahren in dem Fall eröffnen solle - aus Angst vor einer Auslieferung der Frau nach Ungarn. Die Hoffnung sei, dass bei einem Prozess in Deutschland ein mögliches Auslieferungsgesuch Ungarns ins Leere laufe.
Die Haftbedingungen dort seien nicht mit denen in anderen EU-Ländern zu vergleichen und teilweise nicht menschenwürdig, sagte Schirdewan nach einem Besuch bei Hanna S. in der U-Haft. Ein fairer Prozess sei wegen politischer Eingriffe in die Justiz nicht gesichert.
Auch aus dem Nürnberger Solikreis wird ordentlich Kritik laut. Die Verantwortlichen nennen den Prozess wegen versuchten Mord "eine bewusste Eskalation des Verfahrens". "Es ist offensichtlich, dass es dem Gericht darum geht, das Verfahren zu eskalieren, um das Strafmaß im Falle einer Verurteilung so hoch wie möglich zu schrauben. Außerdem erhöht die Mordanklage den Druck auf weitere Antifaschtist:innen, die sich gegenwärtig einer etwaigen Auslieferung nach Ungarn zu entziehen versuchen", so Alex Schmidt vom Solikreis Nürnberg. Denn Mord und auch der Versuch verjähren prinzipiell nie. "Die Zulassung der Mordanklage ist also auch als Signal an die Untergetauchten zu verstehen, die nun Angst haben müssen, auf ewig in die Illegalität gedrängt zu werden und nie wieder in ein geregeltes Leben zurückkehren zu können", betont Schmidt. Der Solikreis zum Prozessbeginn nach München fahren und mit Unterstützern vor Ort seine Solidarität mit Hanna zum Ausdruck bringen.
Nach Angaben des Oberlandesgerichts sind für den Prozess zunächst 24 Verhandlungstermine geplant. Ein Urteil wäre demnach Ende Juni 2025 zu erwarten.