Riskant? Ärzte warnen vor Säureblockern wie Pantoprazol und Omeprazol
4.6.2019, 18:46 UhrStress, falsches Essen und durchzechte Nächte können auf den Magen schlagen. Geschwüre und andere Erkrankungen des Verdauungstrakts sowieso. Eine steile Karriere als vermeintliches Allheilmittel haben hier Säureblocker-Tabletten hingelegt. Vor ihren unterschätzten Gefahren warnen jetzt Apotheker und die AOK.
Die sogenannten Protonenpumpen-Inhibitoren oder PPI, so die Fachbezeichnung, stoppen die Bildung von Magensäure. Rasch ist der Patient beschwerdefrei. Verlockend günstig sind die Pillen auch noch.
Hunderttausende Deutsche schlucken daher täglich Pantoprazol und Omeprazol, manchmal jahrelang. Das Ausmaß beunruhigt immer mehr Experten. "Protonenpumpenhemmer werden zu häufig, zu lange und zu unkritisch eingesetzt", stellt Dr. Veit Wambach fest.
Menge der verordneten Säureblocker hat sich mehr als verdoppelt
Laut dem Arzneiverordnungs-Report, der Rezepte der gesetzlich Versicherten in Deutschland auswertet, hat sich die Menge der verschriebenen PPI seit 2008 erstaunlicherweise mehr als verdoppelt. Dazu komme "eine Riesenmenge" rezeptfrei, denn Apotheken dürfen seit zehn Jahren kleine Packungen frei verkaufen.
Allgemeinarzt Wambach leitet das Nürnberger Ärzte-Netzwerk QuE, das sich an der jährlichen Kampagne "Arzneimittel sicher einnehmen" der AOK Bayern beteiligt. Die Krankenkasse und der Bayerische Apothekerverband werben dabei für einen maßvollen Umgang mit Medikamenten – in dieser Saison besonders mit den Magenmitteln. Im Juni und Juli können sich AOK-Versicherte in 268 beteiligten Apotheken im Raum Nürnberg dazu beraten lassen.
Bei PPI handele es sich um zuverlässige, gut verträgliche Wirkstoffe, stellt Wambach klar. Wer aber die Mittel über mehrere Wochen einnimmt, steigert erwiesenermaßen sein Risiko für Osteoporose sowie für Darminfektionen. Denn das Fehlen des Magensafts behindert die Aufnahme von Spurenelementen und lässt unerwünschte Bakterien leichter in den Körper wandern. Zu Nebenwirkungen wie Übelkeit gesellen sich teils riskante Wechselwirkungen, etwa mit Antidepressiva.
Magenschutzmittel oder "Körperverletzung"?
Ein "tolles Marketing" und "Fake News" stellten Pantoprazol & Co. als harmlos dar, wettert Ralf Schabik, Bezirkschef im Bayerischen Apothekerverband. Er findet drastische Worte für den pauschalen Einsatz von PPI, gerade in Krankenhäusern und Pflegeheimen. "Was hier landläufig ,Magenschutz‘ genannt wird, ist eher Körperverletzung." Pflanzliche Mittel seien oft die bessere Wahl.
Auch Sonja Wunder, Beratungsapothekerin der AOK Bayern, empfiehlt Magenpatienten zur Selbsthilfe Heilpflanzen in Apothekenqualität. Präparate aus Eibisch, Fenchel, Süßholz oder Kamille zeigten gute Effekte. Auch andere Hausmittel könnten den Magen beruhigen: Schlafen mit erhöhtem Oberkörper und auf der linken Seite, Kaugummikauen, basische Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Nüsse. "Wenn die Beschwerden aber stark sind oder länger als ein bis zwei Wochen anhalten, muss ein Arzt der Ursache auf den Grund gehen."
Schnelles Absetzen ist schädlich
Von seltenen Tumorerkrankungen abgesehen, ist eine Langzeit-Behandlung mit Protonenpumpenhemmern nur bei ausgedehnten Reflux-Erkrankungen mit Schäden an der Speiseröhre sinnvoll, sagt Mediziner Wambach. Auch wer regelmäßig Schmerzmittel aus der NSAR-Gruppe einnehme (Diclofenac, Ibuprofen), könne von den Magentabletten profitieren.
In fast allen anderen Fällen rät die AOK-Aktion zum gesunden Abstand. Allerdings müsse man die PPI vorsichtig ausschleichen. Nach dem schnellen Absetzen produziert der Magen leicht noch mehr Säure als zuvor. Das Sodbrennen ist zurück – eine fatale Abhängigkeit entsteht.
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