So ist die Lage
Betroffene verzweifeln an Nürnbergs Ausländerbehörde - Initiativen kritisieren Stadtverwaltung
07.02.2025, 05:00 Uhr![Die Kundgebung unter dem Motto "Ausländeramt macht Ausländer krank" Anfang November 2024. Die Kundgebung unter dem Motto "Ausländeramt macht Ausländer krank" Anfang November 2024.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.14571986:1738907000/Demo_hip_041124_02.jpg?f=16%3A9&h=816&m=FIT&w=1680&$p$f$h$m$w=8c58202)
Für Menschen ohne deutschen Pass in Nürnberg gehört die Regensburger Straße 231 zu einer der wichtigsten Anlaufstellen überhaupt. Von der Aufenthaltserlaubnis, über den Besuch in der Heimat, von Schulausflügen bis zur Arbeitserlaubnis - kein Weg führt am Amt für Migration und Integration, umgangssprachlich Ausländerbehörde, in Nürnbergs Südosten vorbei. Umso problematischer ist es, wenn die Abläufe dort ins Stocken geraten.
Davon berichten Betroffene zumindest in diversen Google-Bewertungen, teils in verärgertem, teils in verzweifeltem Ton. Telefonisch seien die Mitarbeitenden nicht zu erreichen, Notfallnummern würden ebenfalls nicht funktionieren. Der Status von Anträgen bleibe unbekannt und Nachfragen seien dementsprechend nicht möglich. Ein Rezensent schreibt im Herbst: "Der Aufenthaltstitel meiner Frau ist abgelaufen. Wir haben die Verlängerung beantragt, aber konnten niemals einen Termin bekommen." Und weiter: "Meine Frau ist momentan illegal in Deutschland, was wirklich unglaublich ist. Bitte reagieren Sie endlich!"
Die Zwischenergebnisse einer von der Politbande durchgeführten Umfrage bestätigen die drastische Situation. Die Antragsverfahren seien hoch komplex, fast die Hälfte der Bearbeitungszeiten würden länger als sechs Monate betragen. Befragt wurden vor allem Fachkräfte unterschiedlicher Sozialverbände. Anonym beklagten diese ebenfalls, dass kaum Ansprechpersonen persönlich zu erreichen seien, trotz monatelanger Bearbeitungsprozesse gebe es so gut wie keine Nachfrageoptionen für die Betroffenen.
Nürnberger Amt kommt nicht mehr hinterher
Auf Nachfrage unserer Redaktion gibt Olaf Kuch aus dem Direktorium Bürgerservice, Digitales und Recht der Stadt Nürnberg zu, dass die Erreichbarkeit der Ausländerbehörde tatsächlich zum Teil problematisch sei. "Durch die hohe Belastung der Ausländerbehörden bundesweit müssen alle Kapazitäten vorrangig in die Sachbehandlung gesteckt werden." Erreichbar sei die Ausländerbehörde allerdings immer über die Antragsformulare im Bürgerkonto oder über das Kontaktformular. Zusätzlich gebe es täglich Zeitfenster, in denen das Kundentelefon besetzt sei. Das werde aber sehr stark nachgefragt.
Doch die Problematik beginnt für viele schon zuvor, sagt Ada Yildiz für das Netzwerk Migrantifa, das sich bundesweit nach dem Anschlag von Hanau gebildet hatte: "Ohne ein entsprechendes Netz an Menschen" sei bereits das Ausfüllen von Anträgen für viele "kaum machbar". Anleitungen in unterschiedlichen Sprachen seien nicht zu finden. Die Belastung von Fachkräften in den sozialen Bereichen sei enorm. "Es kann nicht sein, dass das alles auf Sozialverbände abgewälzt wird", merkt Leonie Petzoldt für die Politbande an. In der Ausländerbehörde in Nürnberg sei nicht einmal ein Infoschalter zu finden. "Auch Stadtverwaltungen müssen transparent und für alle zugänglich sein, gerade für Menschen, die ohnehin Ausgrenzung erleben", bekräftigt Anna Maubach, die das Thema für die Politbande mit betreut, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Wären die Umstände im Bürgeramt ähnlich prekär, wäre der gesellschaftliche Druck immens hoch", sagt Petzoldt.
Um die hohe Arbeitslast für die Behörde zu senken, sei die Stellenkapazität in den letzten Jahren immer wieder angepasst worden, so Kuch von der Stadt Nürnberg. "Die hält aber mit der Entwicklung der zu betreuenden Menschen und den Fallzahlen nicht Schritt." Die Stellen seien außerdem nur schwer besetzbar. "Der Personalfaktor ist tatsächlich eine Herausforderung."
Bürokratie-Dschungel mit dramatischen Folgen
Ausländerrecht beziehungsweise Einbürgerungsrecht sei komplex und unterliege aktuell permanenten Gesetzesänderungen, gibt Kuch zu bedenken. Dabei würden die Kommunen zum Teil kaum noch in die Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden, die Änderungen seien oft "nicht immer handwerklicher Qualität". Außerdem sei versäumt worden, das Ausländerrecht zu "entrümpeln", die Verfahren seien bürokratisch, viel zu kompliziert und mit Prüfungen überfrachtet, kritisiert Kuch die Gesetzeslage. Die Zersplitterung der Zuständigkeiten mache das Ganze noch unübersichtlicher. "Es ist kaum möglich, dieses Rechtsgebiet als Außenstehender beziehungsweise gar als Betroffener zu verstehen."
Die Auswirkungen, die dieser Bürokratie-Dschungel mit sich bringt, seien für die Betroffenen dramatisch und für die "Stadt der Menschenrechte" skandalös, heißt es von Seiten der Initiativen. Gerade wenn Anträge unvollständig sind, würden Termine vor Ort für eine Verschiebung des Verfahrens und nicht für eine Lösung sorgen. Das werfe viele in die Perspektivlosigkeit. Betroffene würden ihre Arbeitsplätze verlieren und könnten in der Folge ihre Miete nicht mehr bezahlen, Familien blieben getrennt, und der Zugang zu Wohnungen sowie Gesundheitsversorgung sei erheblich eingeschränkt. Das Amt für Migration und Integration müsse sich besser wappnen, die Bearbeitung von Anträgen müsse gerecht und effizient gestaltet werden, fordert die Politbande.
Olaf Kuch betont, dass die Ausländerbehörden strikt weisungsgebunden sind, sich also an die umfangreichen Anwendungshinweise und Weisungen der Länder halten müssen. "Hinzu kommt, dass aufgrund der hohen Außenwirkung das Rechts- und Themengebiet auch oftmals höchst politisch besetzt ist beziehungsweise auch instrumentalisiert wird."
Aktuell befinde sich die Ausländerbehörde allerdings in einem Aufholprozess, da gerade mehr Anliegen bearbeitet werden als hinzukommen. Die Nürnberger Politbande hat bereits angekündigt, sich für langfristige Veränderungen in dem Nürnberger Amt einzusetzen.