Vollsperre an der Stadtgrenze Nürnberg/Fürth
Schwerer Unfall nach Klimaprotest-Aktion in Nürnberg: Staatsanwaltschaft untersucht Zusammenhang
14.7.2023, 15:45 UhrAktivisten der "Letzten Generation" haben am Freitagmorgen in Nürnberg drei wichtige Verkehrsknotenpunkte der Stadt besetzt und sich dort teilweise festgeklebt. Laut Polizeipräsidium Mittelfranken blockierten die Aktivisten zunächst um 7.00 Uhr den Frauentorgraben an der Ecke zur Lessingstraße, eine Viertelstunde später den Frankenschnellweg an der Kreuzung Rothenburger Straße/Pfinzingstraße, um 7.30 Uhr schließlich die südliche Fürther Straße nahe Plärrer.
15 Aktivisten, zehn von ihnen klebten sich fest
Auf dem Frankenschnellweg kam es im entstehenden Stau zu einem schweren Auffahrunfall. Ein Pkw-Fahrer übersah offenbar das Stauende an der Stadtgrenze Nürnberg/Fürth und raste mit seinem Fahrzeug in einen Lkw, sodass das Auto fast bis zur Hälfte unter den Auflieger geschoben wurde. Der 31-jährige Fahrer aus Erlangen wurde schwer verletzt.
Der Frankenschnellweg war an der Stadtgrenze in Richtung Nürnberg voll gesperrt, der Verkehr wurde in Doos ausgeleitet. Auch nach mehreren Stunden gelang es dem Abschleppdienst nicht, die verkeilten Fahrzeuge zu trennen. Deshalb wurde die Feuerwehr hinzugezogen. Erst nach mehr als fünfeinhalb Stunden konnte der Frankenschnellweg wieder freigegeben werden.
Weil die Klimakleber mit ihrer Aktion den Stau, an dessen Ende sich der Unfall ereignete, vorsätzlich verursacht haben, untersucht die Polizei nun in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, ob es einen Zusammenhang gibt. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdacht auf einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr wurde eingeleitet. Auch ein Sachverständiger war im Auftrag der Staatsanwaltschaft an der Unfallstelle.
Vorsätzlich gefährliche Situation verursacht?
Juristisch entscheidend ist, dass der Stau nicht durch unvorhersehbare Umstände, etwa durch einen anderen Unfall oder einen Wasserrohrbruch, verursacht wurde, sondern vorsätzlich und dadurch eine Gefährdungssituation entstanden ist, die es sonst nicht gegeben hätte. Auch die Aktivistinnen und Aktivisten vom Frankenschnellweg sind inzwischen aber wieder auf freiem Fuß, sie werden während dieser Untersuchung nicht festgehalten.
Außerdem hat das zuständige Fachkommissariat der Nürnberger Kriminalpolizei die Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts der Nötigung und des Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Nürnberg aufgenommen.
Es waren jeweils fünf Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzen Generation" vor Ort, an der Südlichen Fürther Straße klebten sich drei von ihnen an der Straße fest, an den beiden anderen Orten pappten vier Aktivisten auf der Fahrbahn. Die speziell für solche Blockaden geschulten Beamten konnten die Aktivisten jeweils nach 30 bis 40 Minuten lösen.
"Natürlich gab es dadurch Verkehrsbehinderungen. Aber wir konnten den Verkehr schnell umleiten und die Auswirkungen in Grenzen halten", sagte ein Polizeisprecher. Laut Polizei wurde wohl nur normaler Sekundenkleber benutzt, der sich schnell lösen ließ.
Bis zu 3000 Euro Bußgeld für Ordnungswidrigkeit
"Als Bürger:innen, die erkannt haben, dass sie Teil der letzten Generation vor den Kipppunkten sind, fordern wir die Bundesregierung auf, einen Gesellschaftsrat einzuberufen. Denn die Bundesregierung kommt ihrer verfassungsmäßigen Pflicht, unsere Lebensgrundlagen, Freiheit und Demokratie zu schützen, nicht nach", formulierten die Aktivisten in einem Statement.
Am Donnerstag hatte die Stadt Nürnberg in einer Allgemeinverfügung ausdrücklich verboten, dass für Demonstrationen Fahrbahnen benutzt werden und Protestierende sich auf der Straße ankleben oder festketten. Dadurch gibt es zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten. Solche Aktionen können nun auch als Ordnungswidrigkeit belangt werden, für die dann pro Teilnehmer bis zu 3000 Euro Bußgeld fällig werden. Dem Veranstalter oder Versammlungsleiter können durch die Allgemeinverfügung sogar eine Freiheitsstraße von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe drohen.
"Letzte Generation" rechnet mit der Maximalstrafe
Die Aktivistinnen und Aktivisten ließen sich am Freitagmorgen ohne Widerstand von der Fahrbahn lösen. Sie wurden zur Erfassung der Identität auf eine Polizeidienststelle gebracht. Von wüsten Beschimpfungen oder Gewalt durch wütende Autofahrer ist nichts bekannt.
"Wir rechnen mit der Maximalstrafe", sagte ein Sprecher der "Letzten Generation". Gleichzeitig gehe es aber mit dem Klimawandel um das wichtigste und drängendste Problem der Menschheit. "Aus der Historie wissen wir, dass ziviler Ungehorsam ein sehr effektives Mittel ist, um Wandel in einem Land zu erzielen", so der Sprecher. Er vertritt den Standpunkt, dass der Unfall auf dem Frankenschnellweg nicht im Zusammenhang mit der Aktion der Klimakleber steht, will sich ansonsten aber vorerst nicht weiter dazu äußern.
Nicht die erste Aktion
Es ist nicht die erste Aktion dieser Art in Nürnberg. Am 9. Juni hatten Aktivisten beim Kirchentag die Bahnhofstraße in Nürnberg blockiert. "Jetzt ist die Zeit für friedlichen zivilen Widerstand", hatte eine Frau auf ein Plakat geschrieben. Mehrere Menschen hatten sich festgeklebt, einige sogar Zement verwendet. Die Polizei musste damals Schlagbohrer und Trennschneider verwenden, um Platten aus dem Boden zu brechen.
Nur eineinhalb Wochen später, am 19. Juni, hatten vier Aktivisten für ihre Aktion den Frauentorgraben auf Höhe der Kreuzung zur Lessingstraße gewählt. Am 3. Juli hatten sich sechs Aktivisten am Nürnberger Plärrer festgeklebt und für Behinderungen gesorgt.
Störung beim Norisringrennen
Für Aufsehen sorgte auch eine Störung des Norisringrennens. 13 Aktivisten der "Letzten Generation" liefen kurz vor dem letzten Rennen auf die Fahrbahn, festgeklebt hatte sich niemand. Die Sicherheitskräfte vor Ort und die Polizei konnten die Strecke schnell räumen.