Sebald bis Buchenbühl: Wo "echte" Nürnberger leben
20.9.2016, 05:58 UhrEin Klick auf die einzelnen Stadtteile verrät Ihnen mehr.
Visualisierung: Viola Bernlocher, Daten: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth.
Müsste man sich einen typischen Bewohner der Innenstadt vorstellen, er sähe ungefähr so aus: Jung, lebt in einem Single-Haushalt - und ist nicht in Nürnberg geboren. "In St. Lorenz lebt vor allem eine junge, mobile Gruppe", sagt Barbara Lux-Henseler. Die Vize-Chefin des Statistikamtes kann das mit Zahlen belegen. Nur rund 21 Prozent der knapp 5100 Einwohner sind in Nürnberg geboren. Außerdem leben über 72 Prozent in Single-Haushalten, der höchste Wert von allen Stadtteilen.
Etwa ein Drittel der Bewohner ist zwischen 18 und 30 Jahre alt. Vor allem Studenten und Berufsanfänger, so Lux-Henseler, ziehe es in das Viertel im Herzen der Stadt. Frappierend: Von 100 Einwohnern sind im vergangenen Jahr 33 weggezogen. "In dem Viertel ist sehr viel Bewegung", sagt Lux-Henseler. Ganz ähnlich sieht es auch in der nördlichen Innenstadt aus. Auch wenn der Anteil der gebürtigen Nürnberger in St. Sebald mit rund 27 Prozent schon deutlich höher liegt: Das Durchschnittsalter ist mit 41 Jahren ganz ähnlich. Und auch hier leben rund 71 Prozent der Bewohner in Single-Haushalten.
Genau wie Thomas H. Der 26-Jährige stammt aus dem Landkreis Roth und ist wegen seiner Ausbildung und seiner Arbeitsstelle nach Nürnberg gezogen, wie so viele junge Menschen aus dem Umland. "Ich habe fünf Tage die Woche gearbeitet und samstags hatte ich immer noch Schule, da habe ich mir überlegt, dass ich auch gleich nach Nürnberg ziehen könnte. Da bleibt einfach so viel Zeit auf der Strecke."
Überstürzt hat er die Wohnungssuche aber nicht. Eine Bekannte aus seinem Heimatort wohnte bereits in Nürnberg in einem Haus der WBG am Webersplatz. Ein Haus, von außen braun und unauffällig, von innen hell und freundlich. Vor der Haustür stehen die pittoresken Häuser der Sieben Zeilen. Er schaute sich die Wohnung an, war von dem günstigen Schnitt und dem Mietpreis angetan und auch das Viertel sagte ihm zu. Deshalb ließ sich auf die Warteliste setzen.
Seit einem halben Jahr lebt Thomas H. inzwischen in einer Drei-Zimmer-Wohnung mit Balkon im selben Haus. Die Gegend hinter dem Egidienplatz nahe des Laufer Torturms gefällt ihm gut. "Man ist sehr schnell in der Innenstadt, trotzdem ist es hier ruhig. Im Innenhof stehen Bäume und ums Eck gibt es nette Cafés und Kneipen." - Dinge, die für junge Singles Priorität haben.
Ganz anders und viel ländlicher sieht es in Buchenbühl aus, wo rund 2300 Menschen leben. 63 Prozent von ihnen sind gebürtige Nürnberger, in der ganzen Stadt der höchste Anteil. So auch Horst und Margit Geuß. Das Ehepaar lebt seit 30 Jahren gemeinsam in Buchenbühl. Wer dorthin möchte, muss den Stadtteil gezielt ansteuern, durch fährt man hier nicht. Direkt östlich vom Flughafen gelegen ist er einer der neueren Nürnberger Stadtteile. In den 1920er Jahren gründeten die ersten Bauherren hier eine kleine Siedlung.
Darunter waren auch die Großeltern von Horst Geuß. Als Wirte übernahmen sie den Saalbau, das große, wuchtige Wirtshaus im Kern des Stadtteils. Hier, vor den Toren der Stadt, gibt es Natur und Grün in Hülle und Fülle. Auch für Horst Geuß war das ein Grund, nie aus Buchenbühl wegzuziehen und sein Elternhaus mit dem großen Garten, das Mutter und Vater in den 1960erJahren bauten, zu übernehmen und kräftig umzubauen.
Das Haus der Geuß‘ ist typisch für Buchenbühl. Ein- und Zweifamilienhäuser machen über 90 Prozent des Bestands in Buchenbühl aus, in St. Sebald hingegen sind es keine drei Prozent, in St. Lorenz keine zehn. Besonders in den 1960er Jahren wurde hier gebaut: "Das war damals ein Eldorado. Unser Haus war das zweite in der Straße, sonst waren überall Baulücken", erzählt er. Diese waren aber schnell geschlossen und dabei blieb es bis heute. Denn Buchenbühl wird im Nordosten von der A3, im Südosten von der B2 und im Südwesten vom Airport umschlossen wie von einem engmaschigen Jägerzaun, den es hier allerorten gibt.
Besonders morgens und abends hört man die Turbinen der startenden Flugzeuge aufheulen. Horst Geuß fühlt sich da manchmal etwas eingekreist, aber es hat für ihn auch sein Gutes. In 15 Minuten sei man vom benachbarten Ziegelstein aus am Hauptbahnhof. Durch die geographische Beschränkung blieb das Viertel über die Jahre so, wie es war. Nur im Nordosten ist der Wald nah, wunderschöne Radtouren und Spaziergänge könne man hier machen, schwärmt Margit Geuß. Als die Kinder klein waren, konnten sie dort bedenkenlos spielen.
In 20 Prozent der Buchenbühler Haushalte leben heute noch Kinder, der Altersschnitt im Viertel aber schlägt klar nach oben aus. Rund 30 Prozent der Buchenbühler sind über 65 Jahre alt - auch, wenn wieder junge Familien hinaus ins Grüne ziehen. Trotz der jüngeren Altersstruktur in der Innenstadt - nur rund 15 Prozent der Menschen sind über 65 Jahre alt - leben hier nur in sieben Prozent der Haushalte Kinder.
In Buchenbühl gibt es zudem kaum Bewegung, nur sieben Umzüge auf 100 Einwohner hat das Statistikamt gezählt, in St. Sebald sind es 12 pro hundert Einwohner. Dadurch, dass viele Menschen in Eigenheimen lebten, hätten sie auch keinen Grund aus Buchenbühl wegzuziehen, so Lux-Henseler. Auch das Ehepaar Geuß will aus Buchenbühl nicht mehr weg, zu sehr genießt es seinen großen Garten, das gute Miteinander unter Nachbarn, in Vereinen oder der Kirchengemeinde. Die vertraute Stimmung im Stadtteil zieht auch junge Familien an. Nach dem Tod der alten Besitzer kaufen oft junge Familien die Häuser. "Aber auch die wollen gerne Kontakt", berichtet Margit Geuß. Auch die erwachsene Tochter des Ehepaars möchte bald wieder aus der Innenstadt an den grünen Stadtrand ziehen, wo sie aufgewachsen ist.
Auch wenn Horst Geuß nie weg wollte, sehen er und seine Frau auch die Nachteile, die das Leben ein wenig ab vom Schuss bringt. "Bis ein Krankenwagen da ist, das kann schon mal dauern", sagt er. Gerade das kann für ältere Menschen gefährlich werden. Einen Supermarkt gibt es vor Ort nicht, einen kleinen Laden und ein Bäcker sind noch am Ort, ein Metzgerwagen und die Gemüsefrau kommen immerhin ein paar Mal in der Woche. Aber durch die gute Nachbarschaft und den Zusammenhalt im Viertel lassen sich vielleicht auch diese Defizite etwas abmildern. Denn alles in allem gefällt es ihnen hier so gut wie nirgends sonst.
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Eine Karte, die zeigt in welchem Stadtteil, welche Migrantengruppen leben, gibt es hier.
Zu- und Fortzüge nach und von Nürnberg sind in dieser Karte dokumentiert.
Zugezogen: Wo kommen Nürnbergs Bürger her? Eine Karte zeigt die Geburtststädte der Neubürger.
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