Corona:
Seniorenheime: Entspannung, aber keine Normalität
11.5.2021, 11:00 UhrDer Blick zurück ist bitter. Seniorenheime waren Corona-Hotspots. Auch in Schwabach. Die Angst ging um, auch dort, wo es keine Opfer zu beklagen gab. "Um uns herum die Einschläge. Ich habe nur gedacht: hoffentlich kein Ausbruch. Aber wir hatten viel Glück", sagt Horst Weckerlein, Leiter des Hermann-Vogel-Seniorenheims der Awo in Schwabach. "Bis zu den Impfterminen bei uns im Heim im Januar waren es die schlimmsten Wochen meines Lebens."
Und heute? Die Impfungen zeigen Wirkung. "Die Lage hat sich entspannt. Es ist eine neue Normalität, aber es ist nicht, wie es vorher war. Es bleibt ein schmaler Grat zwischen Freiheit und Schutz", beschreibt Bodo Steinheimer vom Hans-Roser-Haus der Diakoneo in Roth die momentane Situation. Genau das berichten auch Ursula Markus (Caritas-Seniorenheim St. Willibald Schwabach), Thomas Leineweber (Novita Seniorenheim Schwabach), Frieder Parche (Evangelisches Pflegeheim Am Wehr in Schwabach) und Horst Weckerlein.
"Besuche sind möglich"
Frieder Parche ist vor allem ein Punkt wichtig: "Es ist nicht alles zu. Besuche sind möglich. Wir versuchen alles, um Kontakte zu ermöglichen." Dafür sind gesetzliche Mindeststandards vorgeschrieben: "Dazu gehören negative Corona-Tests, FFP2-Masken für die Besucher und ein Hygienekonzept", listet Schwabachs Stadtrechtsrat Knut Engelbrecht auf. Für die konkrete Umsetzung entscheidend seien die räumlichen und personellen Möglichkeiten. "Es gibt einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den Einrichtungen. Dieser Wissenstransfer ist ein Gewinn aus der Corona-Krise", berichtet Florian Karl, der Leiter des Pflegestützpunkts Schwabach.
Bei Novita erlauben die Räumlichkeiten sogar mehrere Besuche am Tag, allerdings nicht zeitgleich und einzeln. "98 Prozent der Angehörigen haben sehr viel Verständnis", berichtet Thomas Leineweber. Doch die Regeln lassen bewusst Spielräume: "Palliativpatienten kann man jederzeit besuchen", erklärt Bodo Steinheimer vom Hans-Roser-Haus.
Die Impfbereitschaft unter den Seniorinnen und Senioren ist sehr hoch. Rund 95 Prozent sind es etwa im Hermann-Vogel-Heim. Hinzu kommen Patienten, die Corona überstanden haben, immun sind und erst ein halbes Jahr nach der Infektion geimpft werden. Bei den Mitarbeitenden ist die Quote unterschiedlich. Thomas Leineweber spricht von 90 Prozent, Bodo Steinheimer freut sich über etwa 80 Prozent: "Das ist echt gut." Horst Weckerlein berichtet von rund 60 Prozent: "Da ist noch Luft nach oben."
Regelmäßige Tests bei Mitarbeitenden
Testen ist deshalb ein weiteres großes Thema. "Die Gefahr ist noch immer da, wie kürzlich ein erneuter Ausbruch in einem Heim im Landkreis Fürth gezeigt hat", warnt Knut Engelbrecht. Die Bewohner werden aber meist verschont und nur bei verdächtigen Symptomen getestet. Friseur- oder Fußpflegetermine sind dagegen auch im Heim selbst nur mit Schnelltests möglich. Eine Vorschrift, die auf wenig Verständnis stößt, zumal auch die Friseurinnen und Fußpflegerinnen nur mit Tests in die Heime kommen können.
Peter Roch: Post-Covid-Patienten brauchen einen langen Atem
"Das ist eine Zumutung für die Bewohner und die Einrichtung", wird Thomas Leineweber deutlich. Gerade angesichts der jüngsten Lockerungen für Geimpfte werde es immer schwieriger, Einschränkungen zu erklären. Beispiel: Anders als mittlerweile im Einzelhandel brauchen in Pflegeheimen auch Geimpfte nach wie vor einen Schnelltest für Besuche. "Da hat man schon das Gefühl, dass man uns vergessen hat."
Für die Mitarbeitenden sind die Tests freiwillig, aber in deren eigenem Interesse. "Zwei- bis dreimal pro Woche" wird "Am Wehr" getestet, so Frieder Parche. Bei St. Willibald ist man besonders konsequent: "Wir testen täglich vor Schichtbeginn", sagt Ursula Markus.
So viel Normalität wie möglich
FFP2-Masken sind für alle Mitarbeitenden selbstverständlich, Bewohnerinnen und Bewohner müssen sie nicht tragen. Gemeinsame Veranstaltungen für das ganze Heim sind weiterhin unmöglich. "Aber in den Wohngruppen versuchen wir, das normale Leben aufrecht zu erhalten. Dann haben wir eben vier Mal Weihnachten gefeiert", erzählt Ursula Markus. "In den Wohnbereichen leben die Leute ja wie in einer Familie", erklärt Bodo Steinheimer. "Da sind auch wieder Gesellschaftsspiele wie ,Mensch ärgere dich nicht' möglich. Das ist ein Stück Lebensqualität."
Ausdrücklich widersprechen die Heimleiter dem Zerrbild von völlig vereinsamten Bewohnern: "Wir haben niemanden weggesperrt oder alleine gelassen", stellt Horst Weckerlein klar. Trotz des viel zitierten Pflegenotstands. "Schon vor Corona war es fünf vor zwölf", sagt Weckerlein. Die Belastung ist entsprechend.
"Ein schöner Beruf"
Und doch: "Pflege ist nicht nur Stress, Frust und Depression", betont Thomas Leineweber. "Es ist ein hochqualifizierter und schöner Beruf, für den ich wirklich ein Plädoyer halten möchte", sagt auch Frieder Parche.
Klatschen aber genügt nicht. Der Pflegeberuf muss auch finanziell attraktiver werden. Um Geld allein geht es aber nicht. Das beweisen der Pflegekräfte gerade in der Pandemie: "Ich habe ganz großen Respekt vor den Mitarbeitenden, die einen tollen Job machen, Hut ab", sagt Ursula Markus. Ein Beispiel hat sie besonders berührt: "Eine Mitarbeiterin hat sich bei uns im Heim infiziert und dann ihren Mann angesteckt, der daran gestorben ist. Und doch macht sie weiter mit dem gleichen großen Engagement."
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