So erlebten Augenzeugen die Explosion in der Südstadt
8.7.2020, 18:43 UhrAuf dem Gehweg liegt ein kohlrabenschwarzer Stoffelefant. Um ihn herum ein paar Eisenstangen, Holz, Splitter von Glas und Konservendosen. Es riecht nach verbrannten Tapeten, verkohlten Möbeln und geschmolzenem Plastik. Übrig ist nichts mehr. Der kleine Laden in der Wölckernstraße in der Südstadt gleicht einem schwarzen Loch.
Einen harten Kontrast dazu bilden die strahlend weißen Anzüge, die die Beamten der Kriminalpolizei tragen, die im Inneren des Ladens auf Spurensuche sind. Ein Hund schnüffelt sich durch die verbrannten Reste. Er sucht nach Spuren von Brandbeschleunigern.
Telefone standen nicht mehr still
Rückblick: Um kurz nach 20 Uhr am Dienstagabend standen die Telefone bei der Integrierten Leitstelle nicht mehr still. Zig Anwohner meldeten einen Brand in einem Laden in der Wölckernstraße, dem ein dumpfer Knall vorausgegangen war. Vor Ort erwartete die Einsatzkräfte eine mit Splittern und Glasscherben übersäte Straße – und ein lichterloh brennender Laden.
Während ein Trupp vorne den Laden löschte, machten sich weitere Einsatzkräfte über das Treppenhaus im hinteren Teil des Gebäudes auf die Suche nach Bewohnern. "Glücklicherweise war nur eine weibliche Person anwesend, die von Feuerwehrkräften durch das Treppenhaus in Sicherheit gebracht werden konnte“, sagt Marc Siegl, Pressesprecher der Polizei Mittelfranken. Die Frau und eine weitere Person, die durch umherfliegende Glassplitter getroffen wurde, seien nur leicht verletzt worden, so der Polizeisprecher.
Einsturz kann ausgeschlossen werden
Umso schlimmer ist der Sachschaden: Durch das Feuer wurde die Gas- und Strominstallation im gesamten Haus so stark beschädigt, dass die Versorgung von Technikern der N-Ergie unterbrochen werden musste. Das Gebäude wurde daher vorerst für unbewohnbar erklärt. Immerhin: Die noch am Dienstag angerückten Fachberater des Technischen Hilfswerks gaben zumindest in Sachen Statik Entwarnung. Eine "akute Gefahr“ für das Gebäude, wie etwa ein Einsturz, konnte demnach ausgeschlossen werden. Einen Tag nach der Explosion ermitteln Experten der Polizei nun die Ursache. Kleine Schühchen schützen die Pfoten des Polizeihundes vor scharfen Kanten und spitzen Splittern. Er schnüffelt sich tapfer durch die verbrannten Überreste des Lebensmittelgeschäfts.
"Klang, als wären zwei Autos zusammengestoßen"
Ein paar Meter entfernt steht Joachim Hosak und beobachtet die Szene. Er wohnt im Haus nebenan und hatte am Abend zuvor einen wachsamen Schutzengel an seiner Seite. „Ich war gerade an meiner Haustür, als ich den dumpfen Knall gehört habe“, sagt er – unmittelbar zuvor ist er mit seinen Einkäufen an dem Laden vorbeigelaufen. „Es klang ein bisschen, als wären zwei Autos zusammengestoßen.“ Als er um die Ecke blickte, sah er noch die Fensterscheiben vibrieren – zumindest jene, die die Explosion übrig gelassen hat.
Explosion in der Wölckernstraße: Kriminalpolizei ermittelt
Den Schock noch nicht ganz überwunden hat Abdul Karimzadah. Er betreibt einen Laden zwei Häuser weiter und wollte gerade absperren, als es geknallt hat. "Ich habe mir den Feuerlöscher genommen, alles offen stehen lassen und versucht, noch etwas zu retten“, sagt er und nimmt seine Mund-Nasen-Bedeckung kurz ab, um den Geruch ungefiltert aufnehmen zu können. "Stinkt nicht mehr so wie gestern.“ Eine Chance habe er mit dem kleinen Löscher natürlich nicht gehabt. "Ich wollte nur irgendwas tun, aber es hat schon viel zu arg gebrannt.“
"Wahrscheinlich Angst vor einer weiteren Explosion"
Auch für die Mitarbeiter der gegenüberliegenden Bäckerei und ihre Kunden gibt es „am Tag danach“ kein anderes Thema. "Jeder fragt, was hier passiert ist“, sagt Ceren Coksöyler.
Sie war eine der Ersten, die die Explosion bei der Polizei gemeldet hat. "Ich habe es knallen hören, ich glaube, es waren sogar drei. Ein lauter Knall und zwei kurz danach. Und als ich rüberschaue, kamen schon die riesigen Flammen und schwarzer Rauch aus dem Schaufenster.“ Nur wenige Minuten später seien Polizisten in die Bäckerei gestürmt. "Sie haben uns gesagt, dass wir raus müssen. Wahrscheinlich hatten sie Angst vor einer weiteren Explosion“, vermutet Coksöyler. Tatsächlich hatte die Polizei die benachbarten Gebäude aus Sicherheitsgründen kurzzeitig geräumt.
Ermittlungen laufen weiter
Auch für Autofahrer gab es bis in den späten Abend hinein kein Durchkommen, für die Löscharbeiten wurde außerdem die Straßenbahnoberleitung kurzgeschlossen und geerdet.
Ob es nun ein Mal oder drei Mal geknallt hat und was die Ursache war, ist nach wie vor Gegenstand der Ermittlungen der Kriminalpolizei, die auch in Kontakt mit dem Ladenbesitzer steht, der sich zum Zeitpunkt der Explosion glücklicherweise nicht mehr im Geschäft befand. "Wir hoffen, dass wir in den kommenden Tagen genauere Ergebnisse präsentieren können“, sagt Marc Siegl.
Passanten beobachten den Polizeihund, der das Geschäft – vorbei an Scherben, verbranntem Holz und dem kohlrabenschwarzen Stoffelefanten – nach wenigen Minuten wieder verlässt. Angeschlagen hat er nicht, weshalb die Beamten davon ausgehen, dass kein Brandbeschleuniger für die Explosion und das Feuer verantwortlich war. Das beweist allerdings auch noch nicht zwangsläufig einen unglücklichen Unfall. Die Ermittlungen laufen weiter.