Übertritt im Corona-Schuljahr: Soll Elternwille zählen?
29.4.2021, 08:02 UhrEine Grundschullehrerin aus dem Landkreis Ansbach
"Meine vierte Klasse hat seit Ende Februar wieder Präsenzunterricht, und die Kinder kommen auch jeden Tag, weil im Zimmer genügend Platz ist, damit sie weit genug auseinander sitzen können. Insofern sind wir in einer besseren Situation als viele andere Lehrer und Klassen. Ich spüre, dass viele Kinder in diesem Schuljahr wenig einschätzen können, was sie zu leisten imstande sind und was von ihnen erwartet wird in der Fünften. Zurzeit laufen die Gespräche mit den Eltern, in denen ich gut erkläre und begründe, weshalb welche weiterführende Schule für ihr Kind am besten geeignet ist. Ich habe in den Gesprächen noch nicht den Wunsch gehört, dass man nur den Elternwillen zählen lassen soll, wenn es um die Wahl der weiterführenden Schule geht. Ich befürworte das aber grundsätzlich – unter der Voraussetzung, dass dem ein gutes Beratungsgespräch vorausgegangen ist. Alle weiterführenden Schulen werden sich darauf einstellen müssen, dass die Defizite dieses Corona-Schuljahrs nicht nach einem Jahr schon ausgebügelt sind, das wird länger dauern. Dennoch müssen wir den Kindern Zutrauen und Zuversicht geben, dass sie es schaffen werden!"
Thomas Kutter, Vater einer Viertklässlerin in Nürnberg
"Meine Tochter ist im Wechselunterricht, an den Präsenztagen testet sie sich selbst mit Schnelltests in der Schule. Das klappt ganz gut, aber ich frage mich schon: Was passiert denn, wenn sie zum Beispiel eine Probe schreiben müsste, gerade an diesem Tag aber in Quarantäne ist? Oder was ist mit den Kindern, die sich nicht testen lassen und deswegen im Distanzunterricht sind: Wie kommen denn da die Noten für den Übertritt zustande? Auf meine Anfrage kam vom Kultusministerium nur eine nichtssagende Standard-Antwort. Uns Eltern wird die Pistole auf die Brust gesetzt. Meine Tochter ist in diesem Schuljahr total durch den Wind. Es gibt nur 14 statt 22 Proben, und wenn man eine verhaut, ist der Druck groß."
Das sind Nürnbergs weiterführende Schulen
Das Bayerische Kultusministerium
Es wird auch in diesem Schuljahr einen begabungsgerechten Übertritt unter fairen Bedingungen geben. Um das zu gewährleisten, hatte die vierte Klasse in diesem Schuljahr beim Präsenzunterricht Priorität gegenüber den anderen Jahrgangsstufen, außerdem wurden Sonderregelungen und Erleichterungen umgesetzt. Ansonsten kommen die bewährten Elemente des Übertrittsverfahrens zum Tragen: eine ausführliche Elternberatung, ein Übertrittszeugnis mit Schullaufbahnempfehlung, die Möglichkeit des Probeunterrichts und die Berücksichtigung des Elternwillens, auch wenn der Probeunterricht nur mit der Note 4 bewertet wird. Alleine den Eltern die Entscheidung zu überlassen, halten wir unverändert für den pädagogisch falschen Weg.
Anni, Viertklässlerin in Nürnberg
"Die gesamte Klasse hat sich zuletzt vor Weihnachten gesehen, seitdem haben wir Wechselunterricht. Am liebsten wäre ich aber jeden Tag in der Schule. Wenn ich Fragen habe, kann ich an den Tagen, an denen ich daheim bin, die Lehrerin nämlich nicht direkt fragen und manchmal kann sie auch nicht gleich auf meine Mail zurückschreiben. In meiner Klasse ist einer, der hat eine Rechtschreibschwäche, und einer, der hat eine Behinderung und muss alles erklärt bekommen. Es wäre besser, wenn die beiden jeden Tag in der Schule wären. Ich möchte auf das Gymnasium gehen, auf dem schon mein Bruder ist. Wenn Kinder daran glauben, dass sie das Gymnasium schaffen und wenn sie durchschnittliche Noten haben, dann sollen sie es auch probieren dürfen, finde ich."
Eine Gymnasiallehrerin in Fürth
"Auf Zensuren muss man immer schauen, sonst landen viele Kinder auf einer Schulart, die nichts für sie ist. Aber ich bin der Meinung, dass ein besonderes Jahr besondere Regeln erfordert: Für diesen Übertritt sollte ausnahmsweise der Elternwille ausschlaggebend sein. Weil die Noten in diesem Schuljahr durch die unterschiedlichen Möglichkeiten des Unterrichts eine ganz andere Aussagekraft haben als sonst und deswegen einen anderen Stellenwert haben. Die Ausnahme muss aber eng an Beratungen für die Eltern gekoppelt sein, sie müssen wissen, wie durchlässig unser Schulsystem ist, dass viele Wege zum Abitur führen. Sollte der Elternwille ausschlaggebend werden, erwächst daraus eine große Verantwortung, sie müssen genau einschätzen: Wie robust ist mein Kind? Wenn es die Schulart verlassen müsste – wird das als Befreiung oder Demütigung empfunden?"
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