Verein will aus dem Frankenschnellweg einen Stadtkanal machen
28.4.2021, 05:54 UhrTheobald Fuchs überlegt nur kurz. "Die Teerdecke müsste weg", sagt er, "aber ich denke, 2022 könnte es losgehen." Fuchs lacht, denn einen Zeitplan gibt es noch nicht. Und doch: Geht es nach Fuchs und den Mitgliedern seines im Dezember gegründeten Vereins, kann schon bald über den Frankenschnellweg gerudert werden.
Kanal soll Diskussion beenden
Ja, rudern. Denn Fuchs und seine Mitstreiter Tibor Klingen und Klaus Wechselberger wollen die Diskussion um die Autobahn endgültig beenden. Ihre Antwort auf die Frage, ob Ausbau oder nicht, ist ein Kanal. Ein Stadtkanal zwischen Nürnberg und Fürth.
Der soll ohne Großbaustelle und Bauunternehmen entstehen. "Wir wollen mit so wenig Aufwand wie möglich Flächen für Einwohner frei machen", sagt Fuchs. Und das auch zusammen mit den Einwohnern, wünscht sich der NFSK, der Verein Nürnberg-Fürther Stadtkanal. Die Bürger der beiden Städte sollen sich beteiligen, sowohl an den Planungen, als auch an der Umsetzung. Möglich machen das Parzellen am Kanal, der zwischen Poppenreuth und der Stadtgrenze fließen soll.
Radikaler Vorschlag: Frankenschnellweg als Flaniermeile?
Dort, wo heute Autos und Lkw unterwegs sind, ist früher tatsächlich schon einmal Wasser geflossen. Gebaut wurde der Frankenschnellweg auf einer Trasse des Ludwig-Donau-Main-Kanals.
Aber bloß kein Industriekanal
Den wollen Fuchs und seine Gruppe zurück. Ein Industriekanal mit tonnenschweren Schiffen soll der Kanal nicht werden. "So einen haben wir ja", sagt Theobald Fuchs. "Wir wollen aber auch keine Wasser-Idylle mit Raddampfer." Der Kanal soll vielmehr eine Mischung aus Natur und innovativer Technik sein. "Zum Beispiel für Schiffe mit Solarstrom, die sich selbst automatisch an Stationen aufladen."
Frankenschnellweg: Klage des Bundes Naturschutz läuft nun weiter
Deshalb soll der Stadtkanal auch nicht 1,80 Meter tief werden, so wie die Trasse früher. Sondern nur knapp 1,50 Meter, mit schrägen Ufern. "Wir wollen auch die Rudervereine einbinden und hier jedes Jahr Ruderwettbewerbe veranstalten." Zuerst muss der Kanal dafür gebaut werden. "Aber ohne Bauträger."
Das sollen stattdessen die übernehmen, die hier Grundstücke pachten, wie Schrebergärten. 100 Quadratmeter große Parzellen entlang der Wasserfläche. "Jeder gräbt seine fünf Meter Kanal selber", sagt Fuchs. Der 52-Jährige hofft, dass eine Eigendynamik entsteht. Ähnlich den Häuslebauern, "als jeder Nachbar beim Hausbau des Nachbarn geholfen hat und danach stand die Siedlung".
Bäume statt Beton, Grün statt Grau
Zwei Modelle zeigen, was sich der NFSK die Zukunft vorstellt. Bäume statt Beton, Grün statt Grau, Räder und VAG-Boote statt Autos und Lastwagen, eine Wasserstraße von Doos bis in die Gartenstadt. Dort wohnt Theobald Fuchs, der die endlose Diskussion um den Frankenschnellweg-Ausbau beenden will.
Fuchs ist Mitglied des Bund Naturschutz, das aber gilt nicht für alle elf Mitglieder der Gruppe, die sich aus Landschaftsarchitekten, Ingenieuren und Designern zusammensetzt. "Wird sind politisch unabhängig, sehr technikaffin und rational", beschreibt Fuchs die Runde. Erst durch das Hickhack zwischen Stadt und BN sind er und seine Mitstreiter auf ihre Idee gekommen. "Wenn beim Ausbau kein Ja und kein Nein richtig ist - vielleicht ja etwas ganz anderes."
Fuchs sieht eine Chance für die Menschen. Deshalb haben sie sich schon "Hunderte Stunden Gedanken gemacht, Pläne gezeichnet, gerechnet". Um das zu bündeln, weiß der Gartenstädter, hat es einen Verein gebraucht.
Zusammen mit Auffahrten, Abfahrten, Autobahnkreisel sieht der NFSK ein Flächenpotenzial von 40 Hektar, mindestens fünf davon bieten Platz für dringend benötigtes Wohnen. Auch für das größte Problem haben sie schon eine Lösung: das Gefälle. "An der Stadtgrenze liegen wir acht Meter über der Pegnitz." Fuchs sieht aber lieber die Gelegenheit. "Das wäre die Chance für ein Wasserkraftwerk."
"Investition muss sich lohnen"
Das muss bezahlt werden, genauso wie eine gute Rad-Infrastruktur. Fuchs sieht hier das Geld richtig angelegt. "Wir müssen Geld in etwas investieren, wo mehr herauskommt, als wir reingesteckt haben." Anders, sagt Fuchs, als beim Frankenschnellweg. Nürnberg solle nicht "die letzte Großstadt in Deutschland sein, die noch Autobahn durch die Stadt baut".
Die transportiert derzeit täglich Zehntausende Autos. Wohin mit denen? Theobald Fuchs ist vorbereitet, "die Frage kommt immer". Er sieht drei Gruppen, die den Frankenschnellweg jeden Tag nutzen. Zum Beispiel den Durchgangsverkehr zwischen München und Frankfurt am Main. Der aber habe in der Stadtmitte eh nichts verloren, sondern soll auf die A3, A9 und A6 umgelegt werden. "Dieser Verkehr muss komplett weg, das machen alle Städte."
Wohin mit den Pendlern?
Die Gruppe der Pendler, ist Fuchs überzeugt, wird sich in den kommenden Jahren verändern - und zum Nahverkehr wechseln, der ja zu Teilen auch mit Booten erfolgen kann. In der dritten Gruppe sieht der Verein Menschen, "die zum Beispiel von Schweinau nach Tennenlohe fahren, um mit dem Hund im Wald zu spazieren". Diese kleinste Gruppe könne aber problemfrei andere Wege nehmen.
Die Autobahn locke sie dagegen eher an. Für Fuchs ist es "einfach nicht logisch, darin zu investieren". Er sieht dagegen die "fantastische Stadt, die Nürnberg werden könnte – im Vergleich zum immer gleichen Beton".
Er meint es ernst. Gespräche mit mehreren Stadtratsfraktionen haben schon stattgefunden, auch mit den städtischen Stellen, wie dem Stadtplanungsamt oder Umweltamt, wollen sie reden. "Mal sehen, was die zu 500 neuen Schrebergärten, vier Freibädern und einem Wirtschaftspark hier sagen." Möglich ist entlang des Kanals viel.
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