Vier Jahre nach Großbrand: Marthakirche öffnet wieder
10.11.2018, 08:40 UhrDie alte Marthakirche ist die neue Marthakirche geworden. Und das hat sich herumgesprochen. Schon vor den offiziellen Einweihungen am 10. und 11. November stolperten viele Neugierige in den Eingang in der zweiten Reihe der Königstraße gleich beim Hauptbahnhof.
Ein Unglück gab den Anlass für den Radikal-Umbau. In der Nacht zum 5. Juni 2014 brannte das 600 Jahre alte Gebäude aus. Die Ursache dafür bleibt bis heute ungeklärt. Das langjährige Gemeindemitglied Georg Rieger übernahm damals den Posten eines Koordinators für den Wiederaufbau. Viereinhalb Jahre später sagt der Theologe und Unternehmer: "Ich bin froh. Und ich bin stolz auf die Zusammenarbeit. Das war eine Gemeinschaftsleistung."
"Sehr partnerschaftlicher Umgang"
Zwei Architekturbüros und 40 Firmen waren beteiligt. Rieger berief monatliche "Baucafés" ein, betrieb eine Facebook-Seite, um die 1400 Mitglieder der evangelisch-reformierten Gemeinde jederzeit einzubinden in die Entscheidungsprozesse und Fortschritte. "Es war ein sehr partnerschaftlicher Umgang." Auch die Anteilnahme in der Bevölkerung sei groß gewesen. Schon am Tag nach der Katastrophe steckten Menschen Pfarrer Dieter Krabbe Geldscheine für den Wiederaufbau zu, schreibt Rieger in der 60-seitigen Broschüre zur Dokumentation der Baumaßnahmen.
Diese nahmen ein gewaltiges Ausmaß an. Anfangs war ungewiss, ob das spätgotische Bauwerk überhaupt in seiner alten Gestalt aufgebaut werden könnte. Manche Wände waren einsturzgefährdet, Dach und Fußboden zerstört. Der Glutofen, der sich in der Nacht entwickelt hatte, schmolz nicht nur Fensterglas und Metall, sondern verformte auch die Grundmaße und ließ das Mauerwerk abplatzen. Löschwasser hat es zusätzlich durchtränkt. Die anfängliche Hoffnung, dass die Kirche bereits 2016 wieder bezugsfertig werden würde, zerschlug sich bald. So schwer war das Kirchlein, das anfänglich Pilgern diente und in dem zur Blütezeit der Reichsstadt die Meistersinger probten, nicht einmal im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden.
Der Münchner Architekt Florian Nagler setzte sich im Wettbewerb mit seinem Sanierungsvorschlag durch. Nagler und die Baufirmen folgten dem Auftrag der Denkmalschutz-Experten: Rekonstruktion nein, Ergänzung ja. "Wenn man genau hinschaut, erkennt man an Details noch die Schäden", sagt Rieger. Alter Sandstein wechselt sich ab mit glattem, frischem. Der neue stammt aus dem Steigerwald, nicht aus den Nürnberger Steinbrüchen. Im Chor treffen die alten Fußbodenplatten auf neue. "Wir haben darauf geachtet, dass es nachhaltig wird und ruhig mehrere Hundert Jahre halten kann." Auch in modernen Brandschutz wurde erheblich investiert.
"Es ist die Chance zum Neuanfang"
Die wertvollen, farbig bemalten Original-Glasfenster aus der Zeit um 1400 blieben durch einen glücklichen Zufall intakt: Sie waren vor dem Brand anlässlich ihrer Restaurierung ausgebaut worden. In der hellen, aufgeräumten Optik, mit viel Holzverkleidung aus Weißtanne, wirkt der Raum nun wie die Schwester der 2007 modernisierten Klarakirche genau gegenüber. Ökumenisch sind sich die beiden Nachbarhäuser ohnehin seit langem verbunden. In der katholischen Klarakirche feierte St. Martha während des Wiederaufbaus die Gottesdienste.
Die Auferstehung der zerstörten Kirche hat 11,8 Millionen Euro gekostet. 800.000 Euro Spenden aus der Öffentlichkeit gingen ein. Die Brandschutzversicherung wird neun Millionen übernehmen. Den Rest trägt die Gemeinde. "Es ist ein Kompromiss, mit dem wir zufrieden sein können", findet Rieger. Die Differenz kommt durch Zusatzwünsche zustande. "Wir haben die Gelegenheit genutzt, über die Wiederherstellung des Zerstörten hinaus etwas mehr zu machen. " Dazu zählen die Fußbodenheizung, eine moderne Lichtanlage und neue Toilettenhäuschen. Die neue Orgel fehlt noch, sie wird 2019 fertig.
"Es ist die Chance zum Neuanfang", sagt Georg Rieger, das beschreibe die Stimmung vor dem bevorstehenden Festwochenende wohl am besten. Pfarrer Dieter Krabbe hat mehrfach angekündigt, dass sich St. Martha – eine beliebte Konzertspielstätte in der Innenstadt – künftig mehr zum sozialen Treffpunkt wandeln will. Dass man die festen Kirchenbänke nun durch bewegliche ersetzt, soll nur das Vorzeichen sein. Nürnbergs einzige evangelisch-reformierte Gemeinde, der das Gotteshaus seit 1800 gehört, will sich öffnen.
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