Mobilitätsplan
Vision 2040: So könnte es in Schwabach in 19 Jahren aussehen
14.7.2021, 15:00 Uhr"Wer Visionen hat", so hat es der frühere Kanzler Helmut Schmidt einmal gesagt und zwischen diesem Satz wahrscheinlich zwei Zigaretten weggeraucht, "wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen."
Dieser Satz mag in den 1980-er oder 1990-er-Jahren noch Gültigkeit gehabt haben. Aber in Sachen Mobilitätsplan, der derzeit in Schwabach entsteht, waren jetzt ausdrücklich Visionen erwünscht. Dafür sollte man auch nicht zum Arzt gehen, sondern in den Markgrafensaal oder sich von zu Hause am Rechner live zuschalten in eine Veranstaltung, die der frühere Bürgermeister Dr. Thomas Donhauser moderierte und in der man die Gedanken wunderbar kreisen lassen konnte.
Radikale Veränderungen?
Wie also sollte Mobilität in Schwabach im Jahr 2040 aussehen? Die Ideensammlung förderte viel Neues zutage. Dass dabei in erster Linie ganz real im Saal oder virtuell am heimischen Rechner vor allem Leute den Finger hoben, die auf möglichst radikalen Wandel drängen, überraschte nicht. Die Gruppe der Bewahrer, diejenigen also, die wollen, dass sich möglichst wenig ändert, fühlen sich von solchen Veranstaltungen, von solchen Formaten in aller Regel nicht so angesprochen.
Insofern hatte das, was Stadtratsmitglied Richard Garhammer im Markgrafensaal sagte, schon exklusiven Charakter. Die Stadt, sagte er, müsse sich im Außenbereich rechtzeitig Flächen sichern für eine große Umgehungsstraße. Damit könne man den vielen Durchgangsverkehr aus der Stadt heraushalten. Das würde zu einer höheren Lebensqualität in vielen Schwabacher Wohngebieten führen. Denn, das würden die Zulassungszahlen zeigen, der Individualverkehr werde eben nicht spürbar abnehmen. Er werde vielleicht grüner aus schadstoffärmer. "Aber es wird nicht weniger Autos geben."
Fahrzeugflotte halbieren
Die überwiegende Mehrheit sah dies anders. Natürlich müsse man sich auch dem Durchfahrtsverkehr annehmen. Man müsse aber auch Schwabachs gewaltige Fahrzeugflotte (derzeit rund 25000 Privat-Pkw) etwa halbieren. Die Interessierten im Markgrafensaal und ein paar Dutzend, die sich von zu Hause zuschalteten, träumten von einer weitgehend autofreien Innenstadt, von vielen Car-Sharing- und E-Bike-Sharing-Angeboten, von Tempo 30 in ganz Schwabach.
Sie sahen Busse und Lkw, die in erster Linie mit Wasserstoff angetrieben werden, und ganze Batterien von Stromtankstellen an der Peripherie. Dort könnten nicht nur die Leute von außerhalb ihre E-Autos abstellen und aufladen, um in der beruhigten Innenstadt entspannt einzukaufen. Auch die Schwabacher selbst müssten viel mehr als jetzt ihre Autos aus der Stadt heraushalten.
Die Rest-Parkplätze könnten ruhig teuer werden, die Einnahmen sollte man in die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs stecken. Dessen Netz müsste viel dichter geknüpft werden. Weiter als 200 Meter sollte niemand von seiner Wohnung oder seinem Haus bis zur nächsten Bushaltestelle laufen müssen. Und der Takt sollte höchstens 20 Minuten betragen.
Für rund einen Euro pro Tag
Ob der ÖPNV umsonst oder wenigstens viel billiger sein müsse, um entsprechend attraktiv zu sein? Natürlich, 2040 müsse das so sein, so eine der Visionen. Allerdings kann man auch jetzt, zumindest wenn man sich nur in Schwabach bewegt, den Bus für einen Euro pro Tag nutzen - mit dem entsprechenden Abo (und wenn man auf die morgendlichen Stoßzeiten verzichten kann). Den Bus sollte die sechsjährige Erstklässlerin genauso problemlos nutzen können wie der 85-jährige Urgroßvater mit dem Rollator.
Wer motorisierten Individualverkehr aus der Innenstadt verbanne und dort die Zahl der (oberirdischen) Pkw-Parkplätze radikal reduziere, der gewinne Platz für gut angelegte und attraktive Geh- und Radwege. Der trage entscheidend bei, dass sich die Bewohner der Innenstadt in ihrer Umgebung wieder richtig wohl fühlen.
Und dann: Der Realitätscheck
Ob das Wunschprogramm den "Realitätscheck" besteht, wie es Wolfgang Janowiak als Vertreter der Schwabacher Wirtschaftsverbände formulierte, das steht auf einem anderen Blatt. Janowiak warnte davor, zu viel mit Verboten zu agieren. Vielmehr müsse man die Angebote verbessern. Andere widersprachen. Es sei unumgänglich, Verkehr zu verlagern, zu vermeiden und zu verbessern", sagte zum Beispiel Birgit Raab, die Vertreterin des Umweltverbands und alternativen Verkehrsclubs VCD. Und: "Wir müssen uns verändern."
Wie dieses Verändern aussehen soll, hatte vor einigen Wochen schon der Verkehrsexperte Robert Follmer in einem Impulsvortrag vorgestellt. Derzeit ist Schwabachs Verkehr so aufgestellt: 65 Prozent Pkw/Motorräder, 17 Prozent Fußgänger, 9 Prozent Bus/Bahn und 9 Prozent Fahrradfahrer. In 20 Jahren sollen die vier Kuchenstücke aber ungefähr gleich groß sein: 35 Prozent Pkw/Motorrad, 25 Prozent Fußgänger, 20 Prozent ÖPNV und 20 Prozent Rad.
Möglichst schnell erste Projekte
Ob da der Wunsch Vater des Gedankens ist, wird man in den nächsten Jahren bis 2040 sehen. Eines machten Oberbürgermeister Peter Reiß und Stadtbaurat Ricus Kerkhoff deutlich. Beim Mobilitätsplan 2040 gehe es nicht darum, über Jahre hinweg zu planen, um 2040 dann in die Umsetzung zu gehen. Vielmehr werde der Plan schon im Jahr 2023 fertig sein. Danach wird gewissermaßen abgearbeitet.
Das Jahr 2040 sei dabei eher als Zeithorizont zu verstehen, den man sich noch vorstellen könne. "Ähnlich einem Flächennutzungsplan", verglich Moderator Donhauser. "Das ist auch eine Basis für eine Langfrist-Strategie."
Donhauser machte auch noch einmal deutlich, wie revolutionär der Ansatz der Stadt beim Mobilitätsplan ist. "Früher hat man bei solchen Dingen einen Plan gemacht. Dann hat man die Öffentlichkeit beteiligt. Und dann hat man den Plan mit minimalen Abweichungen beschlossen." Diesmal seien die Bürger von Anfang an mit im Boot. "Wir sammeln ihre Ideen", so Donhauser, "schnüren sie zu einem Paket, übergeben sie den Verkehrsplanern und sagen: Mach mal was draus."
Den Verkehr am Laufen halten
Alles, was dieser Planer dann draus macht, muss zu den Zielen passen, die Stadt und Bürger schon formuliert haben: Schwabach als attraktive Wohnstadt sichern, (Verkehrs-)Lärm reduzieren, motorisierten Individualverkehr reduzieren, aber nicht mit Macht klein halten. Und: "Ziel ist es schon auch, den Verkehr am Laufen zu halten", so Lydia Kartmann, die Leiterin des Amts für Stadtplanung.
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