Vor 100 Jahren: So entstand die Idee vom Frankenschnellweg

Elke Graßer-Reitzner

Lokalredaktion Nürnberg und Rechercheteam

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30.4.2021, 05:54 Uhr
Im Juli 1962 wird die neue Jansenbrücke im Nürnberg, die bis dahin Maximiliansbrücke hieß, feierlich eingeweiht. Sie überspannt den neuen Frankenschnellweg, der im Bett des alten Ludwig-Donau-Main-Kanals entstanden ist, und erinnert an den Berliner Stadtplaner, der die Verkehrsader konzipiert hatte. Die Nürnberger bestaunen in Scharen das Werk. Foto: Friedl Ulrich

© Foto: Friedl Ulrich Im Juli 1962 wird die neue Jansenbrücke im Nürnberg, die bis dahin Maximiliansbrücke hieß, feierlich eingeweiht. Sie überspannt den neuen Frankenschnellweg, der im Bett des alten Ludwig-Donau-Main-Kanals entstanden ist, und erinnert an den Berliner Stadtplaner, der die Verkehrsader konzipiert hatte. Die Nürnberger bestaunen in Scharen das Werk. Foto: Friedl Ulrich

Es klingt kurios, doch wenn man verstehen will, warum eine Autobahn mitten durchs Nürnberger Stadtgebiet schneidet und heute täglich für Staus sorgt, muss man den Blick zunächst auf die Metropole Berlin zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts richten. Dort hatte sich der Architekt und Stadtplaner Hermann Jansen, 1869 in Aachen geboren, niedergelassen.1903 wurde er zum Herausgeber der jungen Architektur-Zeitschrift "Der Baumeister" berufen.

Im Jahr 1910 gewann Jansen einen ersten Preis bei einem über Deutschland hinaus beachteten Wettbewerb, der von der Stadt Berlin und den umliegenden, noch selbstständigen Gemeinden ausgelobt worden war: Es ging um den "Grundplan zur Bebauung Groß-Berlins". Richtungsweisende Vorschläge für die Entwicklung der pulsierenden Hauptstadt des Kaiserreichs von einer Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt zu einer Zehn-Millionen-Metropole waren gefragt.

Karriere als Wissenschaftler

Jansen setzte mit seinem städtebaulichen Entwurf Maßstäbe, denn er enthielt Vorschläge für die Ansiedlung der Bewohner, die Schaffung von Verkehrsverbindungen durch kreuzungsfreie Hauptverkehrsstraßen und zusammenhängende Grünflächen statt der bis dahin üblichen Schmuckplätze.

1918 begann Hermann Jansen seine Karriere als Wissenschaftler, er wurde zum Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste Berlin berufen. Zwei Jahre später erhielt er eine außerordentliche Professor für Städtebaukunst an der TH Charlottenburg, ehe er später an die Uni Berlin wechselte.

Im Juli 1963 meldete die Nürnberger Nachrichten mit diesem Bild: "Ein Teil der Brücke, von der die Fürther Straße bei Doos über die Schnellstraße geführt wird, ist bereits fertig. Jetzt muss die Straßenbahn auf dieses Stück verlegt werden, damit weitergebaut werden kann. Allein diese "Zwischenlösung" kostet schon 71.000 Mark.

Im Juli 1963 meldete die Nürnberger Nachrichten mit diesem Bild: "Ein Teil der Brücke, von der die Fürther Straße bei Doos über die Schnellstraße geführt wird, ist bereits fertig. Jetzt muss die Straßenbahn auf dieses Stück verlegt werden, damit weitergebaut werden kann. Allein diese "Zwischenlösung" kostet schon 71.000 Mark. © Gertrud Gerardi

Rasch hallte sein Ruf durch ganz Europa. Ob in Schwerin, Schweidnitz, Wiesbaden, Köln, Riga oder Bergen, Jansen war als Architekt von Gesamt- oder Teilbebauungsplänen gefragt. Auch die Städte Nürnberg, Fürth und Bamberg engagierten ihn.

1921 gestaltete er im Auftrag der Stadt die erste städtebauliche Gesamtplanung für die langfristige Entwicklung Nürnbergs. 700.000 Einwohner sollten einmal hier leben. Zum Vergleich: Nürnberg zählt heute eine gute halbe Million Bewohner.

"Jansenplan" sah Schnellstraße vor

Der Professor gliederte in seinem "Jansenplan" Flächen für Wohnen, für Erholung und Freizeit, er platzierte weitsichtig einen Industrie- und Handelshafen und er schuf Verkehrsbänder, um all die neuen Areale anzubinden. Darin enthalten war auch eine Schnellstraße auf der Trasse des Ludwig-Donau-Main-Kanals. Sie ist heute als Teil der Autobahn A 73 unter dem Namen „Frankenschnellweg“ bekannt.

So verwirrend sah der Frankenschnellweg in der Bauphase im März 1961 aus: Die „Elefantenfüße“ in der Bildmitte sind die Träger der heutigen Jansenbrücke. Foto: Gertrud Gerardi

So verwirrend sah der Frankenschnellweg in der Bauphase im März 1961 aus: Die „Elefantenfüße“ in der Bildmitte sind die Träger der heutigen Jansenbrücke. Foto: Gertrud Gerardi © Foto: Gertrud Gerardi

In Jansens Straßennetz aus den Goldenen Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts sind bereits die Grundzüge des heutigen Rings abzulesen, der erst 1993 vollends durchgebaut wurde. Dazu fertigte der Professor auch einen Bericht, der die Nutzung der Flächen erklärte.


Wird der Frankenschnellweg zur Flaniermeile?


"Obwohl es nie zu einer Veröffentlichung des Berichtes gekommen ist, bildete er zusammen mit dem Jansenplan Jahrzehnte lang die Grundlage für die Bauleitplanung der Stadt Nürnberg", notiert Michael Diefenbacher, bis zum vergangenen Sommer Chef des Nürnberger Stadtarchivs .

1965 nahm die Kreuzung des neuen Frankenschnellwegs an der Fürther Stadtgrenze langsam Konturen an.

1965 nahm die Kreuzung des neuen Frankenschnellwegs an der Fürther Stadtgrenze langsam Konturen an. © Friedl Ulrich

Ingrid Burgstaller, Professorin für Städtebau und Stadtplanung an der TH Nürnberg, die mit ihren Studenten immer wieder zum Thema Frankenschnellweg forscht, betont, dass Jansen die Straße im Flussbett tiefer legen ließ. Er wollte die vorhandenen Flächen des Alten Kanals nutzen, um nicht die neuen Quartiere zu belasten. Jedoch zerschnitt die Trasse wichtige Stadtstrukturen.

Erst nach dem Krieg, in den 1950ern, wurden die Planungen für einen Schnellweg konkreter, 1959 wurde mit dem Bau begonnen. Im Westen führte man die Route parallel zum bestehenden Bahndamm, die Verkehrsplaner der Nachkriegszeit wollten die Verkehrsadern - nach dem Vorbild Jansens - ebenfalls bündeln.

Vor 100 Jahren: So entstand die Idee vom Frankenschnellweg

© Foto: Nürnberg-Fürther Stadtkanal e.V.

1976 stoppte der Stadtrat erst einmal den neuerlichen Ausbau des Frankenschnellwegs mit der Begründung, man dürfe nicht noch mehr Verkehr anlocken. "Da sich dieses Argument jedoch als Trugschluss erwies, begann man in den 1990er Jahren unter Oberbürgermeister Ludwig Scholz, die Planungen für den kreuzungsfreien Ausbau wieder aufzunehmen", heißt es beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR), eine Tochter der Stadt, die für den Straßenbau zuständig ist.

2003 kam der Tunnel ins Spiel

1997 gab man ein Gutachten in Auftrag, das die Auswirkungen eines höhenfreien Ausbaus untersuchen sollte, 2002 dann wurden Verkehrsbefragungen durchgeführt. Im Jahr 2003 kam erstmals die Tunnelvariante ins Spiel, um die Schnellstraße kreuzungsfrei zu gestalten. Es dauerte bis ins Jahr 2009, bis die Planfeststellungsunterlagen auf den Weg gebracht wurden.


Kommentar: Die Straße ist eine Zumutung


Die Stadt plant nach wie vor, den Frankenschnellweg für rund 660 Millionen Euro umzubauen, nach Abzug der zugesagten Fördermittel muss die Kommune rund 135 Millionen davon selbst tragen. Auf dem "Grünen Deckel" des Tunnels sollen frühestens in 12 Jahren einmal Sträucher und Büsche blühen. Die genauen Kosten für diese Anlage sind noch offen.

Derzeit brausen rund 60.000 Fahrzeuge täglich über den Frankenschnellweg. Nach dem Ausbau rechnet SÖR mit 70.000 Fahrzeugen pro Tag. Viele davon werden über die Jansenbrücke in die Innenstadt abbiegen. Dem Stadtplaner hat man in den 1960er Jahren mit dem Bau der Brücke ein Denkmal gesetzt.

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