Weiter Horror-Wartezeiten beim Nürnberger Einwohnermeldeamt

Tobi Lang

Online-Redakteur

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7.2.2020, 15:55 Uhr
Weiter Horror-Wartezeiten beim Nürnberger Einwohnermeldeamt

© Roland Fengler

Einige der Menschen, die an einem Freitagmorgen im Nürnberger Einwohnermeldeamt warten, sind vorbereitet. Sie sitzen auf dem Boden, gelehnt an eine Wand, haben sich mit Kissen und Kaffee eingedeckt. Fast so, als ahnten sie, was sie erwartet. So schnell werden sie die Behörde in der Äußeren Laufer Gasse nicht verlassen. Es sind Neubürger, Menschen, die einen neuen Pass brauchen, ihren neuen Wohnort melden wollen. Behördliches Alltagsgeschäft. In Nürnberg muss man dafür aber zwei Stunden und mehr einplanen, denn: Seit Jahren sind die Wartezeiten extrem.

Das Problem ist bekannt bei den Verantwortlichen der Stadt, verbessert hat sich in den vergangenen Monaten aber wenig. Nur die Anzeige mit der sogenannten "mittleren Wartezeit", einem Durchschnittswert, ist verschwunden. Fast immer zeigte die eine dreistellige Minutenzahl an. Kalkül? Nein, sagt der Leiter des Einwohnermeldeamtes, Olaf Kuch. "Sie wurde vorläufig wegen des Umbaus abmontiert und soll durch ein besseres System ersetzt werden." Zu häufig habe die Tafel unrealistische Zeiten angezeigt, etwa wenn weitere Schalter geöffnet wurden. "Dann haben Leute ihren Slot verpasst." 

Einwohnermeldeamt sucht dringend nach Kräften

Angst ihren Slot zu verpassen haben aber die wenigsten, die im Einwohnermeldeamt warten. Sie sind genervt, bis zu drei Stunden müssen sie überbrücken. Einige gehen Einkaufen, machen Erledigungen, wieder andere sitzen Minute um Minute in dem eher tristen Saal ab, der derzeit umstrukturiert wird. Mit dem Umbau soll die Behörde barrierefrei werden, auch weitere Lärm- und Sichtschutzwände sind geplant. Das werde die Arbeit für die Menschen vor Ort leichter machen, den Job attraktiver. 


Nürnberger verärgert: Einwohneramt sperrte einfach früher zu


Das ist bitter notwendig. Das Einwohnermeldeamt sucht dringend nach neuen Kräften, viele scheuen sich vor dem stundenlangen direkten Dienst am Bürger. Deshalb bleiben häufig einige der insgesamt 28 Schalter geschlossen, was die Wartezeit weiter erhöht. "Die Stadt hat zwar Stellen geschaffen", sagt Dienststellenleiter Kuch, "die können wir aufgrund des Fachkräftemangels aber nicht besetzen." Man versuche Personal außerhalb des Verwaltungsfaches zu finden und diese umzuschulen. "Aber die Qualifizierung dauert." 

"Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt"

Gut 1300 Menschen strömen Tag für Tag ins Einwohnermeldeamt, schätzt Kuch, dazu kommen jede Menge Online-Anträge. Die Verwaltung wird immer digitaler, auch das soll Wartezeit verhindern, die Arbeit für die Beamten aber bleibt. "Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt", sagt Kuch - und verweist auf das gesteigerte Pensum. Mehr als 536.000 Menschen leben heute im Stadtgebiet, vor 20 Jahren waren es noch deutlich unter einer halben Million. Das bedeutet mehr Aufwand. 

 

 

 

"Auch der große Zuzug aus dem Ausland ist ein Faktor, die Sprachbarrieren verlängern die Prozedur häufig." Immer wieder gibt es Diskussionen um die Schreibweise von Namen, oft sorgt nur ein Buchstabe für Verwirrung. Mit Händen und Füßen versuchen sich die Mitarbeiter zu erklären. Das kostet Zeit. 

"Eine ideale Uhrzeit gibt es nicht" 

Der Umbau, der seit einigen Monaten läuft, verschärft die Lage zusätzlich. Viele Räumlichkeiten können derzeit nicht genutzt werden, erklärt Kuch. "Zum Beispiel der Expressschalter, der für kleinere Amtsgänge gedacht ist." 

Die Nürnberger Behörde ist kein Einzelfall. Beinahe alle deutschen Einwohnermeldeämter ächzen unter dem gesteigerten Pensum. Das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat ebenfalls mit Pannen und immensen Wartezeiten zu kämpfen. Deshalb setzt die Landeshauptstadt jetzt auf ein striktes Terminvergabesystem, spontane Amtsgänge sind nicht mehr möglich. Gelöst, sagen Kritiker, hat das nichts. Zwar sind die stundenlangen Wartezeiten passé, neue Termine gibt es aber teils erst mit Wochen Vorlauf. 

Extreme Wartezeiten: Neues Bürgeramt soll helfen

Abschätzen lässt sich die Wartezeit in Nürnberg nie, weder für Bürger noch für die Mitarbeiter. "Eine ideale Uhrzeit gibt es nicht", sagt Kuch, der aber auch dazu rät, den Monatsanfang, die Mittagszeit und Brückentage für Amtsgänge zu vermeiden. Vorerst, das zeichnet sich ab, müssen sich die Nürnberger wohl mit der Situation abfinden. Und sich vorbereiten, mit Kissen, Kaffee und jeder Menge Geduld. 

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