Hier ging Nürnberg tanzen und feiern

Wo der Gast noch wahrlich König war: Auf den Spuren des Café Königshof am Tor zur Altstadt

Sebastian Gulden

21.2.2023, 11:01 Uhr
Das Café Königshof beim Königstor in einer Aufnahme von 1950. Beim Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise wenig beschädigten Königshofs ging man so behutsam vor, dass man ihm die Eingriffe kaum ansah.   

© unbekannt, Sammlung Sebastian Gulden Das Café Königshof beim Königstor in einer Aufnahme von 1950. Beim Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise wenig beschädigten Königshofs ging man so behutsam vor, dass man ihm die Eingriffe kaum ansah.   

Wenn aus einer Stadt eine Großstadt wird, fallen in der Regel Späne. Altes macht Neuem Platz. Kleinteilige Strukturen weichen größeren, Kommerz verdrängt Tante Emma. So war es auch in der Nürnberger Königstraße, die sich Ende des 19. Jahrhunderts zur Hotel- und Fressmeile der Noris schlechthin entwickelte.

Die Wirtshäuser "Zum grünen Weinstock" und "Zum goldenen Bären" (Königstraße 83 und 85) mit ihren typischen traufständigen Satteldächern mit Zwerchhaus und Fachwerk-Aufzugserker standen damals schon seit Jahrhunderten. Allein, die malerische Architektur genügte den Ansprüchen ihres Eigentümers Fritz Ruder 1911 nicht mehr. Ihm schwebte Höheres vor: ein großstädtisches Hotel mit mondänem Kaffeehaus.

Seit 1984 steht mit dem Büro- und Geschäftshaus "Quartier am Königstor" verspielte Architektur des 1980er Jahre an Stelle des beliebten Kaffeehauses.

Seit 1984 steht mit dem Büro- und Geschäftshaus "Quartier am Königstor" verspielte Architektur des 1980er Jahre an Stelle des beliebten Kaffeehauses. © Sebastian Gulden

Dessen Namen musste Ruder mehrmals ändern: Den "Deutschen Hof" schnappte ihm 1913 ein Konkurrent weg, und das anglophile "Café Westminster" drohte 1914 kriegsbedingt die Kundschaft mehr zu verschrecken als anzuziehen. So landete man bei der Vollendung des Neubaus 1915, dem Namen von Straße und Stadttor folgend, beim "Königshof", gerade noch rechtzeitig, bevor der Hunger des Ersten Weltkriegs nach Mensch und Material das Bauen im Reich zum Erliegen brachte.

Bitte keine Lebkuchenromantik mehr

Man konnte Bauherr und Architekt Hans Ebert vieles vorwerfen, sicher jedoch nicht, sich bei der Planung um eine "ortsgebundene Bauweise" zu scheren: Der viergeschossige Neubau mit Arkaden im Erdgeschoss und bekrönenden Schweifgiebeln erhielt wohl eine Straßenfassade aus Sandstein; die Formgebung aber entsprach der damals populären Reformarchitektur, die Elemente historischer Stile (hier des Barock und des Klassizismus) aufgriff, sie abstrahierte und verfremdete.

Franz Baumann mimt auf einer Sitzung der Karnevalsgesellschaft Nürnberger Trichter 1950 den Faschingsmuffel, dem mit dem Trichter der Faschingsgeist eingetrichtert wird. Anschließend spuckte er sogar einen Sprutz Wasser, den er vorher heimlich in den Mund genommen hatte.

Franz Baumann mimt auf einer Sitzung der Karnevalsgesellschaft Nürnberger Trichter 1950 den Faschingsmuffel, dem mit dem Trichter der Faschingsgeist eingetrichtert wird. Anschließend spuckte er sogar einen Sprutz Wasser, den er vorher heimlich in den Mund genommen hatte. © unbekannt, Sammlung Franz Baumann

So kam der Königshof ähnlich selbstbewusst daher wie in den 1870er Jahren die ersten neuen Konsumtempel und Hotels, die ganz viel Kosmopolitentum, aber bitte keine Lebkuchenromantik ins Herz der Stadt holen wollten. Immerhin, von den beiden Vorgängerhäusern übernahm man den malerischen Versprung in der Baulinie. Im Zweiten Weltkrieg brannten Dach und obere Etagen des Königshofs aus, der Bau blieb aber ansonsten intakt.

Otto Ebert, Sohn des mittlerweile verstorbenen ersten Architekten, plante 1946 den Wiederaufbau. Die Neugestaltung des Kaffeehauses übernahm 1948 sein Kollege Baptist Schlicht. Dessen Raumschöpfung, noch dem neoklassizistischen "Dampferstil" der 1930er Jahre verhaftet, bot fortan den Rahmen für einen der beliebtesten Veranstaltungsorte der frühen Nachkriegsjahre in Nürnberg.

Moderate Getränkepreise

Franz Baumann, Jahrgang 1931, hat den Königshof jener Zeit in lebhafter Erinnerung, fanden dort doch jeden Montag die Sitzungen seiner Karnevalsgesellschaft "Nürnberger Trichter" mit Büttenreden und Tanz statt. Hier lernte er 1950 auch seine spätere Ehefrau kennen. In einer Zeit, in der viele Nürnbergerinnen und Nürnberger mit gerade einmal 150 bis 200 Mark Monatsgehalt auskommen mussten, war der Königshof einer der wenigen Vergnügungstempel, die man sich als Normalbürger leisten konnte. Im selben Jahr eröffnete der Erlanger Kinobetreiber Fritz Lottes in einem Anbau das von Ludwig Amann geplante Lichtspielhaus "Regina Palast".

Undatierte Postkarte mit dem Café Königshof. Schon bald nach dem Krieg lud der renovierte Gastraum des Königshofs wieder zu Kaffee und Tanz ein. Die Ausstattung im "Dampferstil" war typisch für die Zeit.  

Undatierte Postkarte mit dem Café Königshof. Schon bald nach dem Krieg lud der renovierte Gastraum des Königshofs wieder zu Kaffee und Tanz ein. Die Ausstattung im "Dampferstil" war typisch für die Zeit.   © Ansichtskarte Albert Kohler (Geschenk von Ursula und Otto Sokoll)

Doch schon 1954 waren die Zeiten des Tanzcafés vorüber, als die Firma Heka im umgebauten Erdgeschoss ein Kaufhaus für Mode und Textilien einrichtete. Auch der "Regina Palast", der zuletzt vor allem fremdsprachige Filme für Gastarbeiter gezeigt hatte, musste 1975 seine Pforten für immer schließen. Im selben Jahr legte das Architekturbüro Kappler-Nützel Pläne für ein neues Büro- und Geschäftshaus vor. Dafür sollten nicht nur der Königshof, sondern auch die beiden Nachkriegs-Behelfsbauten auf den Nachbargrundstücken Königstraße 85 und 87 ("Radio Pruy" und "Bratwurstbärle") weichen.

Hausbesetzer konnten Neubau nicht verhindern

Der erste Entwurf fiel beim Baukunstbeirat durch. Erst 1982, als die Grundstücke in den Besitz der Allianz Lebensversicherungs-AG übergegangen waren, legte das Planerteam eine neue Gestaltung vor. Auch die blieb nicht ohne Widerspruch, kam aber 1983 bis 1984 zur Ausführung. Eine kurzzeitige Besetzung des Hauses konnte daran nichts ändern.

Zuvor hatte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege eine Aufnahme des Königshofs in die Denkmalliste abgelehnt: Zu diesem Zeitpunkt war die vornehme Fassade gegen die Königstraße schon ramponiert, hatte man es doch Mitte der 1950er Jahre für nötig befunden, die malerischen Giebel zu begradigen und die Arkaden im Erdgeschoss durch eine moderne Schaufensteranlage zu ersetzen.

Die 80er Jahre, gar nicht so übel

Auch der Architektur der 1980er Jahre kann man vieles vorwerfen, gewiss aber nicht Sparsamkeit an verspielten Details. So auch am so genannten "Quartier am Königstor": Versprünge in der Fassade, wechselnde Dachhöhen und -formen, unterschiedliche Natursteinverkleidungen (hier Basalt und Sandstein) sowie vorkragende Erkerbänder und Gauben aus brüniertem Kupferblech sollen typische Elemente der historisch gewachsenen Bebauung rundum zitieren. Nach knapp 70 Jahren hat am Königstor wieder einmal Altes Neuem Platz gemacht, sind kleinteilige Strukturen größeren gewichen.

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