Fall 37 von "Freude für alle"
Zehnjähriger Autist aus Nürnberg spricht bis heute kein Wort - die Mutter ist schwer krank
21.12.2024, 17:00 Uhr"Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann schreit er laut oder schlägt gegen die Wände", sagt die für Nadira A. (alle Namen geändert) zuständige Familienhelferin der Awo. Gemeint ist der ältere Sohn der 43-jährigen Mutter. "Am allerliebsten zerreißt er Plastiktüten und wirft die Fetzen in die Luft." Wenigstens dann findet er Ruhe.
Der Junge heißt Sami (alle Namen geändert), ist zehn Jahre alt und spricht bis heute kein Wort. Freundinnen und Freunde hat er nicht. Ihm fällt es schwer, sich auf Menschen zu fokussieren - selbst auf seine Mutter. "Er ist nicht so wie die anderen Kinder", sagt A., übersetzt von der Familienhelferin.
Vor einigen Jahren kam Nadira A. mit Sami im Bauch von Tunesien nach Deutschland. Zunächst war sie in Chemnitz untergebracht. Dort wurde ihrem Sohn Sami frühkindlicher Autismus und eine Intelligenzminderung diagnostiziert.
Der Vater wollte mit seinem Sohn nichts mehr zu tun haben, als er davon erfuhr. Die Mutter wiederum versuchte, eine Autismustherapie zu bekommen. Doch man sagte ihr, dass dies erst ab einem Alter von fünf Jahren sinnvoll sei.
Therapie nach drei Sitzungen abgebrochen
A. zog mit Sami nach Nürnberg, wegen besserer Behandlungsmöglichkeiten. Dann die Ernüchterung: Alle Plätze in einer darauf spezialisierten Einrichtung waren voll. Nach jahrelangem Warten kam Sami in diesem Jahr an die Reihe. Aber nach nur drei Sitzungen wurde die Therapie abgebrochen. Es habe geheißen, dass er in diesem Setting nicht behandelt werden könne, sagt die Familienhelferin - eine für sie nicht nachvollziehbare Begründung.
Sami steht also erneut ohne Therapie da. Er besucht die vierte Klasse einer Förderschule mitsamt einer Tagesstätte. Immerhin: Ab 2025 soll er dort eine Logo- und Ergotherapie bekommen.
Es gäbe auch eine Spezialschule für autistische Kinder. Aber dieser Zug ist für Sami wohl abgefahren. Alle drei Jahre startet dort eine erste Klasse - er ist im "falschen" Jahr geboren und spätere Wechsel sind nicht vorgesehen. Als letzte Option bliebe der Mutter, den Jungen in ein Heim zu geben. "Aber das kann sie sich überhaupt nicht vorstellen", sagt die Familienhelferin, "das bringt sie nicht übers Herz".
Die Mutter blutete aus Mund und Nase
Hinzu kommt, dass Nadira A. schwer erkrankt ist. Sie hat einen Tumor in der Gebärmutter und hätte in diesem Jahr operiert werden sollen. Doch zunächst war kein Platz frei und als endlich doch, war ihr Thrombozytenwert viel zu niedrig. Jetzt befindet sie sich in einer Behandlung mit dem Ziel, ihre Blutgerinnung wiederherzustellen. Zahlreiche Ergüsse an ihren Unterarmen zeugen von dem Problem. "Wenn sie sich verletzt, würde sie quasi verbluten", sagt die Familienhelferin. Kürzlich sei die Mutter ins Krankenhaus eingeliefert worden, weil sie aus Mund und Nase geblutet habe. Als wäre das nicht genug, hat A. außerdem eine systemische Autoimmunerkrankung namens Lupus Erythematodes. Sie ist unheilbar, kann aber mit Medikamenten in Zaum gehalten werden.
A. ist wegen ihrer Krankheiten dauermüde, hinzu kommen Schwindelanfälle. Auch ihr Rücken schmerzt. In Tunesien habe sie jahrelang in Restaurants gearbeitet. Das würde sie gerne wieder. Aber alle Versuche in diese Richtung scheiterten bislang an der intensiven Betreuung, die die Alleinerziehende für ihren Sami leistet. Nur ein Beispiel: Regelmäßig muss sie ihren Sohn kurzfristig mit den Öffentlichen aus der Förderschule abholen, weil Personal erkrankt ist und es niemanden gibt, der einspringen kann. Die Familienhilfe schätzt, dass Sami de facto nur die Hälfte der Zeit zur Schule oder Tagesstätte gehen kann.
Der jüngere, fünf Jahre alte Sohn besucht aktuell eine schulvorbereitende Einrichtung. Er hat einen Entwicklungsrückstand, könnte es aber auf die Regelschule schaffen. Auch dessen Vater will von seinem Sohn nichts mehr wissen.
Waschmaschine und Kindersicherungen an den Schränken
Die Alleinerziehende Nadira A. ist dankbar, inzwischen in Nürnberg zu leben. In Chemnitz habe sie mit ihrem auffälligen Kind viel Rassismus erfahren. Hier sei es um Welten besser, wie sie betont. Neben der Awo-Familienhilfe erhält die Mutter vom Sozialdienst des Jugendamtes Unterstützung, dessen Mitarbeiterin einen Unterstützungsantrag an "Freude für alle" gestellt hat.
Die Weihnachtsaktion ruft heute zu Spenden für Nadira A. und ihre Söhne auf und dankt allen, die etwas geben. Ihr Bürgergeld reicht nicht aus, um eine neue Waschmaschine, aber auch dringend benötigte Kindersicherungen für sämtliche Schränke zu kaufen. Denn eine weitere Eigenschaft von Sami ist es, überall nach Essen zu suchen. Mit seinen 61 Kilo ist er übergewichtig, was auch für seine Helfer an der Schule eine Herausforderung ist, sobald er sich wieder auf den Boden wirft und schreit.
So können Sie spenden
Die Spendenaktion „Freude für alle“ des Verlags Nürnberger Presse (VNP) unterstützt seit über 50 Jahren bedürftige Alleinstehende und Familien in unserer Region. Dafür stellen wir in der Vorweihnachtszeit beispielhafte Einzelschicksale vor. Helfen auch Sie mit einer Spende!
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Spendenquittungen stellen wir ab 300 Euro aus, bitte hierfür die vollständige Adresse hinterlassen.
Möchten Sie gezielt für ein in der Vorweihnachtszeit vorgestelltes Einzelschicksal sowie vergleichbare Fälle spenden, nennen Sie bitte im Verwendungszweck die entsprechende Fallnummer.
Wenn Sie im Überweisungszweck das Stichwort "Veröffentlichung" angeben, werden wir Ihren Namen, Ihren Wohnort und die Spendensumme in den gedruckten Zeitungen und E-Paper-Ausgaben des VNP veröffentlichen. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO für diese Veröffentlichung für die Zukunft zu widerrufen.
Weitere Informationen zum Datenschutz und Antworten auf häufige Fragen zu unserer Weihnachtsaktion „Freude für alle“ finden Sie unter www.vnp.de/ffa
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