Zweiter Lockdown trifft die Gastronomie hart: "Wir brauchen endlich Perspektive"
20.1.2021, 14:56 UhrDie meisten hatten gewissenhaft Hygienekonzepte erarbeitet, manche umgebaut, Geld in die Hand genommen, um weiter arbeiten zu dürfen. Am Ende half es dennoch nichts. Seit November dürfen Gastronomen keine Gäste mehr bei sich bewirten - und das vorerst bis Mitte Februar.
Es ist der 2. Lockdown, der eine ganze Branche, zu der neben Restaurants auch Cafes, Bars und Clubs gehören, besonders hart trifft. Das wiegt umso schwerer, da die Gastronomen seit langem auf ihr Geld aus der zugesagten Novemberhilfe warten müssen. "Wir ersticken unter unserer Bürokratielast", sagt Thomas Förster. Drei verschiedene Software-Programme - von der Antragsstellung bis zur Auszahlung - würden dafür sorgen, dass das Prozedere viel zu lange dauere, so der 1. Vizepräsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bayern) und Inhaber des Nürnberger "Bratwurst Röslein".
Warten auf Hilfe
Das bedeutet: Viele gastbetrieblichen Gewerbe – ob nun Gastronomen oder Hoteliers – warten bis heute auf das dringend notwendige Geld. "Von den am 28. Oktober zugesagten Novemberhilfen sind bei den Betrieben bisher nur Abschlagszahlungen angekommen", wie man beim DEHOGA-Bundesverband erst vergangene Woche klagte. "Die Stimmung ist total am Boden", wie es Förster formuliert. "Es fließen kaum Gelder, zum anderen aber auch, weil das eine Herzblutbranche ist", wie er es formuliert.
Coronahilfen: Bekommt die Gastronomie zu viel Geld?
Die massiven Beschränkungen zeigen längst Wirkung. So zeigt eine Umfrage des DEHOGA-Bundesverbandes zur wirtschaftlichen Lage im Gastgewerbe aus dem Januar, dass 75,5 Prozent der Gastronomen und Hoteliers um ihre Existenz fürchten. Jeder vierte Unternehmer zieht demnach konkret die Betriebsaufgabe in Erwägung. An der Umfrage hatte 12000 Betriebe teilgenommen.
Ungeachtet dessen müssen die Gastronomen auch so sehen, wie sie klar kommen. Wer kann, hat auf take away umgestellt, manche bieten zusätzlich einen eigenen Lieferservice an, einige hatten im November gleich geschlossen. "Auf dem Land ist die Nachfrage nach take away sehr schwach", wie Förster sagt. In der Stadt täten sich die Gastronomen leichter damit - vor allem solche, die ihren Fokus ohnehin auf Produkte, wie etwa Pizza und Burger, hätten.
Keine Touristen
Anders bei Thomas Förster. Er hat sein Restaurant seit November bis auf Weiteres geschlossen. Das "Bratwurst Röslein" ist nicht nur bei Nürnbergern beliebt, sondern als "größtes Bratwurstrestaurant der Welt" auch ein echter Magnet für Touristen. Doch die bleiben weg. Das Konzept rechnet sich unter diesen Umständen nicht. Lediglich der Online-Handel mit "Bratwurst-Röslein"-Produkten läuft weiter. Take away als Standbein sei für ihn keine Option, wie er sagt. "Ich habe ein fränkisches Wirtshaus. Ein Schäuferle lässt sich viel schwerer in der Schachtel verkaufen als eine Pizza." Selbst wenn er nun alles über einen externen Lieferdienst machen würde, der 30 Prozent vom Preis bekomme, müsste er 300 bis 500 Essensbestellungen haben, damit es sich rechnet. "Ich müsste also selbst liefern." Doch wegen der völlig unsicheren Prognosen hält auch er sich zurück, irgendetwas aufziehen.
Auch Diana Burkel vom "Würzhaus" in der Nordstadt spricht davon, dass gerade die Unsicherheit problematisch ist. "Ich würde mir wünschen, dass politische Entscheidungsträger den Mut haben, uns zu sagen, dass es bis 30. März so bleibt und nicht immer nur klare Ansagen für einen kurzen Zeitraum machen." Nur so hätten manche die Chance, sich andere Wege erarbeiten zu können.
Sie selbst hat nur noch an drei Tagen die Woche geöffnet, an denen die Gerichte abgeholt werden können. Nicht Pizza oder Burger. Ihr Restaurant zählt zur gehobenen Kategorie, doch take away funktioniert bei ihr dennoch. "Wir haben unser Angebot umgestellt und orientieren uns an unserer Mittagskarte. Dadurch erreichen wir auch ein breiteres Spektrum", wie sie sagt. Ein 6-Gänge-Menü in der Schachtel sei zudem aus ihrer Sicht auch schwer zu vermitteln. "Bei einem Cordon Bleu mit Kartoffel-Endivien-Kartoffelsalat muss man nichts erklären".
Servicekräfte in Not
Bleibt die Situation der Servicekräfte, die die Politik kaum im Fokus hat. "Ich habe im Dezember ganze 567,30 Euro an Gehalt überwiesen bekommen", sagt etwa Marc F. (Name geändert). Er arbeitet seit rund zehn Jahren als ungelernter Kellner in Vollzeit. Inzwischen wieder in Kurzarbeit. Auch sein Chef wartet auf die zugesagten Hilfen. "Er hat versprochen, die Gehälter dann auf 100 Prozent aufzustocken, doch dafür müssten ja erst einmal die ganzen Gelder fließen.
Verzweifelte Nürnberger Gastronomen: "Das kam wie der letzte K.O.-Schlag"
Es ist nicht nur die monatliche maue Bezahlung, wie der 36-Jährige sagt. "Das Trinkgeld war wie ein zweites Gehalt. Davon konnte ich in guten Zeiten leben." Er ist Single, hat keine Kinder, kein Auto und lebt in einer kleinen Wohnung. Doch Trinkgeld fällt seit Monaten weg. Seit November sitzt er wieder daheim. "Ich war schon im vergangenen Jahr während des Lockdowns von März bis Juli zuhause, weil ich zwischendurch auch noch den Job durch Corona verloren hatte." Gute vier Monate Zwangspause. "Das war finanziell aber noch alles okay Dank Resturlaub und Arbeitslosengeld für knapp zwei Monate." Seit Ende Juli hat er einen neuen Job, doch wegen des 2.Lockdowns geht ihm nun die Puste aus.
Keine Nebenjobs
Er ist kein Einzelfall. Auch Thomas Förster vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband spricht von vielen "schwierigen Schicksalen" unter den Servicekräften. "Die Mitarbeiter in Kurzarbeit, die nun einen Nebenjob bräuchten, finden im Moment ja gar keinen." Von all den Minijobbern oder Studenten ganz zu schweigen, die überhaupt keine Ansprüche hätten. Marc F. kommt trotz Kurzarbeitergeld nicht über die Runden. "Ohne die finanzielle Hilfe meiner Mutter oder von guten Freunden, die mir was leihen, wäre nach der Miete nichts mehr da."
Hier können Sie Ihre Meinung zur Corona-Krise kundtun oder sich mit anderen Usern zum Thema austauschen. Alle Artikel zu Corona haben wir zudem für Sie auf einer Themenseite gesammelt.
Auch bei Diana Burkel sind alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. Entlassen musste sie niemanden. "Die derzeitigen Umsätze sichern unsere Fixkosten." Die Löhne für das durch die Bank festangestellte und gelernte Personal werden bezahlt. Nur Rücklagen für nötige Reparaturen oder Neuanschaffungen zu bilden, ist in diesen Zeiten undenkbar. Trotz der unsicheren Lage jammert sie nicht. "Ich bin glücklich, dass ich in Deutschland bin, ich habe Freunde, die in anderen Teilen der Welt arbeiten. Für die gibt es keine Hilfen und kein Kurarbeitergeld, die kriegen gar nichts."
Thomas Förster wünscht sich unterdessen dass sich alle an einen Tisch setzen. "Wir alle haben die Notwendigkeit gesehen, schließen zu müssen", wie er betont. Aber der Punkt sei, dass die Politik bei Handel und Gastronomie ihren Fokus zu sehr auf den Lockdown setzt. "Wir brauchen endlich gute Alternativen und vor allem Perspektiven."