Im Altdorfer Geburtshaus gehen die Lichter aus
21.2.2014, 10:22 UhrSchon seit ein paar Jahren ist es ein heißes Thema, das nicht nur die betroffenen, freiberuflichen Geburtshelferinnen bewegt: die ständig steigenden Beiträge für die Haftpflichtversicherung in diesem Berufsstand. Vergleicht man, wie sich die Tarife im Laufe der vergangenen Jahre erhöht haben, so ist es ohnehin ein Wunder, dass es noch „außerklinisch geburtshilflich tätige Hebammen“ gibt, also solche, die nicht in einer Klinik fest angestellt sind, sondern die Gebärenden bei Hausgeburten oder in einem Geburtshaus unterstützen.
Auch in der Altdorfer Einrichtung unter der Leitung von Melanie Fuchs und Micha Tabor hat man schon lange befürchtet, dass sich das Haus bei solch horrenden Steigerungsraten bald nicht mehr betriebswirtschaftlich führen lässt. Als im Dezember vergangenen Jahres der Verband die Information herausgab, dass die Beiträge erneut zum Juli 2014 um 20 Prozent angehoben und im Jahr darauf ein weiteres Mal um den gleichen Prozentsatz steigen werden, musste man schweren Herzens die Segel streichen, erklärt Michaela Tabor, die bereits 2003 die Hebammenpraxis in der Bahnhofstraße und Ende 2008 das Geburtshaus in der Nürnberger Straße mit aus der Taufe hob.
Ende der Fahnenstange
Verfolgt man die Erhöhung der Prämien über die vergangenen Jahre, so könnte einem schwindlig werden: 1981 zahlten die Freiberuflichen noch umgerechnet sage und schreibe 30,68 Euro pro Jahr Hebammen-Berufshaftpflichtversicherung, um sich für diesen verantwortungsvollen und mit Risiken verbundenen Beruf abzusichern. 1992 waren es 178,95 Euro, fünf Jahre später bereits 1352,56 Euro, 2010 schon 3689 Euro und seit Juli 2012 sind es 4242,45 Euro.
Die neueste Erhöhung, die ab Juli dieses Jahres gelten würde, ließe den Beitrag auf deutlich über 5000 Euro schnellen, nächstes Jahr dann auf über 6000 Euro. Damit war für Melanie Fuchs, Leiterin des Hauses, das Ende der Fahnenstange erreicht, Michaela Tabor und die drei anderen Hebammen der Einrichtung, in der 30 bis 40 Geburten pro Jahr stattfinden, schlossen sich an, und schweren Herzens entschieden sie sich, die Geburtsabteilung mit den gemütlichen Räumlichkeiten inklusive Geburtswanne dichtzumachen.
Den rapiden Anstieg der Tarife erklären die Versicherer so: „Es gibt nicht mehr Schäden als früher, aber die Behandlungen nach Komplikationen werden immer vielfältiger, langwieriger und letztlich teuerer.“ Außerdem wird einfach mehr geklagt als früher, wenn etwas vermeintlich schief gelaufen ist, weiß Micha Tabor aus ihrer Berufspraxis, „und dann geht es schnell um Millionen." Da will eine Assekuranz natürlich nicht draufzahlen.
Die Nürnberger Versicherung hat wohl aus diesem Grund angekündigt, Vertreterinnen dieses Berufs zum 1. Juli 2015 zu kündigen. „Und die meisten Hebammen waren bei dieser Gesellschaft versichert“, erklärt Tabor, die sicher ist, dass die Konkurrenten dann nachziehen werden.
Abwanderung zu den Kliniken
Welche Perspektive sieht sie für sich und die Kolleginnen dieses traditionsreichen und schönen Berufs? Sie und ihre Altdorfer Mitarbeiterinnen werden zum einen die Praxis weiterbetreiben, aber eben ohne Geburten. Gleichzeitig werden sie neben der Hebammenpraxis, die sie in jahrelanger Zusammenarbeit mit dem Altdorfer Gynäkologen Dr. Wottgen führen, auch ab März in der Frauenarztpraxis Dr. Dresel/Leupold in Schwarzenbruck einsteigen, wo dann die üblichen Hebammen-Leistungen angeboten werden.
Andere Kolleginnen haben bald nur die Alternative, an eine Klinik zu wechseln, denn dort werden die Versicherungsgebühren der Hebammen vom Krankenhaus übernommen. In einer großen Entbindungsklinik mit teils mehreren Tausend Geburten pro Jahr fließt natürlich von den Krankenkassen ein stattliches Sümmchen in den Säckel der Einrichtung, so dass die Versicherungsprämien für das Personal von der Krankenhausverwaltung locker zu bezahlen sind.
Hier kann und konnte ein Geburtshaus noch nie mithalten. Denn bei der Betreuung Schwangerer ist stets ein 24-Stunden-Einsatz vonnöten, bei dem zwei Hebammen rund um die Uhr in Rufbereitschaft sind, egal ob es dann zu einer Entbindung kommt oder nicht. Alles Arbeitszeit, die in keiner Weise vergütet wird. Geld sehen die Frauen nur im Fall einer tatsächlichen Geburt, etwa 30 bis 40 mal im Jahr. Also ein Paradoxon: Aus Sicht der Krankenkassen kostet eine Entbindung im Geburtshaus viel weniger als im Krankenhaus, schon allein wegen der wegfallenden stationären Liegezeit. Unter dem Strich werden die Kostenträger bald mehr für Geburten zahlen müssen, wenn es keine Hebammen mehr gibt, die sich bei Hausgeburten oder in Geburtshäusern engagieren.
Was macht die Politik?
Ist der Niedergang der freiberuflichen Geburtshelferinnen also nicht mehr zu verhindern? Michaela Tabor ist skeptisch. „Das Einzige wäre eben eine deutliche Erhöhung der Vergütung für die Dienste der Hebammen“, schlägt sie vor, und weiß, dass hier die Politik gefragt wäre.
Denn schon bisher war es so, dass die laufenden Kosten des Geburtshauses – bei 180 Quadratmetern wird eine stattliche Miete verlangt – sich nur durch Kurse wie Geburtsvorbereitung, Schwangeren-Yoga, Nachbetreuung, Rückbildungsgymnastik tragen ließen. Um den außerklinisch geburtshilflich tätigen Hebammen das Überleben zu sichern, müssten die Kassen also ganz tief in die Taschen greifen, was einfach nicht zu erwarten ist.
Die zwölf Euro pro Geburt mehr, die kürzlich beschlossen wurden, sind nicht mehr als ein Feigenblatt, findet nicht nur Tabor. Sinnvoll wäre es aus ihrer Sicht, wenn sich Freiberufliche nicht pauschal pro Jahr versichern müssten, sondern nur dann, wenn sie eine Geburtsbetreuung übernehmen: „Das wäre fairer und würde zum Beispiel auch die Kolleginnen entlasten, die Hausgeburten machen“, schlägt Michaela Tabor vor. Indes weiß sie, dass solche Alternativen wenig Aussicht haben, realisiert zu werden.
In den Gebärzimmern der Praxis werden daher bald die Lichter ausgehen. Einige ihrer Schwangeren werden sie noch selbst bis zur Geburt betreuen können, wer bis zum Stichtag 1. Mai noch nicht entbunden hat, wird an die Geburtshäuser Lauf und Nürnberg verwiesen oder an eine der wenigen Hebammen, die noch Hausgeburten übernehmen.
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