Papp-Politiker und kein Publikum: So war die "Fastnacht in Franken"
5.2.2021, 23:25 UhrDer Pandemie geschuldet wurde die Kult-Faschingssendung des Fastnacht-Verband Franken zum ersten Mal nicht live ausgestrahlt, sondern als Aufzeichnung gesendet. Dort, wo sonst rund 700 Menschen die Mainfrankensäle mit Lachen und Klatschen füllen, saßen wegen der Hygieneregeln gerade Mal eine Handvoll Zuschauer, die ab und zu Politikergesichter auf Pappschildern hochhielten. "Bezahltes Mitklatsch-Material", wie der Altneihauser-Feierwehrkapell’n-Meister Norbert Neugirg gemein stichelte. Auch der Oberpfälzer musste ohne seine Mannschaft antreten.
Wie geht man mit der Situation um, dass nichts ist wie sonst? Offen, hatte der BR beschlossen und der eigentlichen Prunksitzung ein Vorspiel vorangesetzt, das die Situation quasi hinter den Kulissen zeigen soll. Michl Müller, der "Dreggsagg" aus der Rhön, fungierte als chaotischer Regisseur, der die Proben zur nachfolgenden Prunksitzung abhielt. Sämtliche Spaßmacher waren involviert.
Vom Erlanger Klaus Karl-Kraus als Hausmeister, der "immer der Depp ist", bis zu den Fastnachts-Rennern Volker Heißmann und Martin Rassau, die als Techniker das Deppen-Duo gaben: "Mir braung Lacher vom Band, damit die Leut wissen, dass da a Gag war", nahm Rassau das vorneweg, was dann auch folgen sollte. Gelächter und Applaus verstärkt vom Band, denn mit nur rund zehn realen Zuschauern lässt sich Stimmung halt schwer herstellen. Auch Musik und Tusch kamen aus der Konserve, denn Pavel Sandorf dirigierte in seiner Big Band diesmal nur Teddybären.
Breitseite gegen die Querdenker
Das vorgeschaltete 45-minütige Kammerspiel sollte alles unverstellt zeigen, ein guter Ansatz. Halb so lange hätte aber auch gereicht. Das hektische Hin und Her trug nicht und schien wie Zeitschinderei. Die eigentliche Prunksitzung hatte mehr Drive. Die bekannten Stars spielten mit so viel Engagement, als ob der Saal tatsächlich voll wäre. Geschliffen wie immer gab Peter Kuhn diesmal das Phantom der Oper, der von Corona über Politik bis hin zu Verschwörungstheorien die Dinge auf den Punkt brachte. "Keine Ahnung, aber viel Meinung", formulierte er zum Thema Querdenken. "Die wurden ja nicht blöd geboren. Nein, die haben sich verschworen!" Insgesamt gab es erfreulich viel Breitseite gegen die Querdenker-Fraktion. Auch von Musiker Matthias Walz, der als König der Verschwörungstheoretiker auftrat – mit Alukrone auf dem Kopf.
Warum Oliver Tissot die Prunksitzung in Veitshöchheim für notwendig hält
Die Politiker wurden dafür etwas weniger derbleckt. Klar, ohne echte Zielscheibe im Publikum ist es einfach nur der halbe Spaß. "Dass wir sie einmal so vermissen würden, Herr Söder, das hätten wir nicht gedacht", weinte Sitzungspräsident Bernd Händel Krokodilstränen ins Taschentuch. Zu dritt musste der Elferrat auskommen, aufgefüllt mit Puppen. Die Muppet Show ließ grüßen. Immerhin gab es einige witzige Einspieler von Söder über Katharina Schulze bis hin zu Aiwanger. Und eine Politikerin erschien sogar leibhaftig: Veitshöchheim-Dauergast Barbara Stamm.
"Geisterbahn deluxe!"
Witzig gelöst wurden die Einblendungen mittels Sebastian Reich, dessen Nilpferd Amanda die Politiker via Handy herholte. Der Bauchredner war ein klares Highlight der Sendung, mit Eigenironie ("Du schaust aus wie dein eigener Antikörper") und Frotzeleien über den Elferrat: "Das war ja schon immer gruselig, was da gesessen hat, aber jetzt ist es Geisterbahn de luxe!" Voll drauf haute der Altneihauser-Kapell’n-Meister, der wie gewohnt die Franken beschimpfte und der Situation etwas Gutes abgewann: "Wie ist die Luft hier gut, ohne die gesamte Brut!" Der Rest der Kapelle wurde aus dem Vorjahr dazugeblendet. Generell gab es immer wieder Einblendungen aus der Vergangenheit. Mit vollbesetzten Reihen im tobenden Saal.
Kein Fasching in Franken? So reagieren die Betroffenen der Region
Die zeigten, was dieses Jahr einfach fehlte: Echtes Leben in der Bude. "Ich hoff‘, dass wir die Leut daheim mit Lachen anstecken, denn hier drin tut sich ja net viel", meinte Putzfrau Ines Procter. Die Akteure gaben alles: Der Nürnberger Witzeverdreher Oliver Tissot mit seiner Tuschmaschine, Oti Schmelzer mit Akkordeon, die Tanzmariechen der Buchnesia, die Dorfrocker und Viva Voce. Etwas altbacken arbeitete sich Gerlinde Heßler am Thema Nachhaltigkeit ab und Michl Müller hatte sein Pulver anscheinend schon im Vorspiel verschossen.
Heißmann und Rassau gaben als spießiges Ehepaar Kaltengruber die Zuschauer vor der Eiche-Rustikal-Schrankwand. Und rissen mit den "Fürther Nachrichten" in der Hand Witze zur politischen Lage. "Der Söder aufm Diddl! Je mehr Haar der aufm Kupf hat, umso grüner wird der." Tagesaktuell, denn die Sendung wurde noch bis am Morgen der Ausstrahlung geschnitten.
Insgesamt dürfte die Fastnacht trotz einiger Längen bei den Fans gut angekommen sein. Dass man der dreistündigen Sendung nicht anmerkte, dass sie nicht am Stück, sondern an fünf Tagen aufgezeichnet wurde, war ein echtes Kunststück der Regie. Ein bisschen Spaß im Lockdown wurde geboten und auch aus folgendem Grund war die Sendung für die Künstler wichtig, wie es Bauchredner Reich formulierte: "Wir sind hier, um Brauchtum und Tradition lebendig zu halten. Und damit Sie uns nicht vergessen!"
Info: Wiederholung der Sendung am Samstag, 6. 2. um 20.15 Uhr und am 16.2. um 14 Uhr im BR.
10 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen