Peggy-Prozess: Ulvi Kulac wird freigesprochen

14.5.2014, 11:55 Uhr
Peggy-Prozess: Ulvi Kulac wird freigesprochen

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Nach dem Freispruch wird weiter über das spurlose Verschwinden der damals neunjährigen Peggy Knobloch vor 13 Jahren gerätselt. Im neu aufgerollten Prozess gegen Kulac ging es ausschließlich darum, den Mordvorwürfe gegen ihn erneut zu prüfen – und nicht darum zu klären, was mit Peggy Knobloch wirklich passiert ist und wer dafür verantwortlich ist.

Ein Ulvi-Fan rollt bereits am Morgen vor der Urteilsverkündung den roten Teppich vor dem Bayreuther Justizgebäude aus - doch wie ein Held soll Ulvi Kulac nicht gefeiert werden.

Der Teppich muss wieder eingerollt werden, ihm wird Einhalt geboten. Justizsprecher  Thomas Goger: "Das ist zwar auch ein Medienspektakel, aber über der Tür steht immer noch Strafprozess."

Im dritten Stock des Justizgebäudes brandet unterdessen Beifall auf: Als der 36-jährige Ulvi Kulac  den Saal betritt, klatschen seine Unterstützer, wie auch schon zu Beginn des Prozesses. Kulac strahlt, er genießt die Aufmerksamkeit sichtlich. Gut 100 Medienvertreter, Unterstützer und Zuschauer drängen sich in dem üppig geschmückten Jugendstilsaal, erneut werden Bravo-Rufe laut, als die 1. Jugendkammer ihr Urteil verkündet: Freispruch für Ulvi Kulac.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Ulvi Kulac ist unschuldig, er ist rehabilitiert, er wird aus "tatsächlichen Gründen" freigesprochen, wie der Vorsitzende Richter Michael Eckstein formuliert. "Ein Tatnachweis ist nicht möglich." Eine gute Stunde begründet er das Urteil, er bittet darum, von Beifall und Applaus abzusehen und  auch er erinnert daran, sich angemessen zu benehmen.

Was mit Peggy Knobloch wirklich passiert ist? Warum die damals Neunjährige vor 13 Jahren spurlos verschwunden ist? Richter Eckstein stellt diese Frage, die wohl alle Zuhörer umtreibt, dem Urteilsspurch voran. "Natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir neue Erkenntnisse erhalten hätten", sagt er - doch erinnert er auch daran, dass die Messlatte eine andere war. Es ging in diesem Wiederaufnahmeverfahren ausschließlich darum, die Schuld oder die Unschuld des Ulvi Kulac festzustellen. Den Mordvorwurf erneut zu prüfen.

In der Urteilsbegründung führt die Strafkammer erneut aus, dass der Leichnam von Peggy Knobloch bis heute nicht gefunden wurde, es weder Tatzeugen gibt, noch Sachbeweise existieren. Dies allesmusste zum Freispruch gegen Ulvi Kulac aus tatsächlichen Gründen führen - und nicht nur aus Mangel an Beweisen. Doch: Das Rätsel um das Verschwinden der Peggy Knobloch wird für die aktuellen Ermittler nun nicht viel leichter zu lösen sein, auch sie wissen nicht, ob Peggy Knobloch tot ist oder noch am Leben. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei verdächtige Männer.

Seit Sommer 2012 wird in dem Fall neu ermittelt. Eine Spur brachte die Polizei auf einen Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt. Der ehemalige Bekannte von Peggys Familie sitzt derzeit wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter in Haft. Er habe eingeräumt, sich auch an seiner Nichte mehrmals vergangen zu haben, gab ein Polizeibeamter an.

Auffällig daran ist, dass die Nichte im gleichen Haus wie Peggy wohnte und der Missbrauch wenige Wochen vor Peggys Verschwinden stattfand. In der Haftzelle des Mannes fanden Polizisten ein Foto von Peggy. Zum Kreis der Tatverdächtigen zählen außerdem der Halbbruder des Mannes und ein Lichtenberger, der bereits wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde.

Kulac ist noch kein freier Mann

Mit dem Urteil ist Ulvi Kulac jedoch noch kein freier Mann. Der 36-Jährige befindet sich derzeit wegen anderer Taten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Fortdauer dieser Unterbringung wird nun überprüft. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth ordnete noch am Mittwoch an, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. "Der Sachverständige soll dabei die Fragen beantworten, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Untergebrachte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sein werden, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden", schreibt das Landgericht in einer Pressemitteilung.

Die Kammer trage damit dem Umstand Rechnung, dass sich mit dem Freispruch vom Vorwurf des Mordes die Gefährlichkeitsprognose geändert haben können.

Peggy wird seit dem 7. Mai 2001 vermisst. Zwei Jahre später wurde Ulvi Kulac zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Landgericht Hof sah es damals als erwiesen an, dass der Gastwirtssohn die neun Jahre alte Schülerin tötete, um einen sexuellen Missbrauch zu vertuschen. Eine Leiche wurde allerdings nie gefunden.

Im Dezember 2013 ordnete das Landgericht Bayreuth die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Denn ein Belastungszeuge hatte eingeräumt, falsch ausgesagt zu haben. Beim damaligen Prozess war außerdem nicht bekannt, dass die vermutete Tatversion der Ermittler dem Geständnis von Ulvi Kulac ähnlich war. Der Verdacht lag nahe, dass der Angeklagte nur eine ihm vorgegebene Version wiedergegeben hat. Er widerrief später seine Angaben.

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger sprachen sich in ihren Plädoyers am Dienstag für einen Freispruch für Ulvi Kulac aus.

Der Vorsitzende Richter beendete die Beweisaufnahme im neuen Prozess vorzeitig. Seine Begründung: „Bis zum heutigen Tag ist kein einziger Sachbeweis für das damalige Geständnis von Ulvi Kulac gefunden worden.“

Die Mutter von Peggy erklärte unterdessen, nicht in Revision gehen zu wollen. „Nein, das werden wir nicht machen“, sagte die Frau am Mittwochabend in der RTL-Sendung "Stern TV“.

Der Artikel wurde am 14. Mai mehrfach aktualisiert, zuletzt um 11.55 Uhr um die Stellungnahme des Landgerichts Bayreuth.

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