51-Jähriger kämpft noch mit Folgen des Ätz-Radlers
9.12.2016, 17:57 UhrFür einen Knödel braucht er eine halbe Stunde. Was er gar nicht essen kann, ist langfaseriges Fleisch. "Es tut nicht weh, aber ich muss vorsichtig sein, dass alles schön weich ist. Nicht dass es stecken bleibt." Seine Speiseröhre ist zwischen zwölf und 14 Millimeter weit offen, normalerweise sind es 17 Millimeter. Das Unglück im Sommer hat das ganze Leben des 51-Jährigen aus dem Raum Pottenstein verändert.
Es war heiß an diesem 14. August, einem Sonntag. Um die 35 Grad. Mit seinem Schwager wollte er sich ein Fußballspiel anschauen. Im Sportheim des SV Kirchenbirkig/Regenthal bestellte er ein Radler. Er bekam die Flasche, ging nach draußen auf die Terrasse, ließ sich nieder, öffnete sie mit einem "Plopp", setzte zum Trinken an und fühlte ein wahnsinniges Brennen im Mund.
Kreislauf zusammengebrochen
Sofort hat er die Flüssigkeit ausgespuckt und den Mund mit Wasser gespült. Doch etwas von der ätzenden Flüssigkeit muss doch in seine Speiseröhre gelangt sein. Laut Aussagen des Mannes war es 35-prozentige Natronlauge, die in seine Speiseröhre gelangte. Dann brach sein Kreislauf zusammen, seine Zunge schwoll an, mit dem Hubschrauber wurde er nach Nürnberg ins Klinikum geflogen.
"Mit kurzen Unterbrechungen war ich ein Vierteljahr im Krankenhaus", sagt der 51-Jährige, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er wurde ins künstliche Koma versetzt. An die zweieinhalb Wochen nach dem Unglück hat er keine Erinnerung. Er bekam einen Luftröhrenschnitt, um atmen zu können. Dreieinhalb Wochen lag er auf der Intensivstation. Immer noch muss er regelmäßig ins Krankenhaus nach Nürnberg. Unter Betäubung wird seine Speiseröhre geweitet, was man Bougierung nennt. Bisher war er immer zweimal, in dieser Woche war er zum ersten Mal nur einmal in der Klinik.
Er räuspert sich oft, seine Stimme ist belegt. Er meint, dass das vom Bougieren kommt. "Es ist wie Grinder in der Speiseröhre, die arbeiten und sich zusammen ziehen", sagt er. Einmal wurde die Speiseröhre zu weit aufgedehnt und ist eingerissen. Er bekam Probleme beim Schlucken und ein Stechen im Brustraum. Glücklicherweise gelangte nur Luft in den Brustraum und keine Flüssigkeit.
Wieder hing er 14 Tage "an der Flasche", wie er sagt. So wurde er künstlich ernährt. Eine Magensonde konnten die Ärzte ihm nicht legen, weil der Eingang zum Magen verätzt war.
"Du bist so unter Schock"
Sein Arzt lässt keinen Zweifel daran, dass es eine Operation brauchen wird. "Ich will das vermeiden, es dauert bis zu acht Stunden." Die Speiseröhre müsste komplett entfernt werden, ein Stück seines Darms würde sie ersetzen.
Einmal war sie schon komplett zu, er konnte nicht einmal mehr seinen Speichel schlucken. Das kann innerhalb von einer paar Stunden passieren. Wegen des Drucks auf seiner Brust merkte er, dass etwas nicht stimmte.
Wie es weitergeht mit seiner Gesundheit, ist nicht absehbar. "Es kann lange dauern, bis sich die Speiseröhre beruhigt oder auch gar nicht." Seine Frau hofft, dass es die Operation nicht braucht, sondern dass die Abstände zwischen den Bouchierungen immer größer werden. Direkt nach dem Unglück ihres Mannes habe sie gar nicht realisiert, dass er in Lebensgefahr war. "Du bist so unter Schock. Erst zwei Tage später hab ich registriert, dass gesagt wurde, dass er vielleicht nicht überlebt", erzählt sie. Seine Robustheit habe ihm beim Genesungsprozess geholfen. Und auch die vielen guten Wünsche und Gebete, fügt ihr Mann hinzu.
Kein Tatverdächtiger
Die Polizei hat indes noch keine neuen Erkenntnisse. "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt Jürgen Stadter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken. Einen konkreten Tatverdächtigen gibt es noch nicht. Fest steht laut Stadter allerdings, dass die Flüssigkeit nicht in der Produktion des Getränks in die Flasche gekommen sein kann. Es müsse also danach passiert sein.
Natürlich habe der 51-Jährige darüber nachgedacht, warum gerade er die Flasche mit der ätzenden Flüssigkeit erwischt hat. "Aber sich reinsteigern hat ja keinen Wert. Es ist passiert und das änderst du nicht." Er sagt, er habe Glück im Unglück gehabt. Seine Frau nickt. "Glück, dass du so geistesgegenwärtig warst und es gleich ausgespuckt hast und der Hubschrauber gleich gekommen ist", meint sie. Hätte er die Lauge geschluckt, wäre sein Magen kaputt und die Speiseröhre durchlöchert. "Dann bist du ein Wrack", sagt er.
Er versucht, mit der Situation umzugehen. "Lieber wäre es mir schon gewesen, wenn ich gemütlich weiter hätte essen und trinken können, aber so ist es halt."
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