Meisterlicher Talisman: Heiner Müller macht dem FCN Mut
18.2.2019, 11:25 UhrEs passt irgendwie zusammen. Der Club zeichnete für die erste Trainerentlassung der Bundesliga-Historie verantwortlich, der Club war der erste Bundesligist, der als amtierender Deutscher Meister das Klassenziel verpasste und der Club schaffte es wahrscheinlich ebenfalls als erster Verein, nur eine Halbsaison nach der scheinbar grenzenlosen Aufstiegs-Euphorie Sportvorstand und Trainer gemeinsam den Laufpass zu geben.
Wenn nicht noch ein kleines Wunder passiert, geht der Club zudem als neuer Rekordabsteiger in die Bundesliga-Geschichte ein. Das letzte Erfolgserlebnis für eine zwar stets bemühte, spieltechnisch aber doch sehr limitierten Nürnberger Mannschaft liegt bereits 15 Spieltage zurück. Und ausgerechnet jetzt beginnt eine Serie von Heimspielen gegen die Leitwölfe der Liga. Zuerst geht es heute gegen den Tabellenführer aus Dortmund (20.30 Uhr, Live-Ticker auf nordbayern.de). Mit dabei ist: Heiner Müller!
Block 41, Reihe 7, Sitz 39
Auf der Haupttribüne, Block 41, Reihe 7 ist der Sitz 39 seit Urzeiten für ihn reserviert. Seit vielen Jahren lässt sich der Deutsche Meister aus dem Jahr 1961 kein Heimspiel des Clubs entgehen. Nicht nur wegen der 90 Minuten Fußball. Vor und nach dem Spiel blüht der Flachs, wenn ehemalige Größen wie Gustl Flachenecker, Stefan Reisch, Josef Zenger, Kurt Haseneder, Horst Leupold, Heinz Kreißel und eben Heiner Müller die Köpfe zusammenstecken. Wenn die Richtung beim Club nicht stimmt, wird gerne auch Tacheles geredet. Heute allerdings werden die Daumen weder gehoben noch gesenkt. Stattdessen knallen die Sektkorken. Heiner Müller, inzwischen der älteste lebende Meisterspieler des Clubs, feiert einen halbrunden Geburtstag. Den 85.
Das Endspiel seines Lebens
Der Name Borussia Dortmund weckt in Heini Müller höchst angenehme Erinnerungen. Im Verlauf von 313 Spielen im Clubdress traf er viermal auf Dortmund, wobei er und sein Team dreimal als Sieger das Spielfeld verließen. 1961 im Endspiel um die 50. deutsche Meisterschaft vor 82.000 verblüfften Zuschauern im Niedersachsenstadion. Die Dortmunder waren als hoch gewetteter Favorit ins Spiel gegangen. Die Meisterschale aber ging an die "jungen Wilden" aus Nürnberg. Heiner Müller, nach Weltmeister Max Morlock mit 27 Jahren zweitältester Nürnberger, machte das Spiel seines Lebens. Nach Haseneders Flugkopfballtor erzielte der beim TSV Roth groß gewordene Dauerläufer kurz vor dem Wechsel das psychologisch wichtige 2:0 und bereitete nach der Pause das Tor zum 3:0-Endstand durch Heinz Strehl mustergültig vor.
Auf der Tribüne zückte ob der famosen Leistung des Rothers Nationaltrainer Sepp Herberger sein Notizbuch. Doch statt der versprochenen Berufung ins A-Nationalteam musste sich Müller mit Einsätzen im B-Team gegen Österreich (4:0) und Holland (3:3) begnügen.
Im August 2017 war NN-Redakteur Kurt Heidingsfelder als Wanderreporter bei Heiner Müller zu Gast - hier ist das Video vom damaligen Treffen:
In der allerersten Bundesligasaison (1963/64) zeigte sich Heini Müller an der Seite von Weltmeister Max Morlock im Heimspiel gegen Dortmund erneut von seiner besten Seite. 4:0 siegten die Nürnberger. Der kicker benotete Müllers Leistung mit einer "1". Das Hinspiel hatte Dortmund durch zwei Emmerich-Treffer und einem Eigentor von Nandl Wenauer mit 3:1 gewonnen. Eine Saison später aber ging Dortmund im Nürnberger Stadion erneut leer aus. Diesmal hatte den Mannen um Heini Müller ein Treffer von Heinz Strehl zum Sieg gereicht.
In den 1960er Jahren war natürlich auch nicht alles störungsfrei für den Club gelaufen. Unter anderem sorgte der Traditionsverein für den ersten Trainerrauswurf in der Bundesliga. Meistertrainer Herbert Widmayer traf es. Unter dem Strich aber standen in diesem Jahrzehnt zwei deutsche Meisterschaften (1961, 1968), eine Vizemeisterschaft (1962) und ein Pokalsieg (1962). Wobei an Heiner Müllers Teamfähigkeit hohe Ansprüche gestellt wurden, als er ausgerechnet im Pokalfinale und im letzten echten Endspiel um die deutsche Meisterschaft von den Trainern nicht berücksichtigt wurde. Der Auswechselspieler war damals dummerweise für Heiner Müller noch nicht "erfunden".
Ein Fußmarsch in Kaiserslautern
In den folgenden Jahren lobte Widmayer-Nachfolger Max Merkel zwar die spieltechnische Klasse von Heini Müller über den grünen Klee, ließ den Rother aber oft auf der Reservebank schmoren. Immerhin: Im Oktober 1966 sorgte Müller noch einmal für die ganz dicken Schlagzeilen, als er beim 1:0-Sieg des Club im Grünwalder Stadion gegen den FC Bayern Franz Beckenbauer so gut wie aus dem Spiel nahm. Doch auch zu jenem Clubteam zählte der Rother, das Merkel unter der Devise "Zuckerbrot und Peitsche" nach dem 1:1 beim 1. FC Kaiserslautern aus Strafe für einen verschossenen Elfmeter zu einem Fußmarsch vom Betzenberg zum Bahnhof verdonnerte. Für das Ende von Müllers Profikarriere sorgte eine Gelbsucht, wahrscheinlich verursacht durch eine verunreinigte Spritze nach einer Sportverletzung.
Den zwölf Jahren als Vertragsspieler beim 1. FC Nürnberg folgten noch fünf Jahre als Trainer der Amateurmannschaft, die unter der Regie des B-Lizenz-Inhabers Heini Müller stets in der oberen Tabellenhälfte der dritthöchsten Spielklasse mitmischte. 17 Jahre Club und nicht einmal ein Ansatz von Abstiegsgefahr. Das soll man Heini Müller erst einmal nachmachen. Womit wir wieder beim eigentlichen Thema sind: Der Club ist ein potenzieller Abstiegskandidat und hat jetzt den möglichen Deutschen Meister vor der Brust.
Hart im Nehmen - Herzlich zu Hause
Natürlich verlässt sich Frohnatur Müller in Sachen Geburtstagsstimmung nicht alleine auf den Club. Den ganzen Tag über ist Feierlaune angesagt. Das Geburtstagskind öffnet heute sein schmuckes Heim in der Egerlandstraße von 10 bis 17 Uhr für alle, die ihm gerne gratulieren wollen. Gleich ob leidenschaftlicher Clubfan, wie Landrat Herbert Eckstein, oder Anhänger des Kleeblatts. Dafür steht Pfarrer Joachim Klenk, der es, fußballtechnisch gesehen, momentan ebenfalls nicht gerade leicht hat. Man muss bei dieser Konstellation kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass heute auch wieder einmal jene Episode zur Sprache kommt, in der Heini Müller im Ronhof in die Rolle des Helden geschlüpft war. Heini hatte sich im Verlauf der ersten Halbzeit das Schlüsselbein gebrochen. Trainer Bimbo "Papa" Binder, der Entdecker von Müller, kannte kein Pardon und schickte seinen Linksaußen nach der Pause mit dem Arm in der Schlinge zurück ins Spiel. Wie gesagt, der Auswechselspieler war noch nicht erfunden. Und was machte Heini Müller? Er biss auf die Zähne, erzielte ein Tor und hielt bis zum Abpfiff durch. Auf die Zähne beißen bis der Schiedsrichter abpfeift. Das zumindest sollte sich der aktuelle Club für heute Abend vornehmen.
Heini Müller absolvierte von 1956 bis 1963 115 Oberligaspiele für den Club. Dabei gelangen ihm 39 Treffer. Von 1963 bis 1967 spielte er 43mal in der Bundesligamannschaft und schoss dabei sieben Tore. Insgesamt trug der Meisterspieler des 1.FC Nürnberg, der am Karsamstag 1956 beim 5:1-Sieg im Freundschaftsspiel gegen Rambla Juniors Montevideo sein Debüt gab und mit seinem ersten Schuss ein Tor erzielte, 313mal das Clubtrikot. Zuvor stand Heini Müller 131mal für seinen Stammverein TSV 1859 Roth auf dem Spielfeld. Nach seiner Zeit beim Club spielte er noch 398 Mal im AH-Team des TSV Roth.
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