Netzanschlussgebühr
Rother Stadtwerke-Chef: Energiewende gibt's nicht zum Nulltarif
21.6.2021, 06:00 UhrUnd man braucht auch jemanden, der es bezahlt. Denn die Energiewende gibt es sicher nicht zum Nulltarif. Wir sprachen mit Brunner über den Weg dorthin.
Herr Dr. Brunner, klimaneutral hört sich toll an. Kann im Jahr 2025 jeder Rother, jede Rotherin ihren eigenen Strom erzeugen und in einer CO2-freien Stadt leben?
Definitiv nein. Die Stadt Roth, wie alle anderen Städte auch, hat so einen großen Energiebedarf, dass dieser vor Ort mit der aktuell zur Verfügung stehenden Technik auf der Fläche der Stadt nicht gedeckt werden kann. Zur Zeit werden etwa zehn Prozent des Strombedarfs der Stadt in Roth selbst erzeugt. Um Klimaneutralität zu erreichen müssen die Bereiche Verkehr und Wärme zusätzlich abgedeckt werden.
So will Roth klimaneutral werden
Hier sind noch gewaltige Anstrengungen erforderlich, die auch sehr hohe Investitionen erfordern werden. Auch die Stadtwerke bereiten verstärkte Investitionen in die Strom- und Wärme- beziehungsweise Wasserstoffproduktion vor. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die neuen Energiequellen brauchbar ins vorhandene Versorgungsnetz einzubinden. Diese Aufgabe wird oft unterschätzt.
Wenn ich auf das Dach meines Eigenheims eine Photovoltaikanlage schraube und den Strom für meinen Verbrauch und fürs Auftanken meines E-Autos selbst produziere, dann tue ich doch auch etwas Gutes für die Gesellschaft, indem ich weniger fossile Energien anzapfe, oder nicht? Die Stadtwerke müssen halt die Infrastruktur für mich bereithalten…
Es ist auf jeden Fall positiv, umweltfreundlichen Strom zu erzeugen und diesen auch vor Ort zu nutzen. Somit können tatsächlich andere Stromquellen, wie Kohle- oder Gaskraftwerke, schrittweise ersetzt werden. Aber Wind und Sonne liefern nicht gleichmäßig Strom, schon gar nicht im Winter. Deshalb können zur Zeit die konventionellen Kraftwerke nicht im gleichen Umfang abgeschaltet werden, wie regenerative ans Netz gehen. Die Rother*innen erwarten von uns auch dann Strom, wen die eigene PV-Anlage nicht arbeitet.
Dann müssen wir für wenige Tage oder Wochen die Energie in vollem Umfang zur Verfügung stellen können. Dafür bedarf es entsprechender Strom- und Gasnetze und vorgelagert natürlich eine entsprechend teure Kraftwerks-Infrastruktur. Das machen die Stadtwerke sehr gerne, aber allen muss klar sein, dass diese Dienstleistung auch bezahlt werden muss.
Und was ist mit den Menschen, die nicht im eigenen Häuschen wohnen, sondern im Mehrparteienmietshaus? Die haben doch gar nicht die Möglichkeit, ihren eigenen Strom zu produzieren. Und gibt’s in der Tiefgarage möglicherweise Schlägereien um die fünf Steckdosen, die für 15 E-Autos reichen müssen?
Die Energiewende ist auch 2021 noch vielfach ein Thema des Eigenheimbesitzers – PV auf dem eigenen Dach, vielleicht eine energetische Sanierung mit Wärmepumpe und die Wallbox für das E-Auto. Menschen im eigentlich umweltfreundlichen Geschosswohnungsbau haben da viel größere Schwierigkeiten, die Themen anzugehen. Ihnen bleibt oft nur eine Zuschauerrolle. Hier wollen die Stadtwerke ansetzen und Baugenossenschaften wie auch Eigentümergemeinschaften als Projektpartner für die Umsetzung moderner, klimafreundlicher Lösungen für Wärme, Strom und Mobilität zur Verfügung stehen.
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Außerdem entwickeln wir eine öffentliche Ladeinfrastruktur für E-Autos. Zehn Ladepunkte werden von uns betrieben. Wir merken, dass die Nachfrage nach Ladestrom steigt – dafür bedanken wir uns auch ganz herzlich bei unseren Kunden. Aber es muss keiner Angst haben, sich um die Ladepunkte streiten zu müssen. Es ist immer eine Steckdose frei. Und weitere Ladesäulen sind seitens der Stadtwerke in Planung.
Wir dachten auch, dass die Nachfrage nach Lademöglichkeiten in unseren Parkeinrichtungen sich stark entwickeln wird, aber aktuell besteht kein konkreter Bedarf. Unsere Elektroabteilung prüft aber schon seit geraumer Zeit, welche Parkeinrichtungen Ladepunkte erhalten können. Ganz neu ist, dass Stromkund*innen der Stadtwerke an den Ladesäulen der Stadtwerke zum gleichen Tarif tanken können, wie zuhause.
Wir unterstützen aber auch unsere Kund*innen, wenn sie zuhause laden möchten – zum einen durch Beratung, zum anderen aber auch durch einen günstigen Ladetarif für E-Autos.
Wenn der Strom durch den Netzausbau teurer werden muss, wie können die Kosten dafür dann gerechter verteilt werden?
Zunächst wirkt es wie ein Widerspruch: Obwohl die Stromproduktion über die Jahre vielleicht sogar günstiger werden kann, wird der Strompreis in Deutschland durch die Energiewende vermutlich steigen. (Anmerkung: Außer es werden Umlagen wie die EEG-Abgabe abgeschafft). Die Ursache für die zu erwartenden Preissteigerungen liegt in der wesentlich aufwändigeren Steuerung des Netzes sowie dem verstärkten Ausbau des Verteilnetzes in den Städten.
Immer bereit sein
Zusätzlich ist die Bereithaltung von Reservekraftwerken kostspielig. Wir müssen dies aber so vorhalten, denn der der Kunde erwartet zu jeder Zeit ausreichend Strom in der konstanten Qualität (Spannung) zu erhalten. Netzschwankungen, die zum Abschalten des Herds, dem Absturz des PCs oder dem Aussetzen der Wallbox führen, werden sicherlich nicht akzeptiert.
Diese Netzausbau-Kosten werden aktuell über den verbrauchten Strom finanziert. Somit leisten Menschen einen größeren Beitrag, die mehr Strom aus dem Netz beziehen. Früher war das eine gerechte Finanzierung. Heutzutage haben gerade wirtschaftlich gut gestellte Eigenheimbesitzer, die einen Großteil ihres Stroms selbst erzeugen, einen geringen Strombezug aus dem Netz. Sie verursachen aber einen hohen Ausbaubedarf des Stromnetzes, der dann von allen anderen Kund*innen getragen wird. Ich sehe mittelfristig keine andere Lösung, als eine verbrauchsunabhängige monatliche Netzanschlussgebühr.
Wie sieht es mit unseren heimelig warmen Wohnzimmern aus? Kann denn die Menge an Heizenergie, die wir (und natürlich die Industrie) brauchen, über erneuerbaren Strom bereitgestellt werden? Oder müssen wir doch noch Gaskraftwerke betreiben?
Strom wird für die Heizung von Häusern an Bedeutung gewinnen. Die Effizienz und die Einsatzbereiche der Wärmpumpen verbessern sich stetig. Nach aktuellen Abschätzungen wird es in den kommenden 15 Jahren nicht gelingen, die gesamte benötigte Wärmeenergie aus den Stromnetzen bereitstellen zu können.
Es ist eine Vielfalt der Wege erforderlich, klimafreundliche Wärme zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören auch die Nutzung von Biomasse und hocheffizienter Wärmenetze.
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Gaskraftwerke sind, bis neue Technologien entwickelt werden, zur Sicherung der Stabilität der strom- bzw. Wärmeversorgung unverzichtbar. Die regenerativen Energien sind wetterbedingten Schwankungen unterworfen – das haben wir in diesem Frühjahr erlebt. Der Anteil regenerativen Stroms im Netz betrug 46,5 Prozent - im gleichen Zeitraum des Vorjahrs lag der Anteil bei 50 Prozent.
Deshalb werden die Stadtwerke Roth auch künftig in den Ausbau des Gasnetzes investieren. Zumal das Erdgas künftig mit Wasserstoff angereichert oder durch klimaneutrale synthetische Gase ersetzt werden kann.
Ist es also möglich, eine Stadt wie Roth in den nächsten zehn bis 20 Jahren tatsächlich klimaneutral zu machen?
Das wird leider nicht möglich sein. Vielleicht täusche ich mich, aber Veränderung braucht Zeit. Die meisten Menschen kaufen sich nicht mal schnell neue Elektroautos oder sanieren das Haus, um den Energieverbrauch zu senken. Die Arbeiten zur Klimaneutralität müssen auch umgesetzt werden – dafür werden Fachkräfte und Material gebraucht. Welche Schwierigkeiten hier entstehen können erleben wir gerade am Ende der Corona-Krise erleben.
Der Einsatzbedarf in Industrie und Gewerbe ist noch größer – finanziell wie materiell.
Die Stadtwerke Roth bemühen sich, einen entscheidenden Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Ich bin gespannt, ob wir für Projekte zur Energiewende eine Genehmigung erhalten werden.
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