Segelfliegen lernen: Ab 2020 in der Rother Kaserne möglich
25.10.2019, 15:01 UhrStephan Olessak geht in die Luft. Immer und immer wieder. In schöner Regelmäßigkeit. Seit vielen Jahren schon mit ungebrochener Begeisterung. Eine Begeisterung, die er mit anderen teilt. Teilen möchte. Stephan Olessak ist Fluglehrer.
Seit zwei Jahren führt der Schulleiter der Segelflugschule Oerlinghausen Offiziersanwärter auf dem Flugplatz der Rother Kaserne in die dritte Dimension. Ab März 2020 wird das, was derzeit noch "Spartenprogramm" für Uniformierte ist, zum "Breitensport". Dann nämlich, wenn sich die Segelflugschule in der Kaserne für alle Segelsportbegeisterten außerhalb der Bundeswehr öffnen darf.
Für Olessak und sein Team kein "Muss", sondern tatsächlich Herzensangelegenheit. Dabei wirkt der gebürtige Nordrhein-Westfale mit Wohnsitz in München, der selbst Berufssoldat war, auf den ersten Blick diszipliniert, überlegt und tendenziell wenig enthusiastisch-temperamentvoll.
Lautlose Faszination
Geht’s um die Fliegerei, besser: um das Gefühl, (fast) lautlos durch die Lüfte zu gleiten, getragen von der Thermik, mit Blick auf Wolkenformationen, auf goldene Herbstwälder, glitzernde Wasserflächen und im besten Fall auf die am Horizont rot-golden untergehende Sonne – ja, dann mag das kitschig klingen. Aber Olessak, der ehemalige Berufsoffizier, steht dazu. Die "Faszination Fliegen" hat ihn vor Jahren gepackt — und nicht mehr losgelassen.
Viel hat er ausprobiert. Vieles auch selbst gelernt. Olessak hat nicht nur Lizenzen für Segelflug und Segelkunstflug. Sondern auch für Motorsegler, Ballone und Ultraleichtflugzeuge.
Roth - bald eine der größten Segelflugsportgruppen?
Aber: Zusammen mit einem "bunten Haufen", wie er sein Lehrerteam selbst nennt, will er dieses Wissen, vor allem aber diese Begeisterung für den "Natursport Segelflug" weitergeben. "Bunter Haufen" deshalb, weil "diese Liebe zur lautlosen Fliegerei wirklich die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringt".
Fliegerei verbindet
Schon jetzt reicht das Spektrum der Fluglehrer, die derzeit regelmäßig auf dem zweiten Sitz in der Flugkabine hinter ihren uniformierten Schülern Platz nehmen, vom etablierten Handwerksmeister über den pensionierten Polizeibeamten bis hin zum Professor, der unterm Jahr bildende Kunst in Tokio unterrichtet — und in den Semesterferien die Kunst des Segelfliegens. Olessak ist sicher: Die Liebe zur Fliegerei verbindet Menschen. Unabhängig von Alter, Herkunft, Beruf. Einerseits. Andererseits stellt der erfahrene Fluglehrer fest, dass immer weniger junge Leute zum Segelsport finden — und damit auch zu den Vereinen.
Warum? Der Flugschulleiter, der schon vor vielen Jahren in der Jugendarbeit aktiv war, macht dafür verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen verantwortlich. Die wesentlichste: "Wer Segelfliegen lernen will, braucht viel Geduld, Ausdauer und Disziplin."
Attribute, die nicht gerade in die schnelllebige Gegenwart passen würden. Doch Tatsache sei, dass "jeder Flugschüler die ersten 20 oder 30 Starts relativ locker angeht. Und danach fangen die meisten an, mehr nachzudenken — und damit klappt oft lange nichts mehr. An dem Punkt muss man sich durchbeißen, um diese Durststrecke bis zur Prüfung durchzustehen," erzählt Olessak. "Leider schaffen das nicht viele."
Diese Aussage kann er an Zahlen festmachen: "Momentan legen von 100 Flugschülern am Ende zehn die Flugprüfung ab." Nicht etwa, weil die Prüfung — immerhin müssen in der Theorie Fragen aus acht Themenfeldern beantwortet werden — so schwer wäre. "Die kann man in etwa mit der Auto-Führerscheinprüfung vergleichen. Nur mit noch ein paar Fragen mehr."
Sondern weil es im Schnitt zwei bis drei Jahre dauert, bis Flugschüler, die sich alleine in ihrer Freizeit beziehungsweise in ihrem Urlaub schulen lassen, fähig sind, alleinverantwortlich hinterm Steuerknüppel zu sitzen. "Das Stehvermögen haben heutzutage nicht mehr viele", bedauert Olessak.
Dabei vermittle der Segelsport so vieles, was man auch im "normalen" Leben gut brauchen könne. Nur eben auf weitaus attraktiver und emotionaler: Naturverbundenheit (Olessak: "Wir sind darauf angewiesen, uns mit dem Klima und dem Wetter auseinanderzusetzen"), Teamgeist ("Alleine bringt niemand einen Segler in die Luft"), Genauigkeit ("Weil es ohne die lebensgefährlich werden kann, wenn man die Checks nicht beachtet").
Der Gegenwert: "Die unglaublichen Eindrücke beim Fliegen. Die lassen sich oft kaum in Worte fassen. Aber an einem Flug in den Sonnenuntergang hinein — an sowas kann man sich einfach nie satt sehen."
Fliegen — das sei im übrigen laut Flugschulleiter nichts "Elitäres". Olessak winkt energisch ab, wenn es heißt, Segelfliegen sei nur etwas für gut Betuchte. "Wir hier in Deutschland können das — im Gegensatz beispielsweise zu den USA — wirklich als Breitensport anbieten", ist er überzeugt mit Blick auf die Schulungs- und späteren Vereinskosten (mehr dazu siehe Info-Kasten unten). Segelfliegen sei seiner Ansicht nach durchaus konkurrenzfähig, was andere Sportarten — Stichwort unter anderem Skifahren, Reiten, Fitnessclubs — angehe. Nicht zuletzt auch darum, weil es im Verein weiter betrieben werden kann.
Kooperation mit Vereinen
Vor diesem Hintergrund sucht die Flugschule weit vor ihrer zivilen Öffnung in Roth schon jetzt den Kontakt zu allen umliegenden Segelflugsportvereinen zwischen Schwabach über Roth bis nach Weißenburg. "Wir sehen unsere Aufgabe darin, möglichst kompakt die Grundlagen für unseren Sport zu vermitteln, um dann die Schüler langfristig an die Vereine abzugeben, die damit auch in ihrem Bestand mit gesichert werden können." Das sind die nüchternen Fakten.
Was darüber hinaus geht, hat nichts mit Ratio zu tun. Sondern mit dem, was schon Reinhard Mey besang: "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein."
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