Angst vor HIV: Schwule dürfen kein Blut spenden
4.2.2015, 08:36 UhrMarcel Schneider ist einer, der gerne hilft. Unglaubliche 270.000 Euro hat der Mann mit den glänzenden Kontakten in den vergangenen 13 Jahren bei Benefizkonzerten und Spendengalas zusammengetragen. Geld, das in erster Linie den Lebenshilfen Schwabach-Roth und Nürnberger Land zugute gekommen ist, aber auch blinden Kindern in Mittelfranken und der Schule seiner Heimatgemeinde in Rednitzhembach.
Doch in einem Punkt ist seine Hilfe unerwünscht. Marcel Schneider darf kein Blut spenden. Aus einem einzigen Grund: Er ist schwul.
Den 46-Jährigen macht das fassungslos. „Homosexuelle werden unter Generalverdacht gestellt, dass sie häufig ihre Sexualpartner wechseln, ihnen werden automatisch Krankheiten unterstellt“, klagt der Promi-Friseur, der in Nürnberg und Rednitzhembach zwei Salons betreibt und der als Opernball-Coiffeur auch einem Publikum weit über die Grenzen Mittelfrankens hinaus bekannt ist.
„Aber auch wir Schwule haben schon von Verhütung gehört.“ Er selbst lebe seit 22 Jahren in einer festen Beziehung, „wir sind seit sechs Jahren verheiratet“, beschreibt er sein völlig durchschnittliches Eheleben.
Seine Homosexualität hat Schneider nie verleugnet, er kämpft seit Jahren gegen die Diskriminierung von Männern, die Männer lieben. „Und dann lese ich auf dem Fragebogen vor der Blutspende die Frage: ,Hatten Sie schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann?’“ Wer da bei der Wahrheit bleibe, der habe sich als Blutspender disqualifiziert“, so Schneider.
Das passt nicht zusammen
Das Gesetz dazu wurde übrigens erst 1993 erlassen. Den Rednitzhembacher ärgert das maßlos. Und er findet es auch nicht ganz logisch. Blutspenden dürfe er nicht, Organspender dürfe er aber durchaus sein. „Das passt doch nicht zusammen.“ Auch für die Interessenverbände homosexueller Menschen, wie dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, kommt das Blutspendeverbot einer Diskriminierung gleich.
Die Ausschlusskriterien legt die Bundesärztekammer zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im Transfusionsgesetz fest. Und dort steht: Männer, die Sex mit Männern haben (sie werden mit MSM abgekürzt) sind dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen.
Die Gründe dazu erläutert das PEI: Ursache dieses Ausschlusses ist der Skandal in den späten 1980er Jahren gewesen, als sich Patienten via Bluttransfusion mit dem Aids auslösenden HIV-Virus infiziert hatten. Mit dem Ausschluss von Prostituierten und Schwulen sollte die Spende sicherer werden. Das wurde sie auch, allerdings auch deshalb, weil sich die HIV-Testmethoden am gespendeten Blut in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert haben.
Laut PEI ist es „zweifelsfrei belegt“, dass Sexualverkehr unter Männern mit einem besonders hohen Risiko einer HIV-Übertragung behaftet ist. Noch heute treten rund zwei Drittel der Neuinfektionen mit HIV in der Gruppe der MSM auf, sagt das Robert-Koch-Institut. „Da der Anteil von MSM an der Gesamtbevölkerung auf etwa drei bis fünf Prozent geschätzt wird, aber etwa zwei Drittel aller HIV-Infizierten umfasst, ist das Risiko, sich in diesem sexuellen Netzwerk zu infizieren, besonders hoch.“
Das „sexuelle Netzwerk“ kann Monogamist Marcel Schneider nun gar nicht nachvollziehen. Die Erkenntnisse des Instituts sind ihm viel zu pauschal. „Mann muss doch die individuellen Lebensumstände betrachten“, findet der 46-Jährige. Doch die würden bei potenziellen Blutspendern keine Rolle spielen. „Ein schwuler Mann, der seit Jahren in einer festen Beziehung lebt, ist viel weniger eine Gefahr als beispielsweise eine Frau, deren Mann vor kurzem fremdgegangen ist“, findet Schneider.
Klage vor Gericht
Tatsächlich ist der Blutspende-Ausschluss von Homosexuellen seit Jahren in der Debatte, auch in der Politik. Und es könnte sein, dass sich die Kriterien ändern werden: Ein Franzose klagte jüngst vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen. Gutachter gaben der Klage Recht und sahen darin mit dem auch in Frankreich geltenden dauerhaften Spendeverbot für Schwule eine unzulässig „indirekte Diskriminierung“. Der Generalstaatsanwalt erkannte zwar an, dass der Staat die Spendenempfänger schützen will. Alleiniges Kriterium für einen Ausschluss dürfe aber nur ein individuelles und konkretes Risikoverhalten für eine Ansteckungsgefahr mit HIV sein, forderte der Generalstaatsanwalt Paolo Mengozzi.
Er sagt damit genau das, was auch Marcel Schneider fordert: individuelle Lebensumstände betrachten statt pauschales Verbot. „Ich lasse mich dafür gerne auch zehnmal extra testen“, verspricht der Rednitzhembacher.
Übrigens: In den meisten Fällen folgen die Richter am Europäischen Gerichtshof dem Gutachter. Marcel Schneider wird gespannt auf das Urteil warten.
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