Bürgerreise sorgte für Erlebnisse, Erkenntnisse, Eindrücke

18.6.2013, 10:30 Uhr

Als Aufhänger diente das Jubiläum „50 Jahre deutsch-französische Freundschaft“. Im Mittelpunkt stand allerdings das Sammeln vielfältiger Eindrücke in und um Saint-Junien.

Grabmal des Namenspatrons

Das Städtchen St.-Junien lernten die Wendelsteiner per Bus und zu Fuß kennen. Die Fahrt ging durch Gewerbegebiete und zu verschiedenen Einrichtungen der Kommune. Die Innenstadt erkundeten die Franken zu Fuß. Sie durften auch die sonst zu dieser Zeit geschlossene Stiftskirche besichtigen, deren Anfänge in der Romanik, im 11. Jahrhundert, liegen. Sie wurde im 13. Jahrhundert erweitert. Das Gotteshaus beherbergt das Grabmal des heiligen Junien, Namenspatron für den Ort.

Um das Jahr 500 kam der adelige Junien zu einem Einsiedler namens Amand, der in der Nähe der heutigen Ortschaft lebte, um sein Schüler zu werden. Nach dessen Tod lebte Junien als Eremit an der Stelle, an der heute die Kirche steht und praktizierte als Heilkundiger.

Nicht weit von der Kirche befindet sich das Rathaus, wo Bürgermeister Pierre Allard die Wendelsteiner Gruppe im Sitzungssaal empfing. Ihm zur Seite standen mehrere Stadträte sowie Vertreter des Partnerschaftsausschusses von St.-Junien. Bei diesem offiziellen Teil der Visite wurden Reden gehalten und Gastgeschenke ausgetauscht („Partnerschaft ist in vollem Schwung“).

Luxus-Handschuhe

Am Nachmittag erhielten die Wendelsteiner – aufgeteilt in zwei Gruppen – Führungen durch zwei Lederhandschuhmacher-Betriebe, jeweils mit Fabrikverkauf. Die Kleinbetriebe fertigen heute für namhafte Modemarken Luxus-Handschuhe. Bei einem kleinen Gürtelhersteller bestand anschließend ebenfalls die Möglichkeit zum Einkauf. Die nicht weit entfernt liegende Bezirkshauptstadt Limoges erkundeten die Wendelsteiner danach, zuerst per Bus, dann mit einem Touristen-Bähnchen.

Zentrum für Rinderzucht

Zum Besuchsprogramm gehörte auch der Ausflug in ein Zucht-, Forschungs- und Versteigerungszentrum für die weithin bekannten Limousin-Rinder. Diese braune Rasse wird vor allem als Fleisch-Lieferant gezüchtet, anders als bei uns, wo Milchviehhaltung vorherrscht.

Die Limousin-Rinder leben vorwiegend auf Wiesen im Freien, wohingegen Kühe bei uns in Franken ihr Leben im Stall zubringen. Die Mutterkuh-Haltung im Limousin erklärt beziehungsweise bedingt auch die Landschaft: Weites, relativ dünn besiedeltes Hügel-Land mit vielen Wiesen, die durch Baumreihen und Strauchzeilen voneinander getrennt sind. Hier werden die Rinder weitgehend sich selbst überlassen.

Bier aus Limoges

Auch einer kleinen Brauerei in Limoges galt der Besuch der Wendelsteiner. Dort gab es zum Mittagessen verschiedene Sorten Bier, die Franken konnten also mit den ihnen bekannten Bieren vergleichen. Allerdings scheint die Brauerei eine Ausnahme zu sein, denn die Region in der Mitte Frankreichs hat sich eher dem Wein verschrieben, wie die Partnerschaftsreisenden öfters erfahren durften.

Nichts für zarte Gemüter war der Besuch des Dorfes Oradour-sur-Glane, das am 10. Juni 1944 komplett zerstört wurde.

Der Ort liegt von Saint-Junien etwa so weit entfernt wie die Bezirkshauptstadt Limoges. Die Ruinen blieben nach dem Krieg erhalten. Heute erinnert eine Gedenkstätte an das Massaker. Damals erschossen Männer in deutschen Uniformen, jedoch ohne Abzeichen, die Bevölkerung und steckten die Häuser in Brand. Dies berichtete Robert Hebras, einer der wenigen Überlebenden des Massakers, der die Gruppe führte.

Neues Dorf neben den Ruinen

Das neue Dorf Oradour wurde neben den Ruinen aufgebaut. Als Klammer zwischen Alt und Neu dient der Friedhof, wo auch die Opfer des Massakers, darunter die Mutter und zwei Schwestern von Robert Hebras, ruhen. Am Mahnmal im Friedhof legte Willibald Milde für die Wendelsteiner Abordnung zusammen mit Marie-Claude Briend, der Partnerschaftsbeauftragten von St.-Junien, einen Kranz nieder.

Bei Hebras bedankten sich die Franken mit Lebkuchen und einem Wendelstein-Regenschirm. Abschließend wurde die Gruppe im Rathaus empfangen, wo Willibald Milde in seinem Eintrag ins „Goldene Buch“ Robert Hebras für die Führung dankte und der Gemeinde Oradour für den freundlichen Empfang. Der Kommune wünschte er für die Zukunft alles Gute.

Den nächsten Nachmittag und Abend gestaltete das Partnerschaftskomitee von St.-Junien  für die Gäste. Die Wendelsteiner wurden mit einem Picknick am Flüsschen Glane empfangen.

Heute ist der idyllische Abschnitt des Wasserlaufs am Rand von Saint-Junien benannt nach Jean-Baptiste Corot (1796 bis 1875), einem wirtschaftlich recht erfolgreichen Landschaftsmaler, der dort einige seiner Motive fand. Zwei Musiker sorgten für Unterhaltung und spielten auch zum Tanz auf. Die Franken konnten sich noch am traditionellen französischen Kugelspiel Petanque versuchen, ebenso wie an einer besonderen Variante des Tischkegelns.

Grillfest vom Komitee

Den Abend gestalteten die Gastgeber des Partnerschaftskomitees St.-Junien als Grillfest, ebenfalls mit Musik-Begleitung. Régis Berthier, der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, und Willibald Milde als Sprecher der Wendelsteiner Gruppe brachten in ihren Ansprachen die gegenseitige Wertschätzung und Verbundenheit zum Ausdruck.

Als Festsaal diente eine von den Aktiven des Partnerschaftskomitees liebevoll dekorierte stillgelegte Papierfabrik, die zum besonderen Charme des Corot-Winkels an der Glane beiträgt. Einer der Höhepunkte war eine deutsch-französische Polonaise.

Dichtes Programm

Auf Wendelsteiner Seite dokumentierten immerhin sieben der 24 Gemeinderäte (davon sechs mit Ehegatten beziehungsweise Partnern) ihr Interesse an der Partnerschaft und ihre Verbundenheit mit St.-Junien. Das dicht gedrängte, gleichwohl nicht stressige Programm bot allerlei Erlebnisse, Erkenntnisse und Eindrücke, die immer zum Vergleichen mit dem Heimatort veranlassten.

Vorbereitet hatten die Bürgerreise auf Wendelsteiner Seite Bürgermeisteramtsleiter Norbert Wieser und für St.-Junien Denise Guiguet-Doron, die perfekt und fließend Deutsch spricht und auch einige fränkische Ausdrücke beherrscht.

Dank an Denise Guiguet-Doron

Sie war für die Wendelsteiner Delegation der Dreh- und Angelpunkt und – wegen der Sprache und ihrer verbindlichen und auch freundlichen Art – die wichtigste Anlaufstelle. Zum Dank schenkten ihr die Wendelsteiner ein Bild des Malers Jonathan (früher Wendelstein, jetzt Schwabach) mit Wendelstein-Ansichten in typischer Jonathan-Gestaltung.

Maire-Claude Briend, Partnerschaftsbeauftragte von St.-Junien, begleitete die Gruppe aus Franken trotz Termin-Not fast immer, und auch Bürgermeister Pierre Allard nahm sich viel Zeit für die Gäste. Damit dokumentierten sie, dass der französischen Seite ebenfalls viel an der Partnerschaft liegt.

Weite Fahrt

Von den fünf Tagen Bürgerreise blieben allerdings netto lediglich drei, weil die Busfahrt in das 1170 Kilometer entfernte Städtchen 13 Stunden, und damit im Prinzip einen ganzen Tag, dauert. Dabei hatte die Reisegruppe noch Glück und kam recht schnell voran, weil Partnerschaftsbeauftragter Willibald Milde den Bus-Führerschein hat und sich mit dem standardmäßigen Busfahrer abwechseln konnte. Längere Ruhezeiten waren also nicht nötig, die Gruppe machte auf der Fahrt lediglich kurze Stopps.

Der Autor hat die Fahrt selbst bezahlt und für die Dauer des Aufenthalts Urlaub ge-nommen. Die Bürgerreise war öffentlich ausgeschrieben, teilnehmen konnte jeder. Der Markt Wendelstein hat sie im Rahmen seiner Partnerschaftsaktivitäten bezuschusst, ebenso die Gemeinde St.-Junien.

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