Nocturnes und andere Preziosen mit Daniel Grimwood
07.07.2014, 09:30 Uhr
Grimwood ist ein souveräner Gestalter, ein entspannter Filigranarbeiter mit überaus delikatem Anschlag, fein modelliertem Ton und weit gespannter Dynamik. Zwischen laut und leise gibt es bei dem jungen Briten, der unter anderem bei Peter Feuchtwanger in London studierte, eine gefühlte Million Abstufungen, gefüllt mit einem schillernden Kaleidoskop leuchtender Klangfarben.
Und doch ist Daniel Grimwood kein Effekthascher, würde er keinen Akzent setzen, der nicht sinnstiftende Funktion hat. Der Pianist baut Spannungsbögen so sorgsam wie ein Architekt, wägt dabei Ereignisknoten ebenso rational ab, wie er auf die Gesamtbalance achtet – und findet für jedes Stück, jede musikalische Epoche einen Deutungs-Ansatz, der einfach „richtig“ und in sich immer stimmig klingt.
Im Gegensatz zu manchem „gehypten“ Alterskollegen pflegt Daniel Grimwood einen bescheidenen Habitus, verkneift sich Manierismen oder gar das Gegen-den-Strich-Bürsten bekannter Werke wie Ludwig van Beethovens cis-Moll-„Mondscheinsonate“ (Opus 27, Nr. 2), der er ihr Geheimnis, ihren mystischen Hautgôut lässt, obwohl er sie mit maximaler Stimmklarheit und rhythmischer Stabilität in eine eindeutige Form bringt.
Carl Czernys „Consolation“-Nocturne (Opus 604, Nr. 6) erscheint bei Daniel Grimwood weit weg von jenem quälenden Etüdengeleier, das Generationen von Klavierschülern mit dem Namen Czerny verbanden. Schwelgerische E-Dur-Kantilenen beschwören das Bild einer lauen Nacht, in der nichts schief gehen kann. Die dunkle Seite thematisiert erst Franz Liszt in seiner doppelbödigen Des-Dur-Consolation Nummer 3.
Auch in Liszts sich nur vordergründig volkstümlich gebenden „Soirees musicales de Rossini“, die weit über die bloße Transkription von Opern-Gassenhauern hinaus gehen, lauern versteckte Fallstricke und emotionale Abgründe – und Prüfsteine für die technische Sicherheit des Ausführenden, die Daniel Grimwood mit Eleganz bewältigt.
Auch Henselt im Programm
Natürlich darf Henselt in einem solchen Programm nicht außen vor bleiben: Vier Improptus aus der Feder des nach Russland ausgewanderten Schwabachers stellt Daniel Grimwood zur Diskussion und tritt den Beweis an, dass Adolph von Henselt sich keine Sekunde lang hinter den „Klavierlöwen“ seiner Epoche verstecken musste: Dies ist melodisch einfallsreiche, tiefgründige, intelligent und ansprechend gemachte Klaviermusik, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Im Henselt-Nachlass gibt es wohl noch einige Schätze zu heben.
Dass Daniel Grimwood sich nicht nur auf die spezielle Klavier-Sprache der europäischen Romantik versteht, zeigt er mit Claude Debussys „Suite Bergamasque“, gefühlt zu Tode gespieltes „Schlachtross“ des Impressionismus, das bei Grimwood den Zauber des Neuen, Un-Erhörten wiedererlangt. Die bekannte „Clair de Lune“-Meditation gelingt Grimwood so intensiv, so anrührend, dass man im ausverkauften Saal eine Feder zu Boden fallen hören könnte, denn das Publikum hält den Atem an.
Auch andere Komponisten des Impressionismus vertonten das Mondlicht. Eine sehr aparte Version ist Joseph Jongens „Clair de Lune“ in H-Dur (Opus 33, Nr. 1), das dem Kopfkino ungeahnte Impulse gibt.
Schließlich Maurice Ravels gleißender, quirliger, vielgestaltiger „Gaspard de la nuit“, in dem unter anderem Wassernixen und Kobolde ihr wildes Spiel treiben. Daniel Grimwood schafft diese zauberische Gegenwelt gleichsam neu, zeichnet die Protagonisten mit entschiedenem, aber nicht zu hartem Pinselstrich, ist nicht Zauberlehrling, sondern Meister, der seine Geschöpfe stets unter Kontrolle hat. Beeindruckend.
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