Ärger bei vielen Betroffenen

Status über Nacht weg: Stoppen jetzt Gerichte 2G-Chaos? Auch Bayern prüft "Optionen"

Tobi Lang

Redakteur

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2.2.2022, 09:37 Uhr
In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gilt die 2G-Regel. Ins Restaurant dürfen etwa nur vollständig Geimpfte oder Genesene. 

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gilt die 2G-Regel. Ins Restaurant dürfen etwa nur vollständig Geimpfte oder Genesene. 

Irgendwann am 15. Januar schränkte eine unscheinbare Zahl auf einer Homepage die Grundrechte von vielen Deutschen ein. Still und heimlich änderte das Paul-Ehrlich-Institut die sogenannten "Anforderungen für den vollständigen Impfschutz" für das Vakzin von Johnson&Johnson. Wo bislang nur eine Spritze notwendig war, waren es plötzlich zwei - mit drastischen Folgen. Mutmaßlich Hunderttausende verloren quasi über Nacht ihren 2G-Status. So, wie nur wenige Tage zuvor viele Genesene. Ohne Vorwarnung passte auch hier mit dem Robert-Koch-Institut eine Behörde wohl eigenmächtig die Gültigkeitsdauer des 2G-Zertifikates an, der Eintrittskarte in Restaurants, zum Friseur, ins gesellschaftliche Leben. Millionen Menschen fühlen sich überrumpelt.

Auch Wochen nach der umstrittenen Entscheidung ist der Ärger nicht abgeklungen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht unter Druck. Was wusste der SPD-Politiker? Und vor allem: Wann? Mehrere Länderchefs beschwerten sich über Lauterbach, forderten eine Verlängerung des Genesenenstatus, der künftig nur noch drei statt sechs Monate gültig ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion schickte erst vor wenigen Wochen einen umfangreichen Fragenkatalog an die Regierung. "Als Opposition lassen wir es uns nicht länger bieten, dass der Minister den wichtigsten Fragen ausweicht", sagte Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der Bild-Zeitung.

"Das ist das Gegenteil von Rechtsstaat"

Jetzt könnten Gerichte das 2G-Chaos stoppen. Das Berliner Verwaltungsgericht beschäftigt sich mit mehreren Eilanträgen zur Verkürzung des Genesenenstatus und der Neuregelung bei Johnson&Johnson. "Das ist das Gegenteil von Rechtsstaat", sagte die Anwältin Jessica Hamed unserer Redaktion. Die Juristin, die die Anträge eingereicht hat, ist überzeugt: Derart weitreichende Entscheidungen sind Aufgabe der Politik, der Alleingang des RKI und des PEI klar rechtswidrig. Die Betroffenen streben eine Verlängerung beziehungsweise Wiederherstellung ihres 2G-Status an. Hamed rechnet im Lauf der nächsten Woche mit einer Entscheidung des Gerichtes.

Derweil wittert auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages verfassungsrechtliche Probleme. Ein Gutachten, das der Bild-Zeitung vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass den Behörden wohl zu viel Macht eingeräumt wurde. Tatsächlich entscheiden RKI und PEI alleine, wer in Deutschland als geimpft gilt - und wer nicht. Das sei "von hoher Relevanz für die Wahrnehmung von Grundrechten", so der wissenschaftliche Dienst. Die "Regelung des Immunitätsnachweises" sei "die Grundlage für die Frage, ob die Grundrechte der betroffenen Person durch die Corona-Maßnahmen beschränkt werden dürfen oder ob aufgrund der Immunisierung eine Ausnahmeregelung gelten kann". Den Alleingang der Behörden sehen die Juristen "kritisch".

Auch Bayern kündigt eine neuerliche Prüfung der Vorgänge an. "Ich halte das für ein sehr schwieriges Thema, das aus meiner Sicht noch nicht abschließend geklärt ist", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Dienstag nach einer Kabinettssitzung. "Wir werden jetzt noch mal genau bewerten, was für Optionen insgesamt da sind." Ob der Freistaat die Regelung im Alleingang kippen werde, ließ der CSU-Politiker ausdrücklich offen. "Man muss aufpassen, dass die Verwirrung nicht noch größer wird."

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