Tauchanzug statt Bagger: Unterwasser-Baustelle am Wöhrder See

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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13.2.2020, 05:54 Uhr

Eine fünfköpfige Tauchergruppe legt zunächst das Wehr trocken. In einem zweiten Schritt kann später ein neuer Notverschluss eingebaut werden: 14 umlegbare Stützen aus Stahl, die bei Revisionen aufgestellt und mit Aluwänden dichtgemacht werden. Die bisherigen, jahrzehntealten Eisenträger müssen ersetzt werden.

Als Erstes entfernte man Unmengen von Schlick und Sand aus der trüben Brühe, auch ein rostiges Fahrrad lag in drei Metern Tiefe. "Die Sicht da unten ist null", sagt Marcel Meyer, Geschäftsführer der Wasserbau-Firma BWS. Der Sturm "Sabine" hat die Sedimentschicht zusätzlich aufgewirbelt. Doch das macht seinen Kollegen unter Wasser nichts aus: Sie haben über Taucherfunk Kontakt zum Signalmann, der auf dem schwimmenden Ponton sitzt und genaue Anweisungen gibt. Auf seinem PC hat er ein exaktes Messnetz und kann die Einsatzkräfte in der Tiefe zentimetergenau dirigieren.

Arbeiten bei 4,5 Grad am Seegrund

Der kalte Wind macht den Aufenthalt auf dem Ponton ungemütlich: Ist es unter Wasser bei 4,5 Grad Celsius genauso unangenehm? Eher nicht: Durch ihre Trockentauchanzüge mit Helm spüren die Arbeiter die Kälte des Wöhrder Sees nicht.

Immer nur ein Mann arbeitet am Seeboden, nach 2,5 bis drei Stunden ist sein Einsatz für diesen Tag beendet. Dann steigt der Nächste vom Ponton in die Tiefe. Die BWS-Mitarbeiter haben handwerkliche Berufe gelernt, erst danach schloss sich die Zusatzausbildung für die Unterwasserarbeit an.

In zwei Wochen ist die Baustelle trockengelegt, das Seewasser wird durch eine provisorische Wand aus Stahlständern und Dämmbalken abgehalten. Diese Schutzabsperrung hält einem Wasserdruck von etwa 130 Tonnen stand, schätzt Meyer.


Halbzeit: Baustelle am Wöhrder Talübergang wandert weiter


Dann werden sieben Stützen auf der Nordseite (und später weitere sieben auf der Südseite) eingebaut. Sie liegen am Seeboden und können – falls Revisionen nötig sind — aufgestellt werden. Zwischen diese Versatzständer werden dann Alubalken eingeschoben, so dass kurzzeitig eine wasserdichte Wand entsteht. Dann kann man am Wehr arbeiten und anschließend die Ständer wieder kippen.

Unglück vor 33 Jahren

Bestimmt seit 20 Jahren wurde der Notverschluss am Wöhrder See nicht mehr betätigt, erklärt Manuel Philipp vom Staatlichen Wasserwirtschaftsamt. Doch die Konstruktion ist Vorschrift bei jeder wasserbaulichen Anlage. Dass damit trotzdem nicht jedes Unglück vermieden werden kann, belegt ein Vorfall vor 33 Jahren. Im August 1987 lief der westliche Wöhrder See nach einem technischen Defekt am Wehr aus: Rund 600.000 Kubikmeter ergossen sich damals über die angrenzende Wöhrder Wiese, dort stand das Wasser kniehoch.

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