Weitere Kommune im Katastrophenfall

Tote, Vermisste und Verzweifelte: Auch Passau im Notstand - Das ist die Lage in Bayern

Andrea Munkert

E-Mail zur Autorenseite

4.6.2024, 14:08 Uhr
Vom Hochwasser zerstörter Hausrat liegt vor einem Einzelhandelsgeschäft in der Ortsmitte.

© Marijan Murat/dpa Vom Hochwasser zerstörter Hausrat liegt vor einem Einzelhandelsgeschäft in der Ortsmitte.

Die Hochwasser-Situation in Bayern bleibt kritisch. Nachdem in einigen Regionen am Montag die Aufräumarbeiten begonnen hatten, stieg anderenorts das Wasser weiter. 17 Kommunen riefen den Katastrophenfall aus, nun ist Passau als 18. Kommune hinzugekommen. In der Innenstadt von Regensburg liefen in der Nacht Evakuierungsmaßnahmen. Auch im Landkreis Rosenheim war die Lage angespannt. Gerade im Süden wurden in der Nacht erneut starke Regenfälle erwartet - am Dienstag soll der Regen laut Deutschem Wetterdienst (DWD) nachlassen.

Nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes wurden die Scheitel an mehreren Pegeln entlang der Donau in der Nacht beziehungsweise im Laufe des Dienstags erwartet, darunter Regensburg, Straubing, Deggendorf und Passau. Insbesondere an den südlichen Zuflüssen der Donau ging das Hochwasser demnach zurück.

In Regensburg mussten am späten Abend rund 200 Menschen ihre Häuser verlassen. Die betroffene Straße liegt in der Innenstadt, direkt an der Donau. Dort sei der Untergrund durch den hohen Grundwasserspiegel stark aufgeweicht, teilte eine Sprecherin mit. Deswegen bestehe die unmittelbare Gefahr, "dass die Hochwasserschutzelemente keinen Halt mehr haben, schlagartig versagen und die Straße geflutet wird".

Unter anderem auch in Straubing und im Landkreis Deggendorf - etwa in den Gemeinden Niederalteich und Metten - liefen noch Hochwasserschutzmaßnahmen.

Die Altstadt von Passau ist wegen des Hochwassers für den Autoverkehr weitgehend gesperrt worden. Nach Angaben einer Stadtsprecherin dürfen lediglich noch Anwohner in die Altstadt fahren, der Zuweg ist nur noch über die Fußgängerzone möglich. Passau ist immer wieder besonders stark von Hochwasser betroffen. In der niederbayerischen Stadt fließen die drei Flüsse Donau, Inn und Ilz zusammen.

Schaulustige machten und machen mancherorts den Einsatzkräften zu schaffen. Etliche Behörden appellierten an die Bürgerinnen und Bürger, abgesperrte Bereiche nicht zu betreten, sich von Dämmen fernzuhalten und den Anweisungen der Einsatzkräfte zu folgen.

Passau ruft am Dienstag den Katastrophenfall aus

Die Stadt Passau in Niederbayern hat aufgrund der erwarteten Zuspitzung der Hochwassersituation am Dienstag den Katastrophenfall ausgerufen. Für die Donau werde im Laufe des Nachmittags ein Pegelstand von rund zehn Metern erwartet, teilte ein Sprecher der Stadt mit. Aktuell betrage der Pegelstand 9,97 Meter.

Relativ zeitgleich werde aber auch der Scheitel des Inns die Dreiflüssestadt erreichen, hieß es. Aufgrund des Starkregens am Montag rechnet die Stadt dort mit einem Pegelstand von mehr als sieben Metern.

Zahlreiche Straßen und Plätze in Passau sind wegen des Hochwassers bereits gesperrt, Schulunterricht fällt aus. Der Busverkehr ist beeinträchtigt, Verbindungen in die Altstadt wurden am Dienstag komplett eingestellt. Betroffen ist den Angaben zufolge vor allem die Alt- und Innenstadt. Die Stadt warnte dringend davor, überflutete Bereiche zu betreten. Das gesamte Hochwassergebiet solle grundsätzlich gemieden werden.

In Passau kommen die drei Flüsse Donau, Inn und Ilz zusammen. Vor allem entlang der Donau spitzt sich die Hochwasserlage in Bayern weiter zu.

Polizei räumt stark überfüllte Züge

Viele Bahnreisende mussten wegen des Hochwassers auf andere Züge ausweichen - drei Züge am Regensburger Hauptbahnhof waren dadurch aber so voll, dass sie teils geräumt werden mussten. Wie die Bundespolizei am Dienstag mitteilte, wurden am Montag zunächst 80 Menschen aus einem Zug von Passau nach Hamburg-Altona geholt. Später holten die Beamten in zwei Zügen auf der Strecke Regensburg - München einmal 90 und später 250 Reisende aus den Fahrzeugen. Die restlichen Insassen konnten weiterfahren.

Weitere Leiche in den Wassermassen entdeckt

Indes entdeckten Einsatzkräfte eine Frauenleiche. Die Verstorbene sei am Montag in Markt Rettenbach im Landkreis Unterallgäu mit ihrem Auto von einer Straße ins Wasser gerutscht und später leblos geborgen worden, teilten die Beamten am Dienstagmorgen mit. Bereits zuvor mussten die Helfer Leichname aus den Fluten ziehen.

Helfer müssen Lindach am Dienstagmorgen aufgeben

Im Manchinger Ortsteil Lindach (Kreis Pfaffenhofen an der Ilm) kämpfen die Einsatzkräfte auch am Dienstagmorgen weiter gegen die Fluten, doch die Chancen schwinden. Das Wasser läuft über die angrenzenden Felder und hat den Ort mittlerweile umschlossen. Die Feuerwehr hatte zuvor versucht, mit aufgestapelten Sandsäcken und -wällen das Wasser abzuhalten, doch werden diese von den Wassermassen komplett unterspült. Der Ortskern steht nunmehr unter Wasser.

Die Feuerwehr hatte zuvor in Manching-Lindach versucht, mit aufgestapelten Sandsäcken und -wällen das Wasser abzuhalten, doch werden diese von den Fluten komplett unterspült.

Die Feuerwehr hatte zuvor in Manching-Lindach versucht, mit aufgestapelten Sandsäcken und -wällen das Wasser abzuhalten, doch werden diese von den Fluten komplett unterspült. © vifogra / Hanke

Während der Evakuierung des praktisch aufgegebenen Ortes weigerte sich eine Familie zunächst, ihren Hof zu verlassen, sofern sie nicht zuvor ihre 27 Pferde auf die Koppel entlassen könnten. Erst im letzten Moment wurde die Familie aus dem Ort gebracht, zusammen mit mehreren Reportern vor Ort, die ebenso von dem rasanten Wassereinbruch überrascht und von den Einsatzkräften gerettet wurden.

Die Bundeswehr ist vor Ort und versucht mit großer Mühe, den angrenzenden Bundeswehrflugplatz zu sichern.

Deutscher Wetterdienst rechnet mit Besserungen

Der DWD rechnete für Dienstag mit einem kleinen Wetter-Lichtblick: Nachdem es in der Nacht südlich der Donau und im Bayerischen Wald teils noch Starkregen und Gewitter geben sollte, soll sich im Laufe des Tages auch die Sonne zeigen. An den Alpen und im Bayerischen Wald könne es "anfangs noch dichte Wolken und stellenweise etwas Regen" geben, hieß es. Die Temperaturen dürften in Bayern zwischen 19 und 25 Grad liegen.

Bei dem Hochwasser der vergangenen Tage kamen in Oberbayern mindestens drei Menschen ums Leben. In Schrobenhausen starb auch eine 43 Jahre alte Frau im Keller eines Hauses, sie wurde am Montag entdeckt. In Pfaffenhofen an der Ilm kam ein Feuerwehrmann im Einsatz ums Leben. Ein weiterer Feuerwehrmann wurde im schwäbischen Offingen noch vermisst. Der 22-Jährige war mit weiteren Einsatzkräften mit einem Boot gekentert. Die anderen konnten sich retten. Das Kabinett will sich mit Hochwasserlage befassen.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bei einem Besuch im oberbayerischen Reichertshofen gesagt: "Die Lage ist und bleibt ernst und kritisch und angespannt." Söder war gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) gekommen. Scholz sicherte den Betroffenen des Hochwassers Solidarität zu. "Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schneller weiter geholfen werden kann", sagte er. Am Dienstag will sich das bayerische Kabinett mit der Hochwasserlage und möglichen Hilfen für Betroffene beschäftigen.

Immer topaktuell informiert bleiben über die wichtigsten Themen aus der Region? Über unseren neuen WhatsApp-Kanal erfahren Sie alle Neuigkeiten aus erster Hand. Hier geht es direkt zum WhatsApp-Channel - eine "Schritt für Schritt"-Anleitung finden Sie hier.