Das Treuchtlinger Krankenhaus ist nun Geschichte

Benjamin Huck

Treuchtlinger Kurier

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21.12.2018, 06:04 Uhr
Das Treuchtlinger Krankenhaus ist nun Geschichte

© Rudi Beringer/Limes-Luftbild

So eine Rundumversorgung kann man sich nur wünschen. Für die sieben Patienten der Geriatrischen Reha war zuletzt ein ganzes Aufgebot an Ärzten, Pflegerinnen und Therapeuten im Einsatz, um sie wieder fit für ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu machen. Zum Abschied wird es an diesem Freitagmorgen noch kleine Geschenke geben, kam doch jedes Jahr traditionell an Heiligabend der Bürgermeister vorbei und spielte der Posaunenchor. Nicht nur die Klänge des Blechensembles werden für immer in den Gängen des Stadtkrankenhauses verstummen, auch die medizinische Versorgung ist nun Geschichte.

„Bei meinem Arbeitsantritt habe ich nicht damit gerechnet, einmal das Krankenhaus abwickeln zu müssen“, sagt Markus Wach, bis zuletzt Chefarzt und medizinischer Direktor. Zwar hatte das Haus bei seiner Einstellung 2006 schon schwierige Zeiten hinter sich, mit der Schließung zahlreicher Stationen (siehe Kasten). Doch dass es nun komplett zugesperrt wird, trifft die Mitarbeiter sehr.

Dabei sahen sie 2011 mit der Altersmedizin noch einen Lichtblick, schließlich wird die Bevölkerung auch immer älter, damit häufen sich Probleme wie Sturzverletzungen. Doch der Anfang vom Ende des Hauses wurde schon 1999 gelegt, als eine von zahlreichen Gesundheitsreformen in Kraft trat. Danach waren kleine Landkrankenhäuser nicht mehr profitabel und mussten ihr Angebot Stück für Stück reduzieren. So auch Treuchtlingen, das mit seiner urologischen Belegabteilung einst zentraler Anlaufpunkt für den Landkreis war.

Beim Gespräch mit den Mitarbeitern fallen auch Namen von Ärzten, die die ganze Stadt geprägt haben. Von Dr. Joachim Unger, Dr. Walter Heberlein und Dr. Günther Dierigl ist die Rede – „Mediziner, die 24 Stunden im Dienst waren und denen die Menschen in der Stadt Respekt entgegenbrachten“, sagt Wach. Doch auch der angesehenste Arzt muss einmal in Rente, der Ruhestand hat meistens dafür gesorgt, dass die Abteilung komplett aufhören musste. So wie die Geburtsabteilung, die am 31. März 2000 geschlossen wurde. Bis dahin wurden im letzten Jahr des Bestehens immerhin 34 Kinder dort geboren.

Auch die Schließung der Notaufnahme und der Unfallchirurgie sei ein harter Einschnitt gewesen, noch bis vor kurzem seien immer Patienten mit einer Verletzung vorbeigekommen. Sie müssen künftig nach Weißenburg oder Gunzenhausen fahren. Ebenso die Polizei, die in steter Regelmäßigkeit Verkehrssünder ins Krankenhaus begleitete, um ihnen Blut abnehmen zu lassen für die genaue Ermittlung des Alkoholwertes.

Die Entscheidung des Stadtrats, das Krankenhaus zu schließen, traf die Belegschaft 2016 etwas unvorbereitet. Natürlich sei immer wieder auf die schwierige Situation des Hauses hingewiesen worden, so Elisabeth Bauer. „Doch als das Ende feststand, war es schon ein hartes Stück.“

Pflege-Bereichsleiterin Elisabeth Bauer hat seit 1988 mit Unterbrechungen im Stadtkrankenhaus gearbeitet, zunächst in der Geburtshilfe und Urologie, später in der inneren Abteilung und Chirurgie. Im Laufe der Jahre ist eine nach der anderen ihrer Stationen geschlossen worden, zuletzt eben die Akutgeriatrie.

Das Treuchtlinger Krankenhaus ist nun Geschichte

© Benjamin Huck

Über mangelnde Patientenzahlen konnte sich das Haus nicht beschweren, vor allem an Weihnachten seien oft viele Betten voll gewesen, etwa weil sich die Stürze auf glatten Straßen gehäuft hatten. „Doch der Winter war immer angenehmer als der Sommer“, meint Wach, denn in der heißen Jahreszeit bestand die Gefahr, dass die Patienten nicht genug trinken, umso intensiver war die Versorgung. Hier hat Wach auch lobende Worte für das Haus übrig, denn selbst im obersten Stockwerk war es auch im Hochsommer oft kühl.

Auch das Haus selbst steckt voller Geschichte, was einem im Inneren auffällt. „In der Atmosphäre haben sich die alten Patienten wohlgefühlt“, sagt Wach und meint damit die mitunter etwas altbackene Einrichtung, die manche betagte Menschen wohl an das eigene Zuhause erinnerte. Das Gebäude selbst besteht aus drei Teilen: dem ursprünglichen Krankenhaus von 1876, dem Haus der ehemaligen Mittelschule und einem Verbindungstrakt. Ein gesondert zugänglicher Verwaltungstrakt im Süden schließt die Anlage ab. Im alten Schulhaus befindet sich sogar noch eine große Toilette, die für das Krankenhaus völlig überdimensioniert war und kaum genutzt wurde.

Entgegen seinem Namen war das Stadtkrankenhaus allerdings seit jeher vor allem ein Landkrankenhaus mit einer familiären Atmosphäre. Das hätten nicht nur die Patienten geschätzt, die Teile des Personals sogar aus dem eigenen Dorf kannten. Auch die Mitarbeiter hätten sich in diesem Umfeld sehr wohl gefühlt. „Wir wuss­ten immer, wer für etwas zuständig ist, und haben uns auf dem kurzen Dienstweg abgesprochen, falls etwas erledigt werden musste oder jemand für eine kranke Kollegin einspringen muss­te“, erinnert sich Bauer. Viele Krankenschwes­tern verbrachten nach ihrer Ausbildung ihr ganzes Berufsleben in dem Haus, die längste noch Mitarbeitende hat ihren Dienst am 15. Oktober 1980 angetreten.

Die kurzen Wege galten auch für die Krankenhausküche, die sich ja direkt im Gebäude befindet. Die Mitarbeiter dort haben jede Mahlzeit frisch zubereitet und konnten auch individuell auf die Wünsche der Patienten reagieren. Das werde in Zukunft wahrscheinlich nicht so einfach ablaufen, wenn das Essen zentral aus einer Großküche kommt.

Mit Freude blickt Bauer zudem auf die Besuche von außen zurück, viele Bürger Treuchtlingens sind regelmäßig ins Krankenhaus gekommen, um das Leben der Patienten abwechslungsreicher zu machen. Etwa Renate Knufinke mit ihren Theaterstücken. Oder die ehemalige Krankenschwester Hartung, die eine Seniorengruppe geleitet hat. Außerdem legte sich das Personal ins Zeug und veranstaltete jeden Monat einen bayerischen Abend – mit Leberkässemmel, alkoholfreiem Bier und Krankenschwestern im Dirndl.

Das Treuchtlinger Krankenhaus ist nun Geschichte

© TK-Archiv

„Wir waren schon immer ein offenes Haus“, sagt Chefarzt Wach und meint das im wahrsten Sinne des Wortes. Geschlossene Türen gab es nicht. Was auch zur Folge hatte, dass sich manch ungebetener Gast vom Bahnhof ins Gebäude schlich. Wach erinnert sich daran, dass eine Krankenschwester eines Abends in einem zuvor noch leerem Bett eine junge Frau fand. „Mir geht es nicht gut“, soll sie gesagt haben. Ein Arzt checkte sie durch und fand keine Beschwerden. Am nächsten Morgen sagte die Frau, die auf der Durchreise war, sie habe nur ein warmes Bett für die Nacht gesucht. „Die war in einigen Krankenhäusern im ganzen Land schon bekannt“, meint Wach, der es niemals verantworten würde, einen Patienten abzuweisen, wenn seine Lage ungewiss ist. Doch das ist nun auch Geschichte.

Das Personal wurde bereits bei einer kleinen Weihnachtsfeier vorherige Woche verabschiedet. Die Frühschicht wird an diesem Freitag, 21. Dezember 2018, die letzte sein, die zum Dienst antritt. Die restlichen Tage bis Silvester können die Mitarbeiter noch Überstunden oder Resturlaub abbauen. Zum Ende des Jahres sind dann erstmal alle Beschäftigten arbeitslos oder müssen die Übergangszeit mit einer Abfindung überbrücken, bevor die meisten am 1. Juni 2019 im Klinikum Altmühlfranken in Gunzenhausen oder bei einem anderen Arbeitgeber wieder anfangen.

Die Arbeit ist indes noch nicht zu Ende. An die 30 Jahre Archivakten müssen gesichtet und in ein Lager außerhalb des Gebäudes geschafft werden, wo sie genauso lange aufbewahrt werden müssen. Auch zumindest bis Mitte nächsten Jahres bleibt die internistische Praxis Dr. Seidel und Dr. Hauser bestehen, ebenso wie das medizinische Versorgungszentrum. Sämtliches Inventar im Krankenhaus gehört der Stadt und muss erst noch ausgeräumt werden.

Am Ende steht dann nur noch ein bis zu 140 Jahre altes Gebäude, das die Stadt an die Bezirkskliniken Mittelfranken übergibt. Die wollen dort bis 2022 eine Psychosomatische Fachklinik errichten. Ob vom Stadtkrankenhaus noch etwas stehen bleibt, ist noch nicht entschieden. Möglich ist auch, dass das Gebäude, in dem viele Menschen geboren oder von ihrer Krankheit kuriert wurden, aber auch ihren letzten Atemzug getan haben, dem Erdboden gleich gemacht wird.

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