Treuchtlinger Bahngeschichte als Modell und in 3D
26.09.2019, 06:04 Uhr
Peter Eberle ist ein Überzeugungstäter. In monatelanger Kleinarbeit hat der Berliner die Stadt Treuchtlingen und ihre Bahnanlagen nachgebaut – als dreidimensionale Computersimulation. Wer den Train Simulator TS 2019 von Aerosoft/Dovetail auf dem Rechner hat, kann mit Eberles Modul virtuell die Eisenbahnerstadt des Jahres 1967 erkunden.
Da sind der Bahnhof und die Lokschuppen des Betriebswerks, das alte Flussbad und die Aral-Tankstelle in der Hauptstraße, der Edeka am Forsthaus, die "Neuen Lichtspiele" und der Wettelsheimer Keller. Richtung Graben geht es über die einstige "Donnerbrücke", so genannt wegen des Lärms, wenn ein Fahrzeug über die Holzkonstruktion fuhr. Und sogar die Züge selbst sind "begehbar".
Dabei ist Eberles Hauptverkehrsmittel ein anderes: Der 59-Jährige ist Flugkapitän bei Sundair, davor flog er für Deutsche BA und Air Berlin, demnächst tritt er die wohl letzte Station seines Berufslebens beim Luftfahrt-Bundesamt an. "Zum Lokführer hat es nicht gereicht", meint er schmunzelnd. Denn das wäre der Traum seiner Kindheit gewesen.
Die hat Eberle zu einem guten Teil in Treuchtlingen verbracht. "Das war eine glückliche Zeit", blickt er zurück. In den Sommerferien ging es stets in die Altmühlstadt, wo Eberles Großvater Stellwerksleiter war – zuerst im Werk I, später im neuen elektrischen Stellwerk unweit der heutigen Moschee. "Die Eisenbahner-Eliten kannten alle einander und grüßten sich mit Namen. Das kannte ich von zuhause nicht", erinnert er sich. Und in der "Süßen Ecke" habe es immer Naschereien gegeben.
Teil 1 unserer Bahn-Serie: Boom und Unzucht: 150 Jahre Bahn in Treuchtlingen
Zu Teil 2 geht es hier: Treuchtlingen um 1900: Bahn-Boom und Bier für Kinder
Auch von einem kuriosen Vorfall hat Eberles Großvater ihm erzählt: In den 1950er Jahren hatten manche Rangierloks noch keine Türen, sondern nur Vorhänge am Einstieg. Einmal habe sich ein Lokführer zu weit aus einem solchen Einstieg herausgelehnt, sei gegen einen Mast geprallt und aus dem Zug gefallen.
"Die Lok fuhr dann allein in Richtung Pappenheim weiter", so Eberle. Da dies aber offenbar kein Einzelfall war, habe es ein spezielles Alarmsystem gegeben, und eine schwerere Dampflok sei gestartet, um die "verwitwete" Lok auszubremsen. Das sei nahe Solnhofen auch gelungen. Ärger habe der tolpatschige Lokführer weniger wegen des Vorfalls bekommen, als wegen seines scheinheiligen Verhaltens während der "Einfangaktion".
"Bahn mit Randbebauung"
All diese Erinnerungen und viele alte Fotos haben Eingang in Eberles Simulationsmodul gefunden. "Es ist ein tolles Gefühl, wenn am Bildschirm Gebäude entstehen, die heute nicht mehr da sind", erzählt er. Woher er die Zeit dafür nimmt? "Ich habe viel Bereitschaft und mache das als Entspannung." Und auch heute ist Eberle noch oft in Treuchtlingen – oder besser gesagt darüber, wenn er auf seiner Stammstrecke München-Düsseldorf unterwegs ist. "Von oben ist die Stadt eigentlich nach wie vor nur Bahn mit Randbebauung", meint er augenzwinkernd.
Peter Eberle hat sein Simulator-Modul beim Treuchtlinger Kurier hinterlegt. Wer Interesse hat, kann es sich auf einen Datenträger kopieren (Telefon 09142/966114). Ein Video der Simulation läuft am 29. September im Volkskundemuseum.
Eine Nachbildung des Bahnbetriebswerks aus der Zeit um 1960 "zum Anfassen" hat unterdessen der Modelleisenbahn-Club 01 220. Im Volkskundemuseum steht seit vielen Jahren die zehn mal vier Meter große Anlage der Spurgröße H0. "Das hier ist keine Fantasielandschaft, sondern alles originalgetreu", betont Clubmitglied Hedwig Frank.
Die Bahn in Treuchtlingen, Teil 3: Treuchtlingen um 1900: Bahn-Boom und Bier für Kinder
Und Teil 4 unserer Bahn-Serie: Treuchtlingen: Von der Eisenbahn- zur Altmühlstadt
Franks Söhne Jörg und Rolf sind die Autoren des Buchs "Eisenbahnkreuz Treuchtlingen" und haben die Anlage Mitte der 1980er Jahre gebaut. Heute basteln die "Clubmechaniker" Heinz Menzl und Martin Veitengruber an ihr weiter, gerade kommen die Häuser von Gstadt hinzu. Auch der Modellbahn-Club präsentiert sich beim Jubiläum am Sonntag, 29. September.
Das Programm zum Eisenbahn-Jubiläum
150 Jahre Eisenbahn in Treuchtlingen" heißt es am Sonntag, 29. September. Los geht es um 11 Uhr mit einer Zugtaufe im Bahnhof. Um 12 Uhr startet dort dann das Fest mit Musik, Aufführungen und Kinderprogramm.
Nachmittags fährt der "Dorfexpress" zum Eisenbahn-Miniaturland und zum Volkskundemuseum, wo die Sonderausstellung "Geschichten aus der Dampflokzeit" geöffnet hat. Im Obergeschoss führt der Modellbahn-Club seinen Nachbau des Betriebswerks von 1960 vor. Im Halbstundentakt starten zudem Führungen durchs Stellwerk, und auch der "Parkexpress" dreht gegenüber der Denkmalslok seine Runden.
Drei Nostalgiefahrten bietet das Nördlinger Eisenbahnmuseum um 12, 14 und 16 Uhr an: Mit der Dampflok S3/6 3673 "Stolz der Bayern", die einst Luxuszüge wie den Orientexpress zog, geht es durchs Altmühltal nach Eichstätt und zurück. Karten gibt es im Vorverkauf für 15 bis 25 Euro bei den Touristinformationen, in den Geschäftsstellen von Treuchtlinger Kurier, Weißenburger Tagblatt und Altmühl-Bote sowie unter www.reservix.de.
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