Treuchtlinger Mitte: Weniger Leerstand, mehr Nischensortimente
15.6.2020, 06:04 UhrAuf den ersten Blick stimmt diese Entwicklung zuversichtlich. Allerdings hat sich das Sortiment in Zeiten von Internethandel und Discountern stark gewandelt. Geschäfte für den täglichen Bedarf wie Lebensmittel, Kleider oder Haushaltswaren finden sich hinter den Schaufenstern von Wallmüllerplatz, Bahnhof-, Haupt- und Oettinger Straße immer seltener – dafür aber mehr und mehr besondere Läden wie etwa für Schallplatten, Herrenrasur, osteuropäische Spezialitäten oder „feine Biere“.
Einen „guten Wechsel“ nimmt auch Marina Stoll wahr, die im Rathaus als Nachfolgerin von Wilma Vogel zuständig für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung ist – aus Kostengründen allerdings nicht mehr allein, sondern in Personalunion mit Bürgermeisterbüro und Stabsstelle. „Die Hotspots in der Bahnhofstraße sind wieder gut befüllt, Leerstände haben wir eher noch in den Randbereichen.“
Dass zunehmend Nischensortimente, Nebenerwerbs-Läden und Dienstleister den klassischen Einzelhandel ersetzen, räumt Stoll ebenfalls ein, findet das aber „gar nicht so schlecht, denn man braucht auch etwas Ausgefallenes und Besonderes“. Waren der Grundversorgung würden ohnehin eher in Großmärkten oder im Internet gekauft. Zudem könne man froh sein, für die oft sehr kleinen Ladenflächen in der Stadtmitte überhaupt Nachnutzer zu finden. „Und wir wünschen uns ja auch etwas mit Aufenthaltscharakter“, meint die Stadtentwicklerin. Geschäfte wie der kürzlich neu eröffnete Laden „Feine Biere“ könnten – zum Beispiel in Verbindung mit dem Wochenmarkt – „durchaus mehr Leute in die Stadtmitte bringen“.
"Viele hätten gern einen kleinen Supermarkt"
Gewerbevereins-Chefin Christina Kühleis sieht das ähnlich. Wenn man die Corona-Krise ausklammere, sei „die Entwicklung eigentlich ganz gut“. Nur für den Grundbedarf sei das Angebot eher mau. „Viele hätten gern zumindest einen kleinen Supermarkt im Zentrum, gerade für ältere Menschen“, sagt Kühleis. Das habe sie kürzlich auch im Antrittsgespräch mit der neuen Bürgermeisterin Kristina Becker angesprochen.
Einer der „Neuen“ in der Stadtmitte ist Willi Ruppert mit seinen „feinen Bieren“, die es in der Bahnhofstraße 25 gibt. „Ich betreibe zusammen mit anderen seit über zwölf Jahren einen Bier-Blog, und meine Liebe zu besonderen Bieren hat dazu geführt, jetzt in der ehemaligen Metzgerei meiner Eltern diesen Laden zu eröffnen“, erklärt er. Im Sortiment hat der alteingesessene Treuchtlinger „besondere fränkische, aber auch internationale Biere, mit und ohne Reinheitsgebot, aber immer charakterstark“. Da Ruppert, der auch Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist, das Geschäft „nur nebenbei“ betreibt, hat sein neuer „Biertempel“ allerdings vorerst nur freitags von 13 bis 19 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Die Eröffnungsfeier soll nachgeholt werden, „sobald die Pandemie das wieder erlaubt“.
Ebenfalls frisch eröffnet hat der Barber-Shop „Kingsman“ in der Hauptstraße 4, wo vormals „Juttas Modetreff“ war. Betreiber Husam Alesmaeil und sein Kollege Abdullah Alhallak haben ihn in nostalgisch-orientalischem Stil mit viel dunklem Holz und Leder eingerichtet, einen Teil der Möbel ließen sie eigens aus der Türkei kommen. „Wir wollten die Einrichtung so originalgetreu wie möglich haben“, sagt Alesmaeil. Die zwei Barbiere setzen eine Familientradition fort, denn auch ihre Väter und Großväter waren Barbiere. Beide kommen aus dem syrischen Hama und leben schon seit einigen Jahren im Landkreis – in Treuchtlingen haben sie sich rein zufällig getroffen. In ihrem Geschäft kümmern sie sich vorerst ausschließlich um Bart und Frisur von Männern – vor einer Erweiterung für Frauen wollen sie „erst mal sehen, wie es läuft“.
Eher ausgefallene Sortimente
Schon etwas länger geöffnet haben das Schallplattencafé „Vinylla Fudge“ im historischen Pfleghaus („Kreutzer-Haus“) in der Hauptstraße 39 und das Restaurant „Hollberg“ im ehemaligen Juweliergeschäft Straßner am Wallmüllerplatz. Sie zählen aber ebenfalls noch zu den „Neulingen“ in der Treuchtlinger Geschäftswelt – genauso wie der Goldhändler, der sich in der Hauptstraße 47 schräg gegenüber der Metzgerei Geißelmeier niedergelassen hat.
Seinen Laden gerade erst angemeldet hat schließlich der Nachnutzer des einstigen Traditions-Modehauses Mührl in der Hauptstraße 17. Dort soll es laut Marina Stoll künftig rumänische, polnische und russische Spezialitäten geben – also immerhin wieder eine innerstädtische Anlaufstelle für Lebensmittel, wenn auch für eher ungewohnte.
Innerhalb des Stadtgebiets umgezogen ist neben Juttas Modetreff, der sich nun in der einstigen Gewerbebank am Wallmüllerplatz befindet, kürzlich auch die Kosmetik- und Fußpflegepraxis Evi Gabrysch. Vom stark sanierungsbedürftigen Jurahaus in der Hauptstraße 23 ging es stadtauswärts in die Wettelsheimer Straße.
Zähe Verhandlungen um alten "Preisfux"
Unter dem Strich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) bleiben in der Treuchtlinger Stadtmitte damit acht prominente Leerstände. Allen voran ist da seit mittlerweile knapp drei Jahren der ehemalige Edeka („Preisfux“) in der Oettinger Straße. Nachdem sich trotz intensiver Bemühungen von Verwaltung und Politik kein neuer Lebensmittelmarkt als Mieter fand und der danach angedachte Umbau zum Fitnessstudio im Stadtrat durchfiel, laufen nach Informationen aus dem Rathaus nun Gespräche mit dem derzeit in der Bahnhofstraße 55 ansässigen Therapiezentrum Flisar. Der Eigentümer des Gebäudes, eine Münchner Immobilienfirma, habe sich allerdings bisher als „eher schwieriger Verhandlungspartner“ erwiesen.
Noch keine Nachnutzung gibt es darüber hinaus für die ehemalige Steuerkanzlei in der Hauptstraße 12, „Rosis Geschenkeladen“ in der Oettinger Straße 3, die Praxis Gabrysch in der Hauptstraße 23 sowie das frühere Reisebüro und das einstige Brillen- und Hörgerätegeschäft in den Luitpoldarkaden. Für letzteres hatte sich im März eine Shisha-Bar interessiert, der Stadtrat schob dem jedoch einen Riegel vor.
Ebenfalls vakant sind die Bäckerei im Lidl-Markt in der Kanalstraße sowie das vergangenes Jahr in die Bahnhofstraße umgezogene Fotostudio Treuchtlingen (ehemals Gebhardt & Lahm). Dessen altes Gebäude in der Ringstraße 1 ist mittlerweile verkauft – ob es überhaupt wieder gewerblich genutzt werden soll, ist laut Marina Stoll noch unklar. Jenseits der Stadtmitte stehen schließlich noch das einstige „Wienerwald“-Restaurant und ein weiterer Laden auf dem E-Center-Gelände in der Nürnberger Straße leer – ersteres bereits seit rund zehn Jahren.