Volksbegehren: Beim Artenschutz sind alle gefragt
12.2.2019, 05:57 UhrMichaela Kaniber ist eine gefragte Frau in diesen Tagen. Vor allem die Verbände, die das derzeitige Volksbegehren kritisieren, versuchen momentan, bei der bayerischen Landwirtschaftsministerin einen Termin zu bekommen. Sie wollen ihre Forderungen unterbreiten und so versuchen, schon jetzt auf den alternativen Gesetzentwurf einzuwirken, der in einigen Monaten bei einem Volksentscheid zur Wahl stehen wird.
"Rettet die Bienen": Noch fehlen 50.000 Unterschriften
"Wir wollen uns ganz stark positionieren", betont denn auch Gertrud Helm, Sprecherin des Bayerischen Jagdverbandes (BJV). Bereits am Freitagabend hat sich die BJV-Spitze mit der Ministerin getroffen. "Das Treffen ist sehr positiv verlaufen. Wir konnten unsere Anliegen sehr gut vorbringen", meint Helm.
Und Anliegen hat der Jagdverband so einige. "Die Gesetzestexte waren teilweise sehr unüberlegt. Ohnehin kann man nicht alles mit dem Gesetzesprügel regeln. Das war einfach viel zu ideologiebehaftet", sagt Helm. Der BJV plädiert für attraktive Förderprogramme, die Bio-Landwirtschaft und Artenschutzmaßnahmen genauso lukrativ machen wie die intensive Bewirtschaftung eines Getreidefeldes.
"Was für uns ordentlich ist, ist für andere tödlich"
„Auch Kommunen sollten nicht jeden Weg mulchen, nur weil der Bauhof gerade nichts zu tun hat und weil es dann ordentlich aussieht“, sagt die BJV-Sprecherin. Überhaupt: Worte wie "ordentlich", "sauber" und "aufgeräumt" beschreiben sehr gut, wie viele Bürger gerne ihren möglichst wenig arbeitsintensiven Garten und letztlich auch die gesamte Landschaft um sich herum sehen möchten. Doch hier werden diese Bürger wohl umdenken müssen.
"Ordentlich hat mit der Natur eben nichts zu tun. Was für uns eine saubere, aufgeräumte Landschaft ist, ist für unsere Mitbewohner auf der Erde tödlich", betont Helm.
Wildblumenwiese im Kreisverkehr
Auch Felix Fröhlich, Bürgermeister von Rohr im Landkreis Roth, wird das seinen Bürgern bald beibringen müssen. Jüngst wurde seine Gemeinde mit neun weiteren bayerischen Kommunen zur Biodiversitätsgemeinde ernannt. In Rohr will man zunächst vor allem öffentliche Flächen umgestalten, etwa auf einem neuen Kreisverkehr eine Wildblumenwiese anlegen oder Ackerwildkräuter säen. Auch die Uferstreifen entlang der vielen Weiher und Teiche in der Gemeinde würde Fröhlich gerne anders gestalten.
"Rettet die Bienen": Nürnberg, Erlangen und Fürth knacken 10-Prozent-Hürde
Was da auf ihn zukommen wird, hat ihm schon sein Amtskollege aus der Biodiversitätsgemeinde Rankweil im österreichischen Vorarlberg erzählt. "Als die Flächen neu angelegt wurden, haben etliche Bürger gesagt 'Mensch, das schaut aber schlampig aus'", erzählt Fröhlich. Um die Bürger mitzunehmen, sollen an solchen Flächen künftig Informationstafeln stehen, auf denen erklärt wird, warum hier sehr viel seltener gemäht wird.
Mähvorschriften sollen weg
"Sobald der Slogan ,Rettet die Bienen!‘ bekannt war, war mir klar, dass das Volksbegehren ein Erfolg wird. Einfach jeder kann diesen Satz unterschreiben", ist Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) überzeugt. Der Erfolg des Slogans ist ihrer Meinung nach aber auch Teil des Problems: Denn wegen der Popularität der schwarz-gelb gestreiften Symbolfigur fallen viel zu oft die eigentlichen Inhalte des Artenvielfalts-Volksbegehrens unter den Tisch.
Die betreffen mit den geplanten Änderungen des Bayerischen Naturschutzgesetzes vor allem neue Vorschriften für die Bauern. Und auch wenn Kaniber nicht viel dazu sagen will, welche konkreten Inhalte ein Gegenentwurf haben sollte, wird im Gespräch mit unserer Zeitung schnell klar: Die Vorgaben zur Grünland-Bewirtschaftung müssen weg.
"Dass nach dem 15. März das Walzen von Grünland verboten sein soll, ist fachlich nicht in Ordnung. Da liegt zum Beispiel im Berchtesgadener Land noch Schnee", verdeutlicht Kaniber, die sich auch gegen festgelegte Daten zum Mähen von Grünland ausspricht, da man aufgrund der verschiedenen Vegetationen in der Fläche keine einheitlichen Termine festlegen könne.
Mehr Hecken, Bäume und Sträucher
"Auch bei den Agrarumweltmaßnahmen müssen wir auf noch mehr Effizienz achten", räumt Kaniber ein. Dabei wolle man aber weiter auf Freiwilligkeit setzen. Zusätzliche Anreize sollen Landwirte dazu bringen, sich noch mehr für die Artenvielfalt zu engagieren und etwa Hecken, Bäume und Sträucher zwischen den Feldern anzulegen.
"Wir wünschen uns einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. Die Bauern müssen auch ihren Beitrag leisten, dürfen aber nicht überproportional belastet werden", sagt Kaniber. Auch die Kommunen müssten sich überlegen, ob man in Zukunft Dächer und Fassaden begrünen könne und wie man möglichst viel blühendes Stadtgrün schafft.
Am stärksten zur Wehr gesetzt hat sich in den vergangenen Wochen naturgemäß der Bayerische Bauernverband (BBV), schließlich sind die Landwirte am meisten betroffen von den angestrebten Gesetzesänderungen. Sie setzen auf Freiwilligkeit und wollen ihr bisheriges Engagement für den Naturschutz gewürdigt wissen.
In einem Gegen-Gesetzentwurf wollen sie zusätzliche Förderprogramme für die Landwirtschaft verankert wissen.
Bio-Kaufplicht im Supermarkt?
"Alle die für das Volksbegehren sind, werden künftig also ihre Gärten neu anlegen, Blühflächen säen, bienenfreundliche Wildhecken pflanzen, erst nach dem 15. Juni mähen, mindestens 30 Prozent Bio im Laden kaufen" verdeutlicht Ottmar Braun, BBV-Geschäftsführer in Mittelfranken, was von den Bauern verlangt wird.
Bauern- und Jagdverband wollen nicht die Landwirte einseitig belasten, sondern die ganze Gesellschaft ins Boot zu holen, wie es auch Ministerpräsident Markus Söder mit seinem angekündigten runden Tisch anzustreben scheint.
Gewaltiger Andrang beim Volksbegehren: Städte reagieren
Ganz unbedarft setzt man sich aber natürlich nicht an den runden Tisch. Denn nicht nur bei der Landwirtschaftsministerin hat der BJV vorgefühlt, der Verband hat auch noch andere Einflussmöglichkeiten aktiviert, schließlich sind zwei BJV-Präsidiumsmitglieder gleichzeitig CSU-Landtagsabgeordnete. Viele weitere Landtagsabgeordnete sind Jäger, auch Eric Beißwenger (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses. "Ihnen allen geben wir unsere Argumente an die Hand", sagt Helm.
12 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen