Podcast mit Oliver Tissot
Warum gute Chefs über sich selbst lachen können
2.8.2023, 14:59 UhrEr selbst bezeichnet sich auf seiner Webseite als "Business-Kabarettist" und im Podcast "Horch amol" wird schnell klar, warum diese Zuschreibung passend ist. Sich die "Chefs" vorzuknöpfen, gehört zum Grundprinzip seiner Auftritte.
Dabei ist es ihm egal, ob es sich um einen Abteilungsleiter, einen Firmeninhaber, einen Bürgermeister oder einen Minister handelt. Eine hervorgehobene Position schützt nicht vor seinen spitzen Bemerkungen. Im Gegenteil, es fordert den Sprachakrobaten eher heraus.
Nicht justiziabler Hofnarr
Kein Wunder, dass Tissot mit einer weiteren Zuschreibung gut leben kann. Er gehe als moderner Hofnarr durch, sagt er auf die entsprechende Frage. Dieser war schon in früheren Zeiten "nicht justiziabel" und stand im Rang direkt unterhalb des Herrschers und noch vor den Ministern oder dem sonstigen Hofstaat, sagt er lachend.
Der Hofnarr sollte vor allem den Mächtigen den Spiegel vorhalten und darin sieht Tissot auch seine Aufgabe. Bloßstellen gehört jedoch nicht dazu. "Fingerspitzengefühl, Empathie und Menschenliebe", bringt der Kabarettist seinem Gegenüber entgegen, denn "ich will nicht über die Menschen lachen, sondern mit ihnen". Um diesen Anspruch zu erfüllen, recherchiert er vor seinen Auftritten viel über seine Auftraggeber.
Talent zur Spontanität
Gleichzeitig zeichnet Tissot aus, dass er auf vorhergehende Reden, beispielsweise bei einem Firmenjubiläum, spontan eingeht. Dieses "Talent zur Spontanität" hat er im Lauf seiner mehr als 30-jährigen Bühnenpräsenz immer weiter ausgebaut, zudem kann er inzwischen auf ein "riesiges Sammelsurium an Anekdoten" zurückgreifen, die sich fest in sein Hirn eingebrannt haben.
Dazu kommt ein "gut geschultes Ultra-Kurzgedächtnis", auf das er sich - neben seinen Notizen - verlassen kann. Wenn der "Adrenalin-Junkie", wie sich der Kabarettist selbst bezeichnet, loslegt, "funken alle Synapsen". Was während des Auftritts konkret passiert, weiß man ja schließlich nie so genau.
Unterschiedliche Führungstypen
Weil der "Wortakrobat", wie Oliver Tissot gerne tituliert wird, bei Firmenevents sehr gefragt ist, hat der 60-Jährige im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Arten von Führungskräften erlebt. Vom "Kumpeltyp" bis hin zum "Despoten" reicht die Palette und "beides funktioniert", sagt der akribische Beobachter. Bei den Despoten hat er allerdings festgestellt, dass es an Nachhaltigkeit fehlt. "Die sind oft nach zwei bis drei Jahren wieder weg", meint Tissot. Oder sie sind Inhaber familiengeführter Unternehmen, die ihre Macht ausleben. Auf der Seite der Konzerne trifft Tissot wiederum auf "ausgemergelte Gestalten", die "Marathonsitzungen hinter sich bringen und danach noch Marathon laufen."
Die Stereotypen, die der Kabarettist skizziert, sind die Basis seiner Arbeit. Wenn den Chefs der Spiegel vorgehalten wird, erreicht er häufig zweierlei: Einerseits bekommen die Mitarbeiter das Gefühl, dass in den oberen Etagen doch mehr von den Sorgen und Nöten der Belegschaft bekannt ist, als gedacht und andererseits wirkt das Lachen über die Unzulänglichkeiten und kleinen Schwächen der Chefs für alle befreiend.
Humor macht Unternehmen besser
Mit seinen Auftritten ist es Tissot auch schon gelungen, verhärtete Positionen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat aufzuweichen, erzählt der Doktor der Soziologie, der mit dem Thema "Gewinnbringendes Lachen? Humor als Humanfaktor zur Erreichung von Unternehmenszielen" promoviert hat. Da Tissot überzeugt davon ist, dass Humor dazu beiträgt, dass die Arbeit im Unternehmen effizient erledigt wird, sich eine Fehlerkultur etablieren kann, weniger Krankheitstage anfallen, die Motivation und Kreativität steigen sowie die Fluktuation sinkt, hat er seine Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst. "Warum Chefs immer recht haben und Mitarbeiter nicht mitdenken sollten", so lautet der provokante Titel. Dass Oliver Tissot genau das Gegenteil meint, sollte klar sein. Der Wortakrobat, Hofnarr und Kabarettist schiebt aber sicherheitshalber in der Unterzeile noch mit feinem Humor ein "Über Wert und Schätzung" nach.
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